Themen / Rechtspolitik

Reinen Tisch zur Jahrtau­send­wende

28. Oktober 1999

Humanistische Union spricht sich für Amnestiegesetz aus

Für eine Amnestie zur Jahrtausendwende spricht sich die Humanistische Union aus. Die Bürgerrechtsorganisation fordert den Deutschen Bundestag auf, ein entsprechendes Gesetz zu erlassen. Unter dem Titel „Amnestie 2000“ haben die Grünen einen Entwurf für ein Amnestiegesetz vorgelegt. Sie schlagen vor, für kürzere Freiheits- und Reststrafen eine Amnestie zum 1. Januar 2000 zu erlassen, sofern von den Verurteilten keine Bedrohung mehr für Individuen oder die Gesellschaft ausgeht. Der Straferlaß soll danach nur für bis zum 01.09.1999 rechtskräftig verhängte und nicht verbüßte Freiheitsstrafen gelten.

In einer Amnestie sieht die HU eine Möglichkeit, die drangvolle Enge vieler Haftanstalten auf angemessene Weise zu beseitigen und den Insassen zu menschenwürdigen Lebensbedingungen zu verhelfen. Außerdem könnte der Straferlaß vielen Strafgefangenen einen Neuanfang ermöglichen.

Entscheiden über die Amnestierung müßte die Strafvollstreckungsbehörde, die solche Personen von einer Strafbefreiung ausnehmen sollte, die in Zukunft eine Bedrohung für die Gesellschaft oder ihre Mitmenschen darstellen könnten.

Amnestien sind ein durchaus verbreitetes Element demokratischer Traditionen. In demokratischen Rechtsstaaten Westeuropas sind sie guter Brauch und werden zu besonderen Anlässen wie Jubiläen und Gedenktagen gewährt.

In Italien gab es seit dem Krieg mehrere Dutzend Amnestien.In Frankreich werden zu Beginn der Amtszeit jedes neuen Staatspräsidenten sogenannte Jubelamnestien oder zum Gedenken an die französische Revolution und den Sturm auf die Bastille regelmäßig allgemeine Amnestien verkündet. In Österreich wird seit 1955 alle zehn Jahre zum Tag der neuen Souveränität des Landes eine allgemeine Amnestie gewährt.

Nur in der Bundesrepublik Deutschland sind Amnestien in Vergessenheit geraten. Das letzte Gesetz für eine allgemeine Amnestie trat im Juli 1954, also vor 45 Jahren, in Kraft.

Nach Auffassung der HU ist Amnestie kein Zeichen von Schwäche. Ganz im Gegenteil käme mit einer großmütigen Gewährung von Straffreiheit zum Ausdruck, daß die staatliche Ordnung und die Demokratie in Deutschland inzwischen so gefestigt sind, daß Staat und Gesellschaft aus besonderem Anlaß auf die Strafvollstreckung verzichten können.

Eine breite gesellschaftliche Debatte über das Amnestiegesetz könnte nach Einschätzung der HU zudem die Diskussion über Probleme des Strafvollzugs und neue Formen gesellschaftlicher Sanktionierung von Vergehen wie den Täter-Opfer-Ausgleich fördern. Schließlich – so die Bürgerrechtsorganisation abschließend – verlöre die Abschreckung durch Strafandrohung bei einem einmaligen Straferlaß nichts von ihrer präventiven Wirkung.

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