Themen / Informationsfreiheit

HU: Bremer Entwurf des Infor­ma­ti­ons­frei­heits­ge­setzes unzurei­chend

24. März 2006

Stellungnahme zum IFG-Gesetzentwurf der großen Koalition in Bremen

In einer Stellungnahme begrüßt die Humanistische Union das Vorhaben, ein Informationsfreiheitsgesetz (IFG) für das Land Bremen einzuführen. Der vorliegende Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen (SPD und CDU) wird jedoch als nicht weitgehend genug kritisiert. Er entspricht zu weiten Teilen dem geltenden Bundes-Informationsfreiheitsgesetz und übernimmt damit Regelungen, die den neu eröffneten Informationszugang in einem Umfang beschränken, der weder zum Titel des Gesetzes noch zu dem in der Begründung in Aussicht gestellten „umfassenden Anspruch auf Informationszugang“ passt. So werden u.a. alle unter Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse fallenden Informationen pauschal vom Auskunftsanspruch der Bürgerinnen und Bürger ausgenommen. Eine der wesentlichen Funktionen eines IFG, die Eindämmung von Korruption, wird so verschenkt.

Stellung­nahme der Humanis­ti­schen Union zur den Entwürfen von SPD und CDU (Drs. 16/874) sowie Bündnis 90/Die Grünen (Drs. 16/772) für ein Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu Infor­ma­ti­onen für das Land Bremen
(Bremer Infor­ma­ti­ons­frei­heits­ge­setz – Brem. IFG)

Das Anliegen, für das Land Bremen ein Informationsfreiheitsgesetz zu beschließen, wird von der Humanistischen Union geteilt. Wir begrüßen daher, dass der diesbezügliche Gesetzgebungsprozess die Zielgerade erreicht hat.
Gleichzeitig bedauern wir zu weiten Teilen die konkrete Ausgestaltung der ‚Informationsfreiheit‘ durch den Entwurf der Fraktionen der Regierungskoalition.

Zu § 1
Der Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD und CDU (im folgenden Koalitionsentwurf) entspricht zu weiten Teilen dem geltenden Bundes-Informationsfreiheitsgesetz (Bundes-IFG) und übernimmt damit Regelungen, die den neu eröffneten Informationszugang in einem Umfang beschränken, der weder zum Titel des Gesetzes noch zu dem in der Begründung in Aussicht gestellten „umfassenden Anspruch auf Informationszugang“ passt. Diese Einschätzung wird von wissenschaftlicher Seite geteilt. 
Das in der Begründung formulierte Versprechen, mit dem Entwurf einen „eigenständigen Bürgerrechtsanspruch“ zu gestalten bzw. „Grundrechte“ zu konkretisieren, wird nicht eingelöst. Es erfolgt keine Verankerung des Informationsanspruches, z. B. nach Brandenburger Vorbild, in der Verfassung des Landes Bremen. Gleichzeitig werden entsprechend dem Bundes-IFG Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse absolut geschützt, d. h. der aus dem Demokratiegebot abgeleitete Informationsanspruch wird der Eigentumsgarantie untergeordnet. Die Verfassungsmäßigkeit dieses absoluten Schutzes wird von Prof. Klöpfer kritisch bewertet.
IFG sollen Mindeststandards für Verwaltungstransparenz bzw. Informationszugang etablieren. Diesem Anspruch wird der Koalitionsentwurf anders als der Oppositionsentwurf nicht gerecht, weil spezialgesetzliche Regelungen vorgehen. Insoweit ist die Begründung des Koalitionsentwurfs zu § 1(3) irreführend.  Die Formulierung in der Begründung zu den § § 3-6, wo es heißt, in diesen Paragraphen würden die Ausnahmetatbestände abschließend geregelt, verdeckt die restriktiven Einflüsse, die von Spezialgesetzgebung ausgehen können.
Wir schlagen vor, für Absatz 3 die Formulierung aus § 16 des Entwurfes der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen (im weiteren Oppositionsentwurf) zu übernehmen.
Die Transparenz- und damit Demokratie fördernde Wirkung des Koalitionsentwurfs wird zudem in § 1(1) durch einen zu eng ausgestalteten Anwendungsbereich beeinträchtigt. Ausgespart bleiben juristische Personen, die durch den Senat kontrolliert werden, ohne öffentlich-rechtliche Aufgaben wahrzunehmen. Die Definition des Anwendungsbereiches im Oppositionsentwurf ist weiter, jedoch auch nicht ausreichend weit gefasst. Der Bremer Landesbeauftragte für den Datenschutz hat deshalb einen alternativen Formulierungsvorschlag gemacht, der unsere Unterstützung findet.
In § 1(1) weicht der Koalitionsentwurf vom Bundes-IFG ab. Am Ende des ersten Satzes wurde die Spezifizierung „ohne ein rechtliches Interesse darlegen zu müssen“ eingefügt. Die gleiche Formulierung wurde auf Bundesebene im Verlauf des Gesetzgebungsprozesses gestrichen, weil sie die Interpretation herausfordern könnte, einer Antragstellung müsse ein berechtigtes Interesse zugrunde liegen. Der Oppositionsentwurf verzichtet auf die problematische Formulierung. Eine entsprechende Streichung im Koalitionsentwurf würden wir begrüßen.
Soll mit dem IFG tatsächlich die in der Begründung dargestellte Stärkung der Bürgerschaft wahr gemacht werden, bedarf der Koalitionsentwurf bezüglich der oben angesprochen Punkte einer grundsätzlichen Überarbeitung.

Zu § 3
Zu begrüßen ist, dass die Eingangsformulierung eine Abwägung der Ausnahmetatbestände mit dem Informationsinteresse des Antragstellers bzw. der Öffentlichkeit erlaubt.
Die Ausnahmetatbestände sollten enger gefasst werden. Beispielsweise könnten Nr. 1e und 2 zusammengefasst werden.
Es ist nicht einsichtig, wieso durch Nr. 6 der Aufsicht des Landes unterstehende juristischen Personen des öffentlichen Rechts im Wirtschaftsverkehr ein Schutz über den von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ( § 6) hinaus gewährt werden sollte.

Zu § 4
Durch die Eingangsformulierung „der Antrag auf Informationszugang soll abgelehnt werden“ wird der behördliche Entscheidungsprozess stärker als die innere und äußere Sicherheit ( § 3 1e, 2) geschützt. In § 10(1) Oppositionsentwurf wird noch restriktiver formuliert („ist abzulehnen“). Beide Formulierungen widersprechen dem Geist von IFG. Gerade behördliche Entscheidungsprozesse sollen transparenter werden. Die Eingangsformulierung sollte deshalb durch die aus § 3 ersetzt werden.

Zu § 5
In Absatz 2 werden u. a. „besondere Amtsgeheimnisse“ geschützt. Es ist nicht klar, was mit diesem Begriff gemeint ist. Besonderen Geheimhaltungsvorschriften unterliegende Dokumente werden bereits durch § 3(1) Nr. 4 geschützt.

Zu § 6
Sollte der absolute Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen bestehen bleiben, würde der Nutzen des späteren Gesetzes deutlich eingeschränkt. Nicht nur die Korruption dämpfende Wirkung litte, auch beispielsweise der Zugang von Verbrauchern zu aus gesundheitlichen Gründen potentiell wichtigen Produktinformationen bliebe in vielen Fällen vom alleinigen Gutdünken von Unternehmern abhängig.
Anders § 11 Oppositionsentwurf, dessen Übernahme an Stelle von § 6 Koalitionsentwurf wir begrüßen würden.

Zu § 7
In Absatz 1, Satz 3 ist eine Begründungspflicht vorgesehen. Dies widerspricht dem Grundsatz, durch IFGs voraussetzungslose Akteneinsichtsrechte zu schaffen. Die Abwägung, für welche die Informationen geliefert werden sollen, liegt im Interesse des Antragstellers. Besser und IFG-konformer wäre deshalb folgende Formulierung:
„Betrifft der Antrag Daten Dritter im Sinne von § 5 Abs. 1 und 2 oder § 6, ist dem Antragsteller Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.“
Diese Formulierung würde auch einer missbräuchlichen Interpretation vorbeugen, die die Begründungspflicht auf den gesamten Antrag ausdehnen könnte.
Absatz 4 könnte so verstanden werden, als stünden das Recht auf Kopien und auf Notizen alternativ zueinander. Das ‚oder‘ sollte deshalb durch ein ‚und‘ ersetzt werden. Darüber hinaus schlagen wir vor, die Nutzung eigener Kopiertechnik (z.B. Kamera, Scanner) ausdrücklich zu gestatten.
Die Notwendigkeit einer deutlichen Ausgestaltung der Rechte der Antragsteller wird durch einen Auszug aus den „Anwendungshinweisen zum Informationsfreiheitsgesetz“ des Bundesministers des Inneren illustriert:
„4. Das IFG gewährt kein Recht auf freien und unbeaufsichtigten Aktenzugang („Blättern in den Akten“). 
§ 1 Abs. 2 Satz 2 sieht vor, dass der Antragsteller die Art des Informationszugangs bestimmt und hiervon nur aus wichtigem Grund abgewichen werden darf. Daraus folgt jedoch nicht, dass die Einsichtnahme in Originalakten bei der Behörde der Regelfall ist. Vielmehr werden regelmäßig Abschriften versandt oder eingesehen werden. Die Beachtung der Ausnahmegründe nach den § § 3 bis 6 wäre bei freier Akteneinsicht nur schwer zu gewährleisten; dies ist ein wichtiger Grund nach § 1 Abs. 2 Satz 2. So sind Schwärzungen personenbezogener Daten nicht in der Originalakte möglich, sondern nur auf Kopien. Regelmäßig wird es nicht möglich sein, Seiten der Originalakte zu entnehmen und vor der Akteneinsicht durch geschwärzte Kopien zu ersetzen, da hiermit die Originalakte verfälscht werden kann.“
Eine Übernahme der Inhalte von § 5(3-5) Oppositionsentwurf in § 7 und § 5(1) Oppositionsentwurf an Stelle von § 1(3) ist wünschenswert.

Zu § 10
Im Gegensatz zu den in Absatz 1 der Begründung gegebenen Erläuterungen sieht § 10(1) für den Fall der Stattgabe eines Antrages auf Grundalge des IFG zwingend die Erhebung einer Gebühr vor. Die Formulierung ist in doppelter Weise misslich. Nicht nur widerspricht sie ihrer Begründung, die entkoppelt eine Gebührenerhebung auch von der Inanspruchnahme eines stattgegebenen Antrages.
Gleichzeitig haben die Autoren des Koalitionsentwurfs darauf verzichtet, § 10(2) des Bundes-IFG, in dem die Höhe der Gebühren durch eine Verpflichtung zur Kompatibilität zum Gesetzeszweck limitiert wird, zu übernehmen.
Wir empfehlen die Übernahme von § 10(2) Bundes-IFG und schlagen folgenden Wortlaut für Absatz 1 Satz 1 vor:
„Wird einem Antrag nach § 7 stattgegeben, können für Amtshandlungen nach diesem Gesetz Gebühren nach Maßgabe einer Gebührenordnung erhoben werden.“

Zu § 11
Mit den hier verankerten Publikationspflichten geht der Koalitionsentwurf über die Vorgaben aus dem Bundes-IFG hinaus. Dies begrüßen wir. Der von Prof. Kubicek geäußerten Kritik an einer unzureichenden Ausgestaltung der Publikationspflichten ist trotzdem zuzustimmen.
Abzulehnen ist die in Absatz 3 vorgesehene Limitierung der Pflicht zur Publikation von Verwaltungsvorschriften auf solche „von allgemeinem Interesse“. Entsprechend findet § 19(1) Oppositionsentwurf unsere Zustimmung. Sinn und Zweck von IFG ist es gerade, den Antragsberechtigten die Entscheidung über das Interesse an einer Information zu überlassen. Der Zugang zu allen Rechtsvorschriften, als Mittel zur regelhaften Strukturierung von Verwaltungshandeln, sollte so einfach und komfortabel wie möglich gestaltet werden.
Das nach Absatz 5 einzurichtende Informationsregister ist der richtige Weg. Die Nutzung dieses Registers sollte gebührenfrei sein. Die Formulierung lässt jedoch einen weiten Spielraum bezüglich der konkreten Ausgestaltung des Registers. Diesbezüglich bitten wir um die Berücksichtigung der § § 19(2), 20, 21 Oppositionsentwurf sowie der Ausführungen von Prof. Kubicek.
Mit § 13 Oppositionsentwurf würden die in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallenden Stellen verpflichtet, organisatorische Vorkehrungen zur Erleichterung der Abtrennung von durch Ausnahmetatbestände geschützten Informationen zu treffen. Dieser Ansatz korrespondiert mit dem von Prof. Kubicek und findet entsprechend unsere Unterstützung.
Gleiches gilt für § 18 Oppositionsentwurf dessen Übernahme in die § § 3, 11 oder 12 wir empfehlen.

Zu § 13 und § 14
Die Geltungsdauer des IFG soll auf sechs Jahre beschränkt werden. Im Oppositionsentwurf ( § 34) wird auf eine entsprechende Befristung verzichtet. Wieso Gesetze, die laut Begründung der Ausgestaltung von Bürgerrechten dienen, auf eine Weise befristet werden sollen, dass sie ohne Eingreifen des Gesetzgebers nach Ablauf der Frist ersatzlos wegfallen, ist unverständlich. Wir bitte um die Streichung von § 14 Satz 2.
Aus der vorgesehenen Befristung ergäbe sich ein Zeitraum von vier Jahren bis zu ersten Unterrichtung der Bremischen Bürgerschaft über die Erfahrungen mit dem Gesetz. Dies ist angesichts der Relevanz des Gesetzeszweckes ein unangemessen langer Zeitraum.
Wir schlagen vor, den Datenschutzbeauftragen im Rahmen seiner bestehenden Berichtspflicht auch über die Erfahrungen mit dem IFG berichten zu lassen. Begrüßenswert wäre darüber hinaus, nach us-amerikanischen Vorbild die Pflichten der vom Anwendungsbereich des Gesetzes betroffenen Stellen bezüglich der zu sammelnden Information zu konkretisieren.

Die Gesetzentwürfe finden Sie auf den Seiten der Bremer Bürgerschaft:
Entwurf von CDU/SPD (Drucksache 16/874)
Entwurf von Bündnis 90/Die Grünen (Drucksache 16/772)

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