Themen / Rechtspolitik

Noch einmal Entna­zi­fi­zie­rung? Zum Problem von Anpassung und Widerstand im Dritten Reich

30. Oktober 1978

Aus: vorgänge Nr. 35 (Heft 5/1978), S. 11-14

1.

Der Fall Filbinger hat – wie viele Fälle vorher – eine höchst irrationale Diskussion entzündet. Dabei geht vieles durcheinander: die Persönlichkeit Filbingers, sein Verhalten gegen Kriegsende und in der Gefangenschaft, sein Verhalten heute, die Frage, wie weit ein Marinerichter im Zwang war, wie weit er sich davon befreien konnte, sein Gedächtnis, der Begriff Widerstand – ein Knäuel von Komplexen, deren jedes nicht einfach aufzulösen ist. Die eigentliche Ursache, warum dieser Streit – wie auch die früheren aus gleichem Anlaß – so erbittert geführt wird und warum er so viele Einzelfragen betrifft, ist die Tatsache, daß dem Dritten Reich von deutscher Seite kein Ende bereitet wurde, und auch nicht bereitet werden konnte. Unter anderem beruht das darauf, daß moderne totalitäre Systeme durch Monopolisierung aller Gewaltmittel und aller Indoktrinations und Informationsmöglichkeiten ihre Überwindung von innen fast ausschließen. Das ist allerdings besonders dann der Fall, wenn wie in Deutschland erhebliche Teile der Bevölkerung mit dem System sympathisieren und freiwillig einen Teil der Überwachungs- und Unterdrückungsfunktionen übernehmen – woher auch das bekannte Wort kommt: „Die Mitläufer sind die schlimmsten.”

Das Ende des Dritten Reichs kam von außen, und gerade die Zähigkeit der deutschen Verteidigung, die soviele Kraftanstrengungen der Sieger erfordert hatte, führte dazu, daß dem überwundenen deutschen Volk eben nicht die Freiheit gegeben wurde, mit dem geschlagenen System abzurechnen. (Das behielten sich die Sieger alleine vor, mit höchst nachteiligen Konsequenzen!). Die weitere Folge war, daß auch eine höchst notwendige Auseinandersetzung und Reinigung nicht von innen, sondern von außen, von den Siegermächten kam. Die Kriegsverbrecherprozesse und die Entnazifizierung waren Teile der Siegerpolitik. Infolgedessen wurden diese (übrigens auch die Wiedergutmachungsgesetzgebung) von vielen Deutschen entsprechend abgewertet. In jedem Fall war die Entnazifizierungspraxis – durch die Besatzungsbehörden eingeführt – kein Mittel der Selbstheilung, keine grundsätzliche Abrechnung mit den Helfern, Förderern, Instrumenten des Nazistaats. Auch hat man niemals versucht, die zahllosen nach dem auch damals geltenden Strafgesetzbuch geschehenen Verbrechen zu sühnen: Körperverletzung aller Grade in zahllosen Fällen, Amtsmißbrauch, Betrug, Erpressung, Nötigung in zahlreichen Formen und unzähligen Fällen – alles dies ist, von wenigen Ausnahmen abgesehen, untergegangen.

2.

Eine wissenschaftliche Untersuchung der Tätigkeit von Entnazifizierungsstellen fehlt noch. Sicher ist aber, daß sie in sehr vielen Fällen nur ganz wenig von dem wußten, was die zu Entnazifizierenden wirklich getan hatten. Was man wußte, waren größtenteils nur Zufälligkeiten, das, was man von bloßen Gerüchten zu irgendwelchen Zeugenaussagen hatte verdichten können. Bei Beamten und Richtern lagen oft nur Personalakten vor, und wenn es darin hieß, daß der Betreffende die Gewähr gäbe, jederzeit sich für den nationalsozialistischen Staat einzusetzen, bedeutete das nicht mehr, als daß man dem Kollegen nicht die Karriere verderben wollte. Über die dienstliche Tätigkeit gab es kaum Kenntnisse. Auch sorgte der zu Entnazifizierende begreiflicherweise dafür, in einem guten Licht dazustehen. Es war die große Zeit der „Persilscheine”, die — übrigens auch von Emigranten — nur allzu leichtsinnig gegeben wurden. Ein Beispiel dafür, warum die Entnazifizierung ein Schlag ins Wasser war, entnehme ich meiner Arbeit über die Rechtsprechung in „Rassenschande“-Sachen beim Landgericht Hamburg — obwohl ich nichts darüber sagen kann, inwieweit es typisch für die Tätigkeit der Entnazifizierungsstellen ist.

