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Rassismus in Gesell­schaft und Staat bekämpfen: Demokratie und Menschen­rechte stärken!

15. Januar 2001

Berliner Plattform gegen Rassismus in Staat und Gesellschaft gegründet

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Januar 2001

In der Bundesrepublik Deutschland nehmen die Kräfte zu, die Nationalismus, Rassismus und Faschismus auf ihre Fahnen schreiben.

Verdeckte und offene Feindseligkeiten gegen Flüchtlinge und Migranten, gegen Minderheiten, sozial Schwache und Andersdenkende sind alltäglich. Viele Menschen fühlen sich aufgrund ihrer Hautfarbe, ihres Glaubens, ihrer nationalen oder ethnischen Herkunft, ihrer Behinderung und selbst wegen ihres Alters ausgegrenzt und bedroht. Die Opfer gewalttätiger Übergriffe werden vom Staat oftmals nicht nur allein gelassen, sondern zusätzlich diskriminiert.

Der Wettstreit um die globalen Märkte verschärft die Konkurrenz und soziale Spaltung auch im Inneren. Gemeinnützige Aufgaben werden vom Staat abgewälzt, öffentliche Dienstleis-tungen privatisiert und soziale Sicherungen destabilisiert. Eine Politik, die sich den Leitlinien der Wirtschaft unterwirft und im Interesse der Attraktivität des Standorts Deutschland für Investoren zwischen „nützlichen“ und „belastenden“ Menschen unterscheidet, hat den Sozialdarwinismus zum Prinzip erhoben. Sie stiftet zum Faustrecht auf der Straße an und ist nicht zuletzt der Grund für die fehlende Solidarität mit den Opfern.

„Toleranzbündnisse“, wie sie von staatlicher Seite propagiert werden, mögen das Ansehen des Standorts Deutschland im Ausland verbessern. Die Opfer rechtsextremer Gewalt haben sie bisher nicht zu schützen vermocht. Staatliche Aufrufe zu „mehr Toleranz“ weichen der Forderung nach gleichen Rechten aus. Sie bedienen zudem die Vorstellung, die Flüchtlinge und Migranten als Eindringlinge und Empfänger von Almosen wahrnimmt und nicht als Rechtsubjekte. Auf Toleranz ist nur angewiesen, wem Rechte verweigert werden.

Um den Rassismus im Land zu bekämpfen, gilt es zu allererst die diskriminierenden Gesetze abzuschaffen und die menschenfeindliche Abschiebepraxis zu beenden. Der Rechtsanspruch von Flüchtlingen auf besonderen Schutz muss anerkannt und die Gleichstellung aller hier Lebenden verwirklicht werden. Stattdessen werden von staatlicher Seite Maßnahmenkataloge gegen die rechte Gewalt aufgelegt, die das Verbot von Organisationen und Vereinigungen, die Einschränkung des Versammlungsrechts oder die Verschärfung des Strafrechts vorsehen und insgesamt auf mehr Staatautorität und weniger demokratische Freiheiten setzen.

Staatliche Repression und Abbau von Bürgerrechten sind nicht geeignet, Gefahren von Rechts abzuwehren. Antidemokratische Maßnahmen verändern die Gestalt der Demokratie im Ganzen. Sie geben staatlichen Instanzen die Instrumente in die Hand, den Rahmen des politisch Vertretbaren zu ziehen. Mit eben solchen Instrumenten werden bereits heute radi-kaldemokratische, antifaschistische und antirassistische Organisationen und Initiativen in ihrem Engagement behindert und wegen ihrer gesellschaftskritischen Positionen diffamiert. Ihre Einschüchterung durch hoheitliche Verrufserklärungen in Berichten von Bundes- und Landesbehörden des Verfassungsschutzes sowie die gezielte Kriminalisierung ihrer politischen Aktivitäten schädigen die Demokratie. Sie schwächen die ohnehin geringen Kräfte, die sich aktiv gegen Rechtsextremismus einsetzen und Solidarität mit den Opfern gewalttätiger Übergriffe üben.

Die Unterzeichnenden erklären:

Die individuelle Freiheit und das demokratische Zusammenleben setzen die Achtung der universellen Grund- und Menschenrechte jedes und jeder einzelnen, ungeachtet der Herkunft und sozialen Stellung, voraus.

Die Abwehr neonazistischer Kräfte ist eine Aufgabe der Politik, der Gesellschaft und von uns allen. Erforderlich sind Aufklärung, Zivilcourage und eine breite politische Gegenbewegung. Anders kann die neonazistische Alltagskultur nicht zurückgedrängt werden. Die Bekämpfung rechter Gewalt lässt sich nicht an Strafgerichte und Polizei delegieren. Vielmehr obliegt es den politisch Verantwortlichen, menschenverachtende Gesetze und Institutionen durch sol-che zu ersetzen, die Flüchtlingen Asyl, Immigranten einen legalen Status und allen sozial Schwachen Schutz und Fürsorge garantieren.

Demokratie kann durch Abbau von Rechten nicht geschützt werden. Im Gegenteil! Demokratie verwirklicht sich in der ständigen Verteidigung und Erweiterung der Grund- und Menschenrechte, in der gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen Reichtum und in der Solidarität mit Schwachen und in Not Geratenen.

Wir rufen Organisationen und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens auf, im Interesse einer breiten politischen Bewegung gegen Neonazismus und Rassismus der Plattform „Demokratie und Menschenrechte“ beizutreten.

InitiatorInnen:

  • Antifaschistische Aktion Berlin
  • Bund der Antifaschisten (Dachverband)
  • Humanistische Union
  • Internationale Liga für Menschenrechte
  • JungdemokratInnen / Junge Linke
  • Komitee für Grundrechte und Demokratie
  • Verband ehemaliger Teilnehmer am antifaschistischen Widerstand, Verfolgter des Nazi-Regimes und Hinterbliebener/Bund der Antifaschisten
  • Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten und Antifaschistinnen
  • Zeitschrift Ossietzky

Weitere UnterstützerInnen (Stand: 25.05.2001):

  • IG Medien
  • freier zusammenschluss von studentInnenschaften (fzs)
  • BundesschülerInnenvertretung (BSV)
  • Flüchtlingsrat Brandenburg
  • Flüchtlingsrat Berlin
  • Flüchtlingsrat Thüringen
  • Flüchtlingsrat Niedersachsen
  • Hessischer Flüchtlingsrat
  • Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV)
  • Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (BdWi)
  • Stiftung Haus der Demokratie und Menschenrechte
  • Antirassistisch-Interkulturelles Informationszentrum Berlin e.V. (ARiC)
  • Bürgerrechte & Polizei / CILIP
  • Anti-Rassistische Initiative
  • Iskra e.V.
  • Bündnis linker und radikaldemokratischer Hochschulgruppen (LiRa)
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