Themen / Rechtspolitik

Reform des Staats­an­ge­hö­rig­keits­rechts

01. Juni 1999

Leserbrief zur Pressemitteilung des HU-LV Bayern zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts:

Mitteilung Nr. 166, S. 50

Zur Pressemitteilung des HU-Landesverbandes Bayern zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom 22. Jan. 1999, Mitteilungen, Nr. 165 vom März 1999, Seite 7, schreibt Steve Schreiber aus Göttingen:

Die Presseerklärung des HU-Landesverbandes Bayern geht meiner Meinung nach viel zu unkritisch mit dem ursprünglichen Entwurf der rot-grünen Koalition zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts um. Die Erklärung wirkt daher auf mich ähnlich befremdlich wie die Äußerungen anderer Organisationen, die sich für die Rechte von ausländischen Menschen einsetzen, von denen ich ebenfalls mehr Mut zu Kritik erwartet hätte.
Die deutsche Staatsbürgerschaft kann nach dem Reformentwurf nur derjenige erlangen, der keine Sozialhilfe bezieht. Hierin liegt eine eklatante Diskriminierung und Entrechtung von Sozialhilfeempfängern. Ein ausländischer Mensch, der – wie es fast immer der Fall ist – unverschuldet keinen Arbeitsplatz findet und dadurch ohnehin in eine schwierige gesellschaftliche Situation gerät, wird nun noch zusätzlich dadurch bestraft, dass er nicht die deutsche Staatsbürgerschaft erlangen kann. Ziel des neuen Staatsangehörigkeitsrechtes sollte die Integration sein, an diesem Ziel muss sich der Gesetzentwurf messen lassen. Soll der Ausschluss von Sozialhilfeempfängern nun bedeuten, dass diese nicht integriert werden dürfen?!
Auch demjenigen, der eine „erhebliche strafrechtliche Belastung“ (so wörtlich die Presseerklärung des Landesverbandes der HU Bayern) aufweist, soll die deutsche Staatsangehörigkeit vorbehalten werden. Das aber ist nach dem Gesetzentwurf gar nicht der Fall, selbst Geldstrafen ab einer gewissen Menge an Tagessätzen verhindern den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit, es genügt also schon eine geringere strafrechtliche Belastung. Auch Jugendliche, gegen die auf Jugendstrafe erkannt wurde, sind ebenfalls erfasst. Staatliche Reaktion auf die Straftat ist die Strafe gewesen, mit ihrer Verbüßung sollte die Täterin / der Täter eigentlich als rehabilitiert gelten. Bei einem späteren Antrag auf Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft, wird dem ausländischen Menschen seine inzwischen längst verbüsste Straftat erneut vorgehalten. Damit droht der Betroffene in eine Aussenseiterposition gedrängt zu werden, aus der heraus er erneut straffällig wird, dabei wäre gerade in solchen Fällen die Einbürgerung womöglich ein entscheidender Schritt zur Integration und damit zu verminderter Straffälligkeit. Auch gegen die Voraussetzung der Verfassungstreue sind erhebliche Vorbehalte zu machen. Gerade eine Bürgerrechtsorganisation wie die Humanistische Union sollte wissen, wie willkürlich der Verfassungsschutz vielfach agiert. Indem er nunmehr auch noch beim Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft eine Rolle spielen soll, werden seine Kompetenzen noch mehr ausgeweitet – eine bedenkliche Tendenz.
Was lernen wir nun aus diesem Gesetzentwurf? Ein ordentlicher Deutscher hat nicht vorbestraft zu sein und darf keine Sozialhilfe kassieren! Damit aber verfehlt der Entwurf das angebliche Ziel „Integration“ vollkommen. Gerade Vorbestrafte und Sozialhilfeempfänger – Personengruppen, die häufig am meisten eine Integration nötig haben – sollen bei der Einbürgerung außen vor bleiben. Diese Gruppen werden damit noch mehr ins Abseits gedrängt. Daß die Bundesregierung es mit dem Schlagwort der Integration in Wirklichkeit gar nicht ernst meint, zeigt sich ja auch daran, wie schnell sie die doppelte Staatsbürgerschaft aufgegeben und sich auf noch faulere Kompromisse als diesen ersten Entwurf eingelassen hat.

Steve Schreiber

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