Themen / Rechtspolitik

Schaffung eines Jugend­s­traf­voll­zugs­ge­setzes

13. Dezember 2005

Brief der Humanistischen Union e.V. an Bundeskanzlerin Angela Merkel und Rechtspolitiker der BT-Fraktionen von CDU/CSU und SPD zum (Jugend-)Strafvollzug

Sehr geehrte Damen und Herren,

nachdem nun die Legislaturperiode begonnen und die Regierung ihre Arbeit aufgenommen hat, liegen vor Ihnen wichtige rechtspolitische Entscheidungen. Für das Jugendstrafrecht sind die gesetzlichen Weichenstellungen, die den Jugendstrafvollzug betreffen, von besonderer Bedeutung. Vor diesem Hintergrund wenden wir uns mit den folgenden drei Forderungen an Sie.

1. Die Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug und den Vollzug der Untersuchungshaft muss beim Bund bleiben. Auf europäischer Ebene werden immer weitere Mindeststandards für Rechtsstaatlichkeit, insbesondere auch für den Strafvollzug erarbeitet und Staaten, die der EU beitreten wollen, werden auf diese verwiesen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht nachvollziehbar, dass in Deutschland das bewährte Strafvollzugsgesetz zerschlagen und die Kleinstaaterei eingeführt wird. Gleiches gilt für die Untersuchungshaft. Wir sehen uns in diesem Zusammenhang in völliger Übereinstimmung mit den Unterzeichnern des Appells vom 28. Oktober 2005 (Deutscher Richterbund et al.). Wir verweisen zudem auf den Protest, den in der vergangenen Legislaturperiode zahlreiche Strafrechtswissenschaftler und Vollzugspraktiker gegen die Pläne der Föderalismuskommission zum Ausdruck gebracht haben. Wir fordern daher eindringlich, von einer Verlagerung der Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug und die Untersuchungshaft auf die Länderebene Abstand zu nehmen.

2. Der Jugendstrafvollzug muss endlich auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden. Seit nunmehr rund 30 Jahren wird die Jugendstrafe in Deutschland gesetzlos vollzogen. Dies ist nach fast einhelliger Meinung in Wissenschaft und Praxis nicht nur ein ungesetzlicher, sondern auch ein verfassungswidriger Zustand. Durch die Verabschiedung einer gesetzlichen Grundlage für den Jugendstrafvollzug würde eine Übereinstimmung zu wichtigen völkerrechtlichen Konventionen hergestellt (z.B. Art. 9 Abs. 1 Internationaler Pakt über bürgerliche und private Rechte, Art. 5 Abs. 1 EMRK, Art. 37 UN-Kinderrechtskonvention). Die neue Bundesregierung, der 16. Deutsche Bundestag, aber auch die Bundesländer, stehen daher in der Verantwortung, nun endlich ein Jugendstrafvollzugsgesetz zu erarbeiten und zu beschließen.

3. Der in der vergangenen Legislaturperiode vorgelegte Referentenentwurf zum Jugendstrafvollzugsgesetz aus dem Bundesjustizministerium ist eine gute Grundlage, um erneut in das Gesetzgebungsverfahren einzutreten.

Mit freundlichen Grüßen

Jochen Goerdeler
Bundesvorstand
Humanistische Union e.V.

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