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Thesen für die Arbeits­gruppe "Verfas­sungs­schutz­praxis" des Kongresses "Innere Freiheit in der Demokratie"

21. Februar 1976

Charlotte Maack

(Stuttgart, 21.2.1976)

  • 1.Die Verfassungsschutzbehörden verfügen über vielfältige Eingriffsmöglichkeiten in den durch das Grundgesetz geschützten Freiheitsbereich des Staatsbürgers. Da sich die Tätigkeit dieser Institution im geheimen abspielt, ist die Gefahr eines Mißbrauchs besonders groß. Es ist daher geboten, die Verfassungsbehörden des Bundes und der Länder durch spezielle Ausschüsse parlamentarisch zu kontrollieren.
  • 2.Bei der Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörden ist zu gewährleisten, daß alle Mitarbeiter der Verfassungsschutzämter und alle im Auftrag des Verfassungsschutzes Tätigen den durch Rechtsvorschriften gesetzten Rahmen wahren und nicht außerhalb der Legalität oder gar als Agent provocateur eingesetzt wer-den.
  • 3.Die Unantastbarkeit der Wohnung und der Intimbereich der Privatsphäre muß auch gegen die Anwendung sogenannter nachrichtendienstlicher Mittel (ins-besondere gegen den Gebrauch von Wanzen, Richtmikrophonen oder Geräten, die von außerhalb Gespräche in einer Wohnung aufnehmen) geschützt bleiben. Ausnahmen darf es lediglich im Rahmen der Spionageabwehr geben.
  • 4.Die aus Art. 35 Abs. 1 Grundgesetz folgende Pflicht zur Rechts- und Amtshilfe darf nicht so ausgeweitet werden, daß jeder Angehörige des Öffentlichen Dienstes verpflichtet ist, der Verfassungsschutzbehörde Tatsachen und Unterlagen über Bestrebungen und Tätigkeiten, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richten, unaufgefordert zu übermitteln. Eine solche Verpflichtung macht den Verfassungsschutz zu einer Superbehörde. Im Rahmen der Amtshilfe zwischen den Gerichten und Verfassungsschutzämtern ist sicherzustellen, daß Informationen des Verfassungsschutzes nicht ausserhalb der Hauptverhandlung an Gerichte gegeben werden.
  • 5.Die Verfassungsschutzbehörden dürfen bei der Einstellung in den Öffentlichen Dienst (soweit es sich nicht um Bedienstete handelt, die besonderen Anforderungen hinsichtlich der Geheimhaltung unterliegen) nur mitwirken, sofern das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, daß in die staatsbürgerlichen Rechte der Personengruppe, der der Betroffene angehört, eingegriffen werden kann.
  • 6.Sofern die Verfassungsschutzbehörde bei einer Einstellung in den Öffentlichen Dienst mitwirken, ist zu gewährleisten,
  • a) daß die Verfassungsschutzbehörden nur „gerichtsverwertbare“ Tatsachen vorbringen; daß die Verfassungsschutzbehörden (soweit es sich nicht um Bedienstete handelt, die besonderen Anforderungen hinsichtlich der Geheimhaltung unterliegen) gehalten sind, bestimmte Verjährungsfristen zu respektieren und ein Recht auf politischen Irrtum anzuerkennen, wenn Anhaltspunkte dafür gegeben sind,
  • b) daß die Verfassungsschutzbehörden nach dem Gebot der Verhältnismäßigkeit verfahren und bestimmte Tatsachen (beispielsweise aus der Studentenzeit) nicht vorlegen dürfen,
  • c) daß die Verfassungsschutzbehörden wie Staatsanwälte gehalten sind, wenn belastende Umstände ermittelt werden, auch die möglicher-weise entlastenden Faktoren zu berücksichtigen und vorzulegen,
  • d) daß das Vorbringen des Verfassungsschutzes (soweit es sich nicht um Bedienstete handelt, die besonderen Anforderungen hinsichtlich der Geheimhaltung unterliegen) dem Betroffenen im vollen Umfang vorgelegt wird.
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