Strafprozessuale Konsequenzen der Entscheidung vom 27. Februar 2008
Hans-Heiner Kühne
Annexkompetenzen für heimliche Installation der Software? Tendenzen der zunehmenden Überwachung elektronischer Kommunikation.
Dokumentation des Vortrags vom 28.4.2008
Die Entscheidung zur Online-Durchsuchung durch den nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz betraf eine präventive Überwachung von Computern und sei insofern nicht ohne Weiteres für den Bereich der Strafverfolgung anzuwenden, betonte Hans-Heiner Kühne eingangs in seinem Vortrag. Allerdings könne man der Entscheidung Hinweise entnehmen, in welchem Rahmen und unter welchen Voraussetzungen Computersysteme repressiv überwacht werden dürfen.
Sie können hier den Vortrag von Prof. Dr. Hans-Heiner Kühne vollständig nachhören:
Nach der Entscheidung sei klar, dass das neue Computer-Grundrecht bereits heute bei der Beschlagnahme von Rechnern ( § 97 StPO) gelte, und auch die durch eine Legende verdeckte Beteiligung staatlicher Sicherheitsbehörden an offenen Kommunikationen (in Chats, Mailinglisten etc.) bedürfe nun einer stärkeren grundrechtlichen Absicherung.
Bei der Frage, wie Online-Durchsuchungen praktisch ausgeführt werden können, ließ das Gericht nach Kühnes Einschätzung jedoch eine bedenkliche Lücke offen. Im Vorfeld der Entscheidung auf die schwierige Umsetzung einer Online-Durchsuchung angesprochen, betonten Vertreter der Sicherheitsbehörden immer wieder, derartige Maßnahmen würden natürlich zusammen mit flankierenden Überwachungsmaßnahmen (etwa Verdeckten Ermittlern) eingesetzt. Offenbar baut man beim BKA darauf, den „Bundestrojaner“ notfalls auch mit deren Hilfe in den Zielrechner einzubringen, wenn dem BKA selbst der heimliche Zutritt in die Wohnung der Verdächtigen gesetzlich verwehrt bleibt. Es wäre deshalb an der Zeit gewesen – so Kühne – dass sich das Verfassungsgericht einmal deutlich zu dieser heimlich, still und leise in Anspruch genommenen Annexkompetenz geäußert hätte. Die dahinter stehende Auffassung, dass wer ein Recht habe, auch alle gegebenen Mittel dafür einsetzen könne, verstoße in eklatanter Weise gegen das Rechtsstaatsgebot.
Kritisch setzte sich Kühne schließlich mit der unwidersprochenen Behauptung auseinander, die elektronische Kommunikation erschwere die Arbeit der Strafverfolger und Verfassungsschutzbehörden. Es dränge sich zunehmend der Verdacht auf, dass der Übergang zu neuen Kommunikationsformen als Vorwand genutzt werde, weiterreichende Überwachungsmöglichkeiten zu erschaffen. „Der Umstand, dass Kommunikation elektronisch geführt wird, ist für sich allein noch kein Argument für Gefährlichkeit oder Kontrollbedürftigkeit! Hier wäre es hilfreich gewesen, wenn das Bundesverfassungsgericht näher ausgeführt hätte, worin denn die besondere Gefährlichkeit der globalen elektronischen Kommunikation zu sehen ist.“
Bericht: Sven Lüders
Das hier wiedergegebene Referat war ein Beitrag auf der Fachtagung „Online-Durchsuchungen. Konsequenzen des Karlsruher Richterspruchs“, die die Humanistische Union gemeinsam mit der Friedrich-Naumann-Stiftung am 28. April 2008 in Berlin veranstaltete. Die weiteren Referate der Fachtagung finden Sie hier dokumentiert.
Kategorie: Veranstaltungsberichte: Audio