Themen / Innere Sicherheit

Stellung­nahme zum Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Zollfahn­dungs­dienst­ge­setzes

25. November 2005

(BT-Drs. 16/88 vom 25.11.2005)

Sehr geehrte Damen und Herren,

zu dem Gesetzentwurf nehmen wir wie folgt Stellung:

Der besonders eilbedürftige Gesetzentwurf betrifft die Ermächtigung des Zollkriminalamtes zur präventiven Überwachung der Telekommunikation und der Post zur Verhütung bestimmter Straftaten nach dem Kriegswaffenkontroll- und Außenwirtschaftsgesetz. Mit dem vorliegenden Entwurf wird ausschließlich die Befristung der in den § § 23 a-f Zollfahndungsdienstgesetz geregelten Ermächtigung vom 31. 12. 2005 – um zwei Jahre – auf den 31. 12. 2007 verlängert. Eine inhaltliche Korrektur des Gesetzes findet nicht statt.

Aus Sicht der Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union ist diese Korrektur zwingend erforderlich. Bei der ebenfalls im Eilverfahren verabschiedeten Neuregelung im Dezember 2004 versicherten die Fraktionen von SPD, CDU/CSU und Bündnis 90/DIE GRÜNEN, dass die Überwachungsbefugnis in der verabschiedeten Form nur ein Provisorium sei und höchstens bis zum 31. 12. 2005 gelten dürfe. Man wolle die Zeit nutzen, um die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts aus dem Urteil zum „Großen Lauschangriff“ umzusetzen. Diese Zeit haben Bundesregierung und Parlament untätig verstreichen lassen. Mit der geplanten Fristverlängerung würde der Bundestag nicht nur wortbrüchig werden, sondern auch eine verfassungswidrige Befugnis verlängern.

Kernbereichsschutz nicht geregelt

Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem Beschluss vom 3. 3. 2004 (1 BvF 3/92) die damalige Regelung der Überwachung in den § § 39, 40 Außenwirtschaftsgesetz für verfassungswidrig erklärt. Bemängelt wurden insbesondere die fehlende Normenklarheit und –bestimmtheit. Bei einer Neuregelung trug das Gericht dem Gesetzgeber ausdrücklich auf, „außerdem die Grundsätze zu beachten (…), die der Senat in seinen Urteilen vom 14. Juli 1999 (BVerfGE 100, 313) und vom 3. März 2004 (1 BvR 2378/98 und 1 BvR 1084/99) niedergelegt hat“ (Abs. 179). Das heißt, der Gesetzgeber musste zum einen die Maßstäbe zum Schutz des Fernmeldegeheimnisses aus Art. 10 Grundgesetz berücksichtigen, zum anderen die Grundsätze zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung aus der Entscheidung zum Großen Lauschangriff.

In der bislang geltenden, bis 31. 12. 2005 befristeten Regelung fehlen Vorkehrungen zum Schutz des unantastbaren Kernbereichs privater Lebensgestaltung völlig. Schon die aktuell geltende Befugnis missachtet daher die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Auch bei Eingriffen in das Fernmeldegeheimnis durch Telefonüberwachungen darf der Kernbereich privater Lebensgestaltung nicht angetastet werden. Daran ist der Gesetzgeber auch dann gebunden, wenn es ihm um die vorbeugende Bekämpfung bestimmter Straftaten geht. In der Entscheidung zur vorbeugenden Telefonüberwachung im Niedersächsischen Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung vom 27. 7. 2005 (1 BvR 668/04) hat das Bundesverfassungsgerichts diesen Umstand noch einmal betont:

„Die nach Art. 1 Abs. 1 GG stets garantierte Unantastbarkeit der Menschenwürde fordert auch im Gewährleistungsbereich des Art. 10 Abs. 1 GG Vorkehrungen zum Schutz individueller Entfaltung im Kernbereich privater Lebensgestaltung. Bestehen im konkreten Fall tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme, dass eine Telekommunikationsüberwachung Inhalte erfasst, die zu diesem Kernbereich zählen, ist sie nicht zu rechtfertigen und muss unterbleiben.“ (Abs. 163)

Wir appellieren an Sie, sich für eine verfassungskonforme Lösung einzusetzen. Dazu gehört vor allem, konkrete Vorkehrungen zum Schutz der Intimsphäre in Form von Erhebungsverboten zu schaffen. Die Humanistische Union hat dazu Vorschläge bei der Novellierung des Gesetzes zur akustischen Wohnraumüberwachung gemacht. In einer Stellungnahme vom 17. 11. 2004 zum damaligen NTPG-Entwurf unterbreitete die Humanistische Union zudem weitere Vorschläge für eine Neufassung. Die Humanistische Union ist gerne bereit, diese im Rahmen einer Sachverständigenanhörung erneut einzubringen. Dazu sind von der Bundesregierung die Ergebnisse der im vergangenen Herbst angekündigten Evaluation der präventiven Telekommunikations- und Postüberwachung durch das Zollkriminalamt (ZKA) vorzulegen.

Gerade wenn Sie der Auffassung sind, dass die Telekommunikationsüberwachung durch das ZKA von überragender Bedeutung für die Prävention besonders schwerer Straftaten nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz oder der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen sei, müssen Sie für rechtsstaatlich einwandfreie Befugnisse sorgen, die vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben können.

Wir bitten Sie, unsere Bedenken bei Ihren Beratungen zu berücksichtigen. Stimmen Sie nicht sehenden Auges einem verfassungswidrigen Gesetz zu!

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Fredrik Roggan

stellv. Bundesvorsitzender

Humanistische Union e.V.

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