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Humanis­ti­sche Union fordert gesetzliche Anerkennung von Patien­ten­ver­fü­gungen

17. Juni 2009

Offener Brief der Bürgerrechtsorganisation an die Abgeordneten: Zeit ist reif für mehr Rechtssicherheit für Kranke und Sterbende

Sven Lüders

Am Donnerstag, dem 18. Juni 2009, entscheidet der Deutsche Bundestag über drei Gesetzentwürfe zur gesetzlichen Anerkennung von Patientenverfügungen. Die Humanistische Union (HU) fordert die Abgeordneten in einem offenen Brief auf, zugunsten einer überfälligen Regelung der existentiellen Probleme kranker und sterbender Menschen auf politisches Lagerdenken zu verzichten. „Eine gesetzliche Anerkennung von Patientenverfügungen darf nicht daran scheitern, dass sich Vertreter der beiden liberalen Gesetzentwürfe nicht auf einen Vorschlag einigen können„, so Rosemarie Will, die Vorsitzende der Bürgerrechtsorganisation. In dem Schreiben heißt es: „Wir appellieren an Sie als verantwortungsbewusste Abgeordnete, mit Ihrer Stimme am 18. Juni den Stillstand der Gesetzgebung zu beenden.“ In der Anwendungspraxis seien die Gesetzentwürfe von Joachim Stünker und Wolfgang Zöller kaum zu unterscheiden, ein Scheitern der Gesetzgebung wäre aus Sicht der Betroffenen besonders fatal.
Rosemarie Will unterstreicht die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung. „Das in den letzten Jahren entstandene Richterrecht zu Patientenverfügungen ist unübersichtlich, unzureichend und in sich widersprüchlich.“ Deshalb komme es immer wieder zu Konflikten und langwierigen Rechtsstreitigkeiten, die weder den Sterbewilligen und ihren Nächsten noch den behandelnden Ärzten und Pflegern zuzumuten seien. Forderungen nach einer gesetzgeberischen Enthaltsamkeit seien deshalb völlig fehl am Platze: „Die Abgeordneten entscheiden bei der Abstimmung nicht über Leben und Tod – das ist allein Sache der Betroffenen. Eine gesetzliche Regelung von Patientenverfügungen kann dazu beitragen, den Raum für individuelle Entscheidungen am Lebensende zu sichern. Keiner der vorliegenden Gesetzentwürfe verpflichtet Patienten dazu, eine Verfügung abzufassen. Die gesetzliche Regelung betrifft von vornherein nur jene, die mit ihrer Patientenverfügung eine eigene Entscheidung getroffen haben und diese auch durchsetzen wollen.
Frau Will widerspricht der Behauptung des Entschließungsantrages der Abgeordneten Hüppe, Lammert u.a., mit den zur Abstimmung stehenden Gesetzentwürfen würde neues Recht geschaffen. „Keiner der im Parlament vorliegenden Entwürfe bringt einen wirklichen Zugewinn für das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen. Die Vorschläge bieten lediglich mehr Rechtssicherheit für die Betroffenen. Jedoch löst keiner der parlamentarischen Vorschläge die Verwirrungen darüber auf, welche Formen der Sterbehilfe strafrechtlich zulässig sind – und welche nicht.“ Für weitergehende Regelungen eines selbstbestimmten Lebensendes verweist Rosemarie Will auf einen Gesetzentwurf der Humanistischen Union. Der sieht u.a. eine Legalisierung der aktiven Sterbehilfe vor. Da weitgehende Selbstbestimmungsrechte derzeit im Parlament nicht durchsetzbar sind, plädiert die Humanistische Union dafür, sich auf den mehrheitsfähigen liberalen Konsens zu einigen – den Entwurf des Abgeordneten Joachim Stünker. „Es wäre ein erster Schritt in die richtige Richtung„, so Rosemarie Will.

Zum Hintergrund:
Die Humanistische Union setzt sich seit über 30 Jahren für mehr Selbstbestimmung am Lebensende ein. Sie bietet seit 1978 Mustervordrucke einer Patientenverfügung an und fordert eine gesetzliche Anerkennung dieser Willenserklärungen.

Offener Brief an die Abgeordneten (PDF)
Alternativ-Gesetzentwurf der Humanistischen Union und Kommentierung (PDF)
Vergleich der parlamentarischen Gesetzentwürfe zu Patientenverfügungen (PDF)
Weitere Informationen zum Gesetzgebungsverfahren finden Sie auf dieser Seite.

Kategorie: Pressemitteilung, Patientenverfügung: Gesetzgebung, Sterbehilfe: Rechtspolitik

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