Themen / Lebensweisen / Pluralismus / Tagungsprotokoll: Wege zu einer neuen Psychiatrie

Juristische Aspekte einer zukünftigen Regelung

28. Dezember 1980

Arbeitsgruppe V

aus: Wege zu einer neuen Psychiatrie, Protokolle einer Tagung. HU-Schriften 9, München 1980, Seite 45 – 46

Stationäre Behandlung

  1. Patientenrechte
  • Zwangseinweisung: abgestufte Entmündigung, zeitliche Begrenzung mit der Möglichkeit der juristischen Überprüfung. Einrichtung von Ombudsmännern bzw. Patientenanwälten, die demokratisch gewählt werden und unabhängig arbeiten.
  • Entmündigung: keine Vormundschaft durch eine Behörde und Blanko-Vollmachten für ärztliche Behandlungen.
  • Einwilligung des Patienten, bzw. seines gesetzlichen Vertreters in jede Behandlungsmaßnahme auf Grund vollständiger Information, d.h. auch Kenntnis von Alternativen und Kenntnis von Nebenwirkungen.
  • Verpflichtung der Kliniken einen Behandlungsplan vorzulegen, der auf Antrag von einem unabhängigen Gremium überprüft wird und evt. mit rechtlichen Schritten angezweifelt werden kann.
  • Zensurfreier Kontakt des Patienten zur Außenwelt.
  • Fachliche Ausbildung aller Berufsgruppen, die an einer Einweisung beteiligt sind (Richter, Polizisten).
  • Aufzeichnungen über Pflegschaften, Entmündigungen und ähnlichen Maßnahmen dürfen nicht zum Nachteil des Betroffenen gehandhabt und müssen nach Aufhebung dieser Maßnahmen vollständig gelöscht werden (Datenschutz).

Wir fordern eine Umverteilung der Mittel im Sinne des Abbaus der stationären Einrichtungen und zum Ausbau einer öffentlich ambulanten Versorgung. Die Finanzierung der Krankenhäuser darf nicht mehr nach dem Bettenschlüssel erfolgen, sondern nach einem Behandlungsplan, der die stationäre und ambulante Behandlung einschließt und pauschal finanziert wird. Ziel ist es, Kapazitäten des Krankenhauses für die ambulante Betreuung freizusetzen.

Ambulatorien und Polikliniken

  1. Ambulante Dienste, die neben kurativen auch präventive Aufgaben übernehmen sollen, müssen multiprofessionell besetzt sein. Die Kosten werden gedeckt durch eine gemeinsame Finanzierung der Kranken- und Rentenversicherung und durch die öffentliche Hand (Mischfinanzierung).

Entsprechende Finanzierungsmodelle müssen vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den verschiedenen Trägern ausgearbeitet werden.

  1. Für alle im psychosozialen Bereich tätigen Berufsgruppen müssen die berufsrechtlichen Voraussetzungen im umfassenden Sinne geregelt werden.
  2. Im Gesundheitsbereich eigenverantwortlich Tätige müssen das Zeugnisverweigerungsrecht haben.
  3. Forderung von psychosozialen Ausschüssen, dezentralisierte, öffentliche Kontrolle und Planung als Gegengewicht zur Ärztekammer.
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