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Memorandum in Sachen Menschen- und Bürger­rechte

Mitteilungen16501/1999Seite 17

Leserbrief

Mitteilungen Nr. 165, S. 17

Das in der letzten Ausgabe der Mitteilungen, Nr. 164 vom Dezember 1998, abgedruckte Memorandum in Sachen Menschen- und Bürgerrechte diverser Bürgerrechtsorganisationen spart leider einen wichtigen Aspekt aus, nämlich die Problematik der allgemeinen Wehrpflicht und anderer mit ihr verbundener Zwangsdienste. Es ist nämlich nicht einzusehen, warum es nach dem Ende des Kalten Krieges, der als Argument für die Wiederbewaffnung und der damit verbundenen Wehrpflicht herhalten mußte, einem erheblichen Teil der männlichen Bevölkerung nach wie vor zugemutet wird, sich für Monate ihres Lebens gegen freie Kost und Logis zuzüglich etwas Taschengeld dem Staat als so etwas wie Frondienstpflichtige zur Verfügung zu stellen.
Wie auch Bