Themen / Rechtspolitik

Kritische Betrachtung der Rot-/Grünen Migra­ti­ons­po­litik

01. März 2001

Bericht über eine Veranstaltung des RV Südbayern-München am 15.11.2000

 
Mitteilung Nr. 173, S. 22-23

Obwohl die Zahl der Asylbewerber mit 80 000 pro Jahr inzwischen auf den Stand von 1980 gesunken ist, folgt die CSU ihrer jahrzehnte langen Tradition und verstärkt z.Zt. ihre Polemik gegen Asylbewerber zu Wahlzwecken. Ebenso lange bemüht sich die HU München mit Werner Dietrich – Rechtsanwalt und HU-Mitglied – seit Anfang der 80er Jahre mit der Vorlage von Fakten, die Migrationsdiskussion zu versachlichen und auf einen humanen Umgang mit Ausländern zu dringen.
Die von der CSU permanent behaupteten 97% Asyl-Betrüger wurden von Werner Dietrich als Märchen entlarvt und überzeugend widerlegt:
Das Bundesamt für die Anerkennung von ausländischen Flüchtlingen BAFl erkennt etwa 3% der Asylbewerber wegen politischer Verfolgung (Art. 16a GG) an. Darüber hinaus erhalten noch 7 bis 9% eine Duldung/Abschiebestopp wegen Gefahr für Leib und Leben (§53 Ausländergesetz, Genfer Flüchtlingskonvention). Drei Viertel der abgelehnten Asylbewerber schlagen den Rechtsweg ein, oft erfolgreich, so daß noch weiteren 25- 35% der Aufenthalt ermöglicht wird.
In Summe erhalten 35 bis 47% der Asylbewerber Schutz in Deutschland, also mehr als das 10-fache der von der CSU wider besseres Wissen behaupteten Menge!!
Diese Zahlen sind veröffentlicht, z.B. vom BAFl (Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge) auf seiner Homepage www.bafl.de. Weshalb bloß tritt die Bundesregierung damit keine Gegenkampagne an, fragt Werner Dietrich. Liegt es an Innenminister Schily, der sein gutes Verhältnis zu dem bayerischen Innenminister Beckstein nicht belasten will?
Für die von der neuen Bundesregierung bisher im Ausländerrecht vorgenommenen Änderungen hat Werner Dietrich mehr Minuspunkte als Pluspunkte zu vergeben:

  • Das von der FDP übernommene Modell der nur vorübergehenden doppelten Staatsbürgerschaft für Kinder und Jugendliche wird von den Betroffenen als Mogelpackung empfunden.
  • Das mit großer Publizität eingeführte Green Card-Programm wäre schon nach bestehendem Recht möglich gewesen. Wie die bisherigen Erfahrungen zeigen, ist das Programm nicht attraktiv. Denn es schließt Leiharbeitsverhältnisse aus und verhindert so eine Absicherung der ausländischen Arbeitnehmern bei Verlust des Arbeitsplatzes.
  • Bei der Altfall-Regelung hat sich die SPD ohne ersichtlichen Grund von der CSU über den Tisch ziehen lassen, mit der Folge, daß allenfalls 800 Flüchtlinge davon Gebrauch machen konnten. Ein nicht zustimmungspflichtiges liberales Bundesgesetz wäre möglich gewesen!

Und nun die Pluspunkte:

  • Asylbewerber dürfen nun schon nach einem Jahr Aufenthalt arbeiten.
  • Beide Partner ausländischer Familien erhielten ein eigenes Aufenthaltsrecht. Es kommt besonders geschiedenen Frauen zugute, die nach altem Recht mit ihren Kindern in ihr Heimatland zurückkehren mußten.

Mit diesen Veränderungen ist es aber noch nicht getan. Handlungsbedarf besteht vor allem – so Werner Dietrich – in den folgenden Bereichen:

  • Die räumliche Aufenthaltsbegrenzung auf eine Stadt oder einen Landkreis muß abgeschafft werden, denn sie ist inhuman und wird notgedrungen oft verletzt. Zahlreiche Strafverfahren sind die Folge – ein wesentlicher Anteil der Ausländer-Kriminalität.
  • Mit unserem Verständnis von der Würde des Menschen ist es nicht vereinbar, daß Asylbewerber nur in zentralen Unterkünften (Containern) untergebracht werden, sich aus Essenspaketen ernähren müssen und nur eine verminderte ärztliche Versorgung erhalten.
  • Die restlichen 35.000 bosnischen Bürgerkriegsflüchtlinge müssen ein Bleiberecht erhalten. Denn die meisten dieser Menschen sind Opfer von Verfolgung und Gewalt geworden und/oder in einer besonders schwierigen sozialen Lage.
  • Deutschland muß die UN-Kinderrechtskonvention ratifizieren, damit auch alleine einreisende Kinder Anspruch auf Anerkennung als Flüchtling erhalten können.
  • Die Flughafen-Regelung ist ersatzlos zu streichen. Die Lebensbedingungen in den Transitbereichen sind kaum erträglich und die nur als „kurzer Prozeß“ bezeichenbare Behandlung von Asylanträgen führt oft zu Ungerechtigkeiten. Auch die geringe Zahl von Flughafen-Anträgen (1997: 2300) rechtfertigt kein Sonderverfahren zumal ¾ dieser Asylbewerber zur Durchführung des regulären Asylverfahrens einreisen durften.

Darüber hinaus muß endlich ein Einwanderungsgesetz vorgelegt und beschlossen werden – auch eine alte Forderung der HU München! Das kürzlich von B90/DIE GRÜNEN vorgelegte Konzept wird von Werner Dietrich gut beurteilt und der Regierung empfohlen. Die Kernpunkte dieses Konzepts sind:
Drei Säulen der Einwanderung:
1.Einwanderung aus wirtschaftlichen Gründen, insbesondere zur Deckung des Arbeitskräftebedarfs,
2.Einwanderung aus politischen oder humanitären Gründen,
3.Einwanderung aufgrund von Rechtsansprüchen, z.B. bei der Asylgewährung, beim Familiennachzug und im Rahmen der EU-Freizügigkeit

Förderung der Integration

Für die ersten beiden Säulen soll ein nicht zu politiknahes Gremium durchaus feindifferenzierte Quoten je nach Situation und ohne starre Obergrenze festlegen. Werner Dietrich schlägt eine Zuwanderung von 300.000 bis 350.000 Menschen für den Anfang vor.

Die dritte Säule bleibt von der Quotierung ausgenommen. Das Grundrecht auf politisches Asyl steht nicht zur Disposition. Im Gegenteil: es besteht Nachbesserungsbedarf: auch nichtstaatliche und geschlechtsspezifische Verfolgung müssen als Asylgrund anerkannt werden.

Zur Förderung der Integration gehört u.a., daß alle Minderheiten sich wirksam gegen jede Diskriminierung wehren können. Dafür brauchen wir ein bundesweites Anti-Diskriminierungs-Gesetz.

Werner Dietrich schließt die ausführliche Diskussion mit einem Appell und einer Prognose:
Der Appell richtet sich an die Zaghaften: “Einwanderung ist immer ein Geschäft für die aufnehmende Gesellschaft“.
Die Prognose für das Einwanderungsrecht: Schröder will die Opposition nicht provozieren und folglich deren Forderungen – allerdings ohne Grundrecht-Änderung – übernehmen.
Die HU München schließt sich mit einem Appell an alle Mitglieder an, dazu beizutragen, daß es nicht zu einer solchen Minimal-Lösung kommen wird.
                                                                                 Wolfgang Killinger

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