Von den Richtern und Staatsanwälten, die wesentlich an diesem Rechtssprechungskomplex in Hamburg beteiligt waren, gab es nach Kriegsende in Hamburg noch 17 Personen. Von ihnen wurden zwei Staatsanwälte und vier Richter nicht wieder eingestellt. Der eine Staatsanwalt war der Dezernatsleiter gewesen. Von den vier Richtern wurden zwei vorzeitig in den Ruhestand versetzt. Die beiden anderen hatten sich auch am Sondergericht betätigt. Beide wurden zur Anwaltschaft zugelassen. Die übrigen elf Juristen sind nach und nach sämtlich wieder eingestellt worden, obwohl sie alle an Urteilen mitgewirkt hatten, bei denen jede Beachtung der Rechtsgleichheit zwischen angeklagten Juden und Nichtjuden schmählich fehlte. Vier wurden bereits 1945 und 46 wieder Richter, vier in den beiden folgenden Jahren und drei Anfang bis Mitte der fünfziger Jahre.

Der Beratende Ausschuß wußte von ihrer Tätigkeit in diesen Prozessen offenbar garnichts. Er meinte bei einem Richter, „er sei innerlich gegen den Nationalsozialismus gewesen”, untersuchte jedoch nicht, was dieser zB als Richter im Generalgouvernement Polen getan hatte. Von einem ehemaligen Staatsanwalt, über den es in der Personalakte abweichend von der üblichen Floskel hieß, „er ist ein sehr rühriger Nationalsozialist”, nahm der Ausschuß Justiz bereits 1946 an, daß „er sich bald als wertvoller Mitarbeiter im demokratischen Staat” erweisen werde. Das hätte der Ausschuß wohl kaum annehmen können, wenn er gewußt hätte, daß der Betreffende für ein dreimonatiges Sexualverhältnis zwischen dem angeklagten Juden und einer Nichtjüdin acht Jahre Zuchthaus beantragt hatte.

In dem Beschluß über einen anderen ebenfalls wieder eingestellten Staatsanwalt heißt es: „Sein Eintritt in die NSDAP, Überführung in die SA-Reserve, Eintritt in die Reiter-SS erfolgte als Referendar, also unter dem auf ihn als Jungjuristen ausgeübten Druck, können ihn also nicht entscheidend belasten; sein Eintritt in die Reiter-SS um so weniger, als er dieser Gliederung als Ausübender des Reitsports beigetreten ist. — Die Einberufung des Antragstellers zur Waffen-SS erfolgte gegen seinen Willen. Er hat alles in seiner Kraft Stehende getan, um dieser Einberufung zu entgehen, indem er versuchte, seine sofortige Einberufung zur Wehrmacht zu erreichen… Über die Tätigkeit des Antragstellers als Militärrichter ist nur Günstiges bekannt geworden. Nach allem ist festzustellen, daß der Antragsteller kein aktiver Nationalsozialist gewesen ist. Er ist auch kein Militarist oder Feind der Vereinten Nationen.” Der Betreffende ist bei der Waffen-SS Sturmbannführer geworden. Als Staatsanwalt hat er für Juden abnorm hohe Strafanträge gestellt, zB in einem Fall, in dem die Beweislage ganz ungeklärt war, sieben Jahre Zuchthaus. Gegen einen seit jeher völkisch eingestellten Mann, der der SS angehörte, plädierte er jedoch trotz erwiesener fortgesetzter „Rassenschande” auf sechs Monate Gefängnis.

Von einem ehemaligen Richter hatte der damalige Oberlandesgerichts-Präsident gesagt, daß er am Sondergericht „mit praktischem Blick und politischem Verständnis die Dinge zu meistern versteht und daß er die genügende Härte und Anpassungsfähigkeit besitzt.” Nach dem Krieg wurde er entlassen und im Jahr 1947 in die Kategorie 3 eingestuft. Im Jahr 1950 kam er bei Überprüfung in die Kategorie 4 und im Jahr 1952 war bei einem weiteren von ihm betriebenen Verfahren aus ihm ein harmloser Mitläufer der Kategorie 5 geworden. Etwas später wurde er wieder Richter.

Es ist leider zu vermuten, daß die Verhältnisse anderswo in der Bundesrepublik nicht viel anders gewesen waren. Jedenfalls war die unkritische Haltung der Spruchstellen, ihre juristisch begründete Einstellung, jeden Zweifel dem Antragsteller zugutekommen zu lassen, charakteristisch für das Verhältnis sehr vieler Menschen zur damals jüngsten Vergangenheit. Schweigen über Belastendes, Verharmlosung des Bekannten war die Regel.

3

Die Folge von alledem war und ist, daß die niemals richtig vollzogene Abrechnung sich bruchstückweise fortsetzt. Durch Zufälle beim Aktenstudium und durch anderes kommt immer mehr davon zutage, was Einzelne im Dritten Reich getan und wie sie sich damals verhalten haben. Das ist meistens für die Öffentlichkeit nicht interessant, gewinnt jedoch sofort an Bedeutung, wenn man es über einen mehr oder minder bedeutenden politischen Gegner verbreiten kann. Das kann man, wenn man leicht paranoisch ist, „politisch anrüchigen Grabenkrieg” nennen, aber die Behauptung, eine zweite Entnazifizierung stünde bevor, geht völlig fehl. Niemand will sie, und das mit Recht! Eine zweite Entnazifizierung hätte nur dann einen Sinn, wenn sie wirklich eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit wäre, die persönliche Konsequenzen für die Betroffenen hätte. Das aber setzt klare Definitionen davon voraus, was denn eigentlich ein Nazi, ein Nichtnazi, ein Mitläufer oder ein Antinazi ist, und was denn wirklich unter Widerstand im Dritten Reich zu verstehen ist. Eine weitere Voraussetzung wäre, daß es tatsächlich gelingen könnte, jedem bei dieser Prozedur wirklich gerecht zu werden.

Alle diese Voraussetzungen fehlen. Gerade an der Frage: Was war eigentlich Widerstand? – läßt sich das deutlich zeigen.

Hier herrscht viel Verwirrung, weil Widerstand keineswegs identisch mit politisch oppositioneller Aktivität und schon garnicht mit politischer Tätigkeit von feststellbarer Wirkung ist. Der englische Historiker A. J. P. Taylor hat völlig unrecht, wenn er behauptet, es habe keinen Widerstand im Dritten Reich gegeben, denn niemals sei dort ein SS-Mann ermordet worden. Und genau so unrecht hat Filbinger mit der Behauptung, die wahren Widerstandskämpfer seien tot. Das stilisiert den Begriff Widerstand ins Heroische und verengt ihn in völlig unzulässiger Weise.

Zunächst gab es im Dritten Reich einen gewissen Spielraum für legalen Widerstand. Man mußte zB keine Adolf-Hitler-Spende zahlen, obwohl es von jedem Betrieb gefordert wurde. Wenn man sie nicht zahlte, kamen nur schriftliche Mahnungen. Sonst passierte nichts. Nur: Man konnte das nicht wissen, und mußte ein gewisses Risiko eingehen. Man mußte als Richter nicht dem NS-Rechtswahrerbund beitreten, sondern konnte sagen, daß man dadurch seine richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigt sehe. Nach dem Arbeitsordnungsgesetz von 1934 hatten Betriebsführer sehr große Kompetenzen, die sie nur geschickt – und mit einem gewissen Mut – anzuwenden brauchten, um Widerstand gegen politische Eingriffe, zB der Arbeitsfront, zu leisten. Das sind Beispiele, von denen ich weiß, daß sie – wenn auch selten – praktiziert wurden. Natürlich war der Spielraum zeitlich und örtlich sehr verschieden. In einer Kleinstadt ging vieles nicht, was in einer Großstadt möglich war, und vieles, was in den ersten Jahren in dieser Beziehung getan werden konnte, hätte man in den Kriegsjahren nicht wagen können.

Zum legalen Widerstand gehörte es, zB keine Hakenkreuzfahne zu haben, obwohl der Druck in dieser Beziehung für manchen schließlich unwiderstehlich wurde. Aber diesem Druck eine gewisse Zeit standzuhalten, war Widerstand im täglichen Leben und war politisch. Dasselbe galt für die Bereitschaft, sich dem Judenboykott – wirtschaftlich und gesellschaftlich – anzuschließen oder zu versagen. Widerstand war es auch, in der Familie Werte aufrechtzuerhalten, die im Widerspruch zu Parolen und Praxis des Dritten Reichs standen. Ebenso war es Widerstand, wenn man seine guten Freunde in ihrer inneren Gegnerschaft gegen die Naziherrschaft bestärkte.

Hier begann die illegale Tätigkeit, ohne daß sie damit bereits organisatorische Formen anzunehmen brauchte. Man konnte Nachrichten sammeln und weitergeben und politische Analysen verbreiten, die die Hohlheit, Brüchigkeit und Schlechtigkeit der Nazipolitik aufzeigten. Man konnte Verzweifelte aufrichten, ihren Willen stärken, sich auf eine bessere Zukunft einzustellen, und dafür sorgen, daß sie nicht in der Isolierung zwischen der gleichgeschalteten Masse versanken. Man konnte Menschen gleicher Meinung in kleinen Kreisen zusammenfassen und für aktiveren Widerstand schulen, wobei stets nur wenige einander kannten. Das war eine Tätigkeit, die lange bevor die Offiziere sahen, daß die Katastrophe auf Deutschland zukam, von Sozialdemokraten und Liberalen, von Kommunisten und Demokraten sowie von kirchlichen Kreisen betrieben wurde. Natürlich war dies gefährlich, aber das Kriterium für Widerstand war, daß man bereit war, irgendein Risiko aufsichzunehmen.

Dabei lag es im Interesse aller Widerstandsgrüppchen und -zirkel, wie auch größerer politischer Organisationen, die Risiken so gut zu begrenzen, wie es möglich war. Ein toter Demokrat war kein nützlicher Demokrat. So erklärt sich, daß es heute sehr leicht ist, von diesem oder jenem (oder auch von sich selber) zu behaupten, Widerstand geleistet zu haben, jedoch sehr schwer, dies einer skeptischen Nachwelt zu beweisen, der die Lebensumstände einer totalen Tyrannei fremd sind. Tarnung nämlich war notwendig, wenn man Widerstandsgruppen aufbauen und erhalten wollte. Fiel jemand auf, machte er deutlich, daß er ein Antinazi war, dann konnte er für die anderen Gruppenmitglieder zu einer Gefahr werden. So konnte es auch dazu kommen, daß Widerständler im Interesse der Tarnung in eine NS-Organisation eintraten. Insoweit stimmt Filbingers Bemerkung, daß es doch Widerstandsmänner in Uniform gegeben habe. Nur: Das Uniform-Tragen war durchaus nicht etwa bereits ein Indiz dafür, daß man einen Widerstandskämpfer vor sich hatte!

4.

Heute, nachdem im Mittel vierzig Jahre vergangen sind, auszuloten, was Tarnung und was Überzeugung war, wo die Grenze zwischen Gleichgültigkeit und Opportunismus verlief, auf welchem der zahlreichen Stadien des Mitläufertums der Einzelne sich zu einem bestimmten Zeitpunkt befand, ist völlig ausgeschlossen. Das lag am System selber.

Die Methode der nationalsozialistischen Herrschaftstechnik, überall, in der Wirtschaft, der Verwaltung, der Presse, der Schule und Kultur, vor allem aber auch in der Partei und ihren zahlreichen Sonderorganisationen Über- und Unterordnungsverhältnisse herzustellen, sorgte sowohl für Druck und drohende Gefahren, wie für Anreize zur Mitwirkung und Anpassung. Tatsächlich wurden so Millionen von Deutschen, ob sie nun 1933 „alte Kämpfer” gewesen waren oder nicht, in das Unrechtssystem hineingezogen. Sie partizipierten an seinen materiellen und emotionellen Chancen ebenso wie an seiner Willkür, Brutalität und Charakter-Erniedrigung. So gut wie jeder — von Juden und abgestempelten Staatsfeinden abgesehen — nahm teil an einem System, das jedem die Möglichkeit gab, andere „unter sich” zu haben, aber auch allen härteste Konsequenzen androhte, die sich der Eingliederung versagten.

Am Ende des Kriegs hatten daher Millionen ein schlechtes Gewissen, weil sie sehr wohl von dem Moment an, in dem die NS-Ideologie keine Rechtfertigung mehr geben konnte, wußten, daß manches, vieles oder alles, was sie getan hatten, nicht zu rechtfertigen war. Das Ergebnis war ein massives Entschuldigungsstreben. Das Recht auf den politischen Irrtum mußte herhalten, um zu entschuldigen, was man im Vertrauen auf den „Führer” getan und unterlassen hatte, was man hätte nicht tun und lassen dürfen. Als Rechtfertigung wurde der Befehlsnotstand bemüht. Es kam die Berufung auf die Gefahr wirtschaftlicher Bedrängnis. Jeder hatte gute Gründe zur Anpassung, zB eine Frau und drei Kinder. Es kam die Angst vor der Gestapo und dem KZ, aber vor allem vor dem unmittelbaren Vorgesetzten und dem Denunziantentum. Und es kam natürlich auch die Sorge um die Karriere, die Beförderung oder Nichtbeförderung, die Angst, einen gewählten Beruf nicht aufnehmen zu dürfen. Und so erlebte man 1945, daß es kaum richtige Nazis gegeben hatte. Alle waren irgendwie verfolgt und bedrückt, und „innerlich gegen den Nationalsozialismus” gewesen.

5.

Alles dies wirkt dazu zusammen, daß eine zweite Entnazifizierung, die sowohl dem Sühnegedanken wie dem Prinzip individueller Gerechtigkeit entsprechen soll, scheitern muß. Der größte Teil aller Verfahren muß mit einem „wir wissen nicht” enden, und das heißt, mit einem Zweifel, der dem Betroffenen zugutekommen würde und müßte. Damit wäre aber dem Prinzip der Sühne, einer Endabrechnung nicht gedient.

Dies ist unbefriedigend, aber realistisch. Unbefriedigend vor allem auch, weil die bruchstückhafte Aufarbeitung politischer Vergangenheit weitergehen wird — vermutlich so lange, bis der Neonazismus in unserem Staat zu einer wichtigeren Angelegenheit geworden sein wird als der vergangene. Man kann da auch nicht eine Art Generalamnestie einführen wollen, denn es bleibt nun einmal richtig, trotz verschiedener Gegenbeispiele, daß Handlanger, Diener, Förderer des Dritten Reiches genau so ungeeignet für die Bekleidung politischer Ämter von Bedeutung in der Bundesrepublik sind wie überzeugte Natinalsozialisten. Dies ist als Prinzip unbestritten, denn sonst wäre die Glaubwürdigkeit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht gewährleistet. Nur im Einzelfall, da trifft es hart. Das gilt natürlich für alle Parteien. Für das Ganze wäre es besser, wenn man solche Fälle schneller und radikaler erledigen würde, statt zu versuchen, in jedem Einzelfall die strahlende Ausnahme von der anerkannten Regel zu sehen. Man sollte sich vor allem darüber klar sein, daß es nicht möglich ist, böse und nicht zu rechtfertigende Handlungen im Dritten Reich durch Einzelfälle anderen Verhaltens oder durch anständiges Verhalten während der letzten Jahre auszugleichen. Bei solchen Ausgleichsrechnungen kommt man in unlösbare Probleme: wieviel Menschenleben muß man mit eigenem Risiko gerettet haben, um ein ungerechtfertigtes Todesurteil auszugleichen?

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