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Leserbrief: Plebisziten auf Bundesebene

Mitteilungen16501/1999Seite 18

Mitteilungen Nr. 165, S. 18

Zu dem Beitrag des Pressesprechers von „Mehr Demokratie e.V.“ in den Mitteilungen , Nr. 164, Seite 118 macht HU-Mitglied Rechtsanwalt Volker Blum, Welzlar, folgende Anmerkung:

Die Initiative der neuen Bundesregierung zur Einführung plebiszitärer Elemente auf Bundesebene ist grundsätzlich zu begrüßen. Die Mitteilung von Oliver Hinz versäumt es aber, die herrschende Meinung zu problematisieren, daß zur Einführung von Plebisziten auf Bundesebene eine Verfassungsänderung notwendig sei. Art. 20 II GG stellt ausdrücklich klar, daß die Staatsgewalt vom Volk durch Wahlen und Abstimmungen ausgeübt wird. Es ist zwar richtig, daß bundesweite Volksabstimmungen, abgesehen von Neugliederungen innerhalb des Bundesgebietes nach Art. 29 GG, nicht ausdrücklich geregelt sind, dies ist für die Wahlen zum Bundestag in Art. 38, 39 und 41 GG aber auch nur in Ansätzen der Fall. Die eigentliche Regelung des Procedere ist folglich dem BWahlG und der BWahlO, also ordentlichen Bundesgesetzen, vorbehalten.
Nach zutreffender Ansicht bedarf es folglich auch nur eines einfachen Bundesgesetzes, welches das nähere Vorgehen bei Plebisziten auf Bundesebene regelt, um dem Verfassungspostulat des Art. 20 II GG nachzukommen. Im Übrigen folgt das Argument, Möglichkeiten zum Volksentscheid auf Bundesebene seien derzeit verfassungsrechtlich nicht zulässig, weil es an einer näheren Regelung im GG fehle, dem Grundsatz, „Was nicht ausdrücklich erlaubt ist, ist verboten“, einer Maxime, die kaum im Einklang mit dem Prinzip des demokratischen Rechtsstaates stehen dürfte. Gleiches gilt für das Argument, bundesweite plebiszitäre Elemente seien verfassungsrechtlich nicht zulässig, weil sie ausdrücklich nur für territoriale Neugliederungen vorgesehen seien, zumal diese behauptete Exklusivität auch dem Wortlaut des geltenden Verfassungsrechts nicht zu entnehmen ist.
Festzuhalten bleibt, daß die Einführung von Möglichkeiten zur Gesetzgebung aus der Mitte der Bevölkerung bereits als Forderung in der Verfassung enthalten ist. Sie ist also auch nicht nur eine Möglichkeit für den Gesetzgeber, mehr Demokratie zu gewähren, sondern ein Postulat, das er endlich zu erfüllen gehalten ist.

Volker Blum

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