Themen / Informationsfreiheit

Zu enges Netz für Wahl zur "Netzre­gie­rung"

17. August 2000

Stellungnahme der Humanistischen Union zu ICANN-Elections 2000

„Demokratisiert das Internet, demokratisiert ICANN!“ Auf diese Kurzformel bringt HU-Pressesprecher Franz-Josef Hanke die Bemühungen der Bürgerrechtler um mehr Transparenz bei Entscheidungen über das Internet. Die Humanistische Union sieht in den derzeit ablaufenden Wahlen zu einer internationalen „Netzregierung“ – der „Internet Corporation for Assigned Names and Numbers“ (ICANN) – zwar einen erfreulichen Schritt hin zu mehr Demokratie im Internet, kritisiert zugleich aber Ablauf und Rahmenbedingungen dieser Wahl.

Im Juli hatte ICANN die Internetnutzer in aller Welt dazu aufgerufen, sich an der Wahl zu seinem neuen Direktorium zu beteiligen. Wählen dürfen aber nur registrierte User, die formell „Laien-Mitglieder“ der Organisation werden mußten. Die Rechtsform von ICANN als Non-Profit-Organisation erlaubt nur Mitgliedern eine Teilnahme an Wahlen zu Leitungsgremien.

Neben den ICANN-Board-Mitgliedern, die von wichtigen Internet- Verwaltungsbehörden und Industrie-Organisationen gestellt werden, können Internetnutzer aus aller Welt eine sogenannte „At Large Membership“ erwerben. Diese Basismitglieder bestimmen im Rahmen der Wahl zum neuen Direktorium nun die Hälfte aller ICANN-Direktoren, die dann die Interessen der „normalen Nutzer“ vertreten sollen.

Von den bisherigen – nicht demokratisch gewählten – ICANN-Gremien wurden insgesamt 18 Kandidaten für die fünf zu besetzenden Posten – je ein Direktor pro Erdteil – vorgeschlagen. Hinzu können auch Kandidaturen aus der breiten Mitgliedschaft kommen. In Deutschland bemüht sich die Initiative „I can! election 2000“ um die Nominierung von Kandidaten aus der Userschaft. Diesen insgesamt 28 Bewerbungen aus dem deutschsprachigen Raum hat ICANN aber erhebliche Hürden entgegengesetzt: Um überhaupt auf der Wahlliste zu erscheinen, benötigt jeder Interessierte die Unterstützungserklärungen von 2 % der „At Large Member“ seiner Region.

Wie bei der Beitrittsprozedur auch, hat ICANN die Fristen für dieses Verfahren sehr eng begrenzt. Bis Ende Juli mußten Interessierte eine Mitgliedschaft angemeldet haben; diese Mitgliedschaft mußte bis zum 8. September „aktiviert“ werden; vom 1. bis 14. August konnten Kandidatenvorschläge eingereicht werden; und vom 15. bis 31. August müssen die Bewerber nun die geforderten Unterstützungserklärungen zusammenbekommen.

Eine Liste der Kandidaten wird von ICANN nur ohne Angabe der Region bereitgestellt, für die diese Bewerber zur Wahl stehen. Zudem sind ein Großteil der Informationen sowie alle Formulare nur in englischer Sprache verfügbar.

Da der Internet-Rechner des ICANN wegen des starken Interesses an einer Mitgliedschaft ab Mitte Juli weitgehend überlastet und damit kaum erreichbar war, konnten sich bei weitem nicht alle Interessierten um eine Mitgliedschaft bewerben. Dennoch hat ICANN weder das Aufnahmeverfahren verlängert noch die Wahl verschoben.

Die Organisation wurde von der amerikanischen Regierung mit der Verwaltung des Internet betraut. Eine Bedingung war dabei die Demokratisierung der Entscheidung dieses Gremiums, das künftig die technischen und organisatorischen Standards des weltweiten Datennetzes festlegen soll. Hierzu zählen auch Regelungen zur Datensicherheit und zum Datenschutz, ebenso wie die Vergabe von Internet-Adressen. Die nun anstehende Wahl sollte diese Entscheidung von bisher ausschließlich aus Organisationen und der Wirtschaft delegierten Vertretern einer demokratischen Kontrolle öffnen.

„Die eng gesetzten Termine und die hohen Hürden für eine Basiskandidatur lassen den Eindruck aufkommen, daß die ICANN-Größen lieber unter sich bleiben möchten“, befürchtet Hanke. Das Wahlverfahren könnte lediglich eine demokratische Legitimierung für den Anspruch abgeben, weitreichende Entscheidungen über das Internet zu treffen.

„Das www ist längst zu einer der wichtigsten Institutionen unseres Alltags geworden“, erklärt der HU-Pressesprecher dazu. „Wesentliche Entscheidungen über seine Fortentwicklung müssen einer demokratischen Kontrolle unterliegen.“ In der Wahl zum ICANN-Direktorium sieht die Humanistische Union einen ersten Schritt hin zu einer Demokratisierung des Internet. Diese müsse aber noch wesentlich weiter greifen. Deshalb fordert die HU alle User auf, beim ICANN gegen die Einengung ihrer Mitwirkungsmöglichkeiten zu protestieren. Gleichzeitig sollten alle, die eine At-Large-Mitgliedschaft beim ICANN erworben konnten, nun Basiskandidaten unterstützen und so die Demokratisierungsbestrebungen von unten her stärken.

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