Themen / Rechtspolitik

Weiter keine Renten­ver­si­che­rung für Gefangene

19. September 2014

aus: vorgänge Nr. 205 (Heft 1/2014), S. 51/52

Der Petitionsausschuss beschloss am 19. März 2014, dass sich der Deutsche Bundestag nicht weiter mit der vor drei Jahren gestartete Petition zur Rentenversicherung für Gefangene befassen solle. Die vom Grundrechtekomitee initiierte Aktion war von insgesamt 14 Menschenrechts- und Strafvollzugsorganisationen – darunter auch der Humanistischen Union – im April 2011 gestartet worden. Ihr Anliegen war es, die von Gefangenen erzielten Arbeitsentgelte in die Rentenversicherung einzubeziehen: „Der Deutsche Bundestag möge beschließen: Gefangene, die im Strafvollzug einer Arbeit oder Ausbildung nachgehen, werden in die Rentenversicherung einbezogen.“ (Petition 3-17-11-8213) Die Petition wurde von etwa 6.300 Personen unterstützt, über die Hälfte davon waren lt. Angaben des Grundrechtekomitees Inhaftierte.

Die ohnehin niedrigen Arbeitslöhne für Gefangene – sie belaufen sich auf neun Prozent der Beitragsbemessungsgrenze (das entspricht derzeit max. 350 €) – werden durch die fehlenden Beiträge bzw. Anrechnungen bei der Rentenversicherung weiter entwertet. Betroffenen Langstrafern droht nach ihrer Entlassung die nächste Strafe: Altersarmut. Dabei schreiben das Strafvollzugsgesetz (§ 3 Abs. 1) ebenso wie die Empfehlungen des Europarates zum Strafvollzug (Abs. 26.17) vor, das Leben (und die Arbeit) in den Haftanstalten solle den Bedingungen in Freiheit weitgehend angeglichen werden.

Diese Angleichung ist nicht nur wünschenswert, sondern eigentlich schon lange gesetzlich vorgesehen, betont Martin Singe vom Kölner Grundrechtekomitee. „Der Gesetzgeber hatte mit dem Erlass des neuen Strafvollzugsgesetzes [von 1976] einen Rechtsanspruch der Gefangenen auf Einschluss in die Sozialversicherungen dem Grunde nach gesetzlich anerkannt und sich insoweit selbst gebunden.“ Die §§ 190 bis 193 des Strafvollzugsgesetzes von 1976 sahen bereits vor, die Gefangenenarbeit in die Rentenversicherungspflicht einzubeziehen. Zu ihrer Umsetzung wäre jedoch eine Anpassung des Bundesrentenrechts nötig gewesen, zu der es nie kam – weil die Bundesländer wegen der zu erwartenden Mehrausgaben das Vorhaben seinerzeit im Bundesrat blockierten. Seither bekräftigt die Bundesregierung zwar immer wieder einmal ihre grundsätzliche Bereitschaft zur Umsetzung der Rentenversicherungspflicht für Gefangenenarbeit – lässt aber jegliche ernsthaften Initiativen in dieser Richtung vermissen. Die mittlerweile um 37 Jahre „aufgeschobene Inkraftsetzung“ dieser Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes ist für Martin Singe deshalb purer Zynismus.

Der Petitionsausschuss zeigte sich für das Anliegen grundsätzlich aufgeschlossen: er sehe „in der Einbeziehung von Strafgefangenen in die Sozialversicherung durchaus ein geeignetes Mittel für die Wiedereingliederung in die Gesellschaft.“ (Protokoll 18/7, S. 18) Die Bundesregierung versuchte in ihrer Stellungnahme dagegen, den Rechtsanspruch auf eine rentenversicherungspflichtige Arbeit für Gefangene von vornherein abzuwehren: „Die Arbeitsleistung von Strafgefangenen stellt dagegen keine versicherungspflichtige Beschäftigung dar. Sie wird außerhalb des allgemeinen Arbeitsmarktes aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Gewahrsamsverhältnisses erbracht. Strafgefangene sind auch in der Regel zur Arbeit verpflichtet, so dass ein für eine Versicherungspflicht erforderlicher freiwilliger Arbeitsvertrag nicht angenommen werden kann.“ (ebd., S. 17) Zugleich wurde auf die frühere Blockadehaltung der Bundesländer verwiesen, die die Kosten einer Neuregelung zu tragen hätten.

Der Petitionsausschuss überwies die Petition abschließend „zur weiteren politischen Willensbildung“ an das zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales sowie an die Landesregierungen. Ein weitergehender Antrag der Fraktion Die Linke, die Petition den Bundestagsfraktionen zuzuleiten sowie der Bundesregierung „zur Berücksichtigung“ zu übermitteln, wurde hingegen abgelehnt.

Martin Singe: Rentenversicherung für Gefangene, in: Ossietzky 15/2014, abrufbar unter http://www.sopos.org/aufsaetze/53ba64b29bca6/1.phtml

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