Große Koalition beschließt Ausweitung der DNA-Analysen
Humanistische Union: Neuregelung widerspricht rechtsstaatlichen Standards
Die heute mit den Stimmen von CDU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen beschlossene Ausweitung der DNA-Analyse senkt nach Auffassung der Humanistischen Union rechtsstaatliche Standards in verfassungswidriger Weise. Im Zentrum ihrer Kritik stehen vor allem die weitgehende Abschaffung des Richtervorbehalts, die Anwendung von DNA-Analysen bei wiederholten, geringfügigen Straftaten und die gesetzlichen Regelungen für DNA-Reihenuntersuchungen.
Die Änderung der Strafprozessordnung (StPO) in § 81f Abs. 1 ermöglicht bei Zustimmung der Betroffenen oder Gefahr im Verzug die Durchführung von DNA-Analysen ohne richterliche Anordnung. Bei Gefahr im Verzug können die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungsbehörden die DNA-Untersuchung ohne gerichtliche Entscheidung und ohne Einwilligung der betroffenen Person anordnen. Dazu stellt die Bundesvorsitzende der Humanistischen Union Prof. Dr. Rosemarie Will fest: „Die vom Gesetzgeber abgegebene Begründung für den Wegfall des Richtervorbehalts hält rechtsstaatlichen Erfordernissen nicht stand. Man will schnell handeln können, ohne dass man einen so schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht bereits rechtfertigen könnte.“
Die Änderung in § 81g StPO Abs. 1 verletzt zudem die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Kriterien der Verhältnismäßigkeit. Künftig sollen beliebige wiederholte Straftaten mit einer Straftat von erheblicher Bedeutung gleichgesetzt werden. Rosemarie Will: „Jede DNA-Analyse stellt einen schwerwiegenden Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Dieser ist nach rechtsstaatlichen Kriterien nur zulässig, wenn er zum Schutz des öffentlichen Interesses unerlässlich ist. Dass die Erfassung des genetischen Fingerabdrucks eines mehrfachen Ladendiebs zum Schutz des öffentlichen Interesses nötig sei, leuchtet nicht ein.“
Ein weiterer kritischer Punkt ist die im neuen § 81 h StPO enthaltene Regelung sogenannter molekulargenetischer Reihenuntersuchungen (DNA-Massentests). Erfahrungen in der bisherigen Anwendungen solcher DNA-Massentests haben gezeigt, dass das Kriterium der Freiwilligkeit keine rechtsstaatliche Sicherheit bietet. Rosemarie Will: „Der Humanistischen Union sind Fälle bekannt geworden, in denen Verweigerer solcher ‚freiwilliger‘ Tests allein aufgrund ihrer Ablehnung zu Tatverdächtigen in polizeilichen Ermittlungsverfahren wurden.“ Häufig werden solche Tests im Strafvollzug durchgeführt, wobei die Betroffenen bei Nichtteilnahme negative Sanktionen befürchten müssen. Wenn die massenweise DNA-Analyse zum normalen polizeilichen Ermittlungsinstrumentarium wird, geraten alle TeilnehmerInnen zu potentiell Verdächtigen. Ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung wird in dieser Situation nach dem heute beschlossenen Gesetz nicht mehr respektiert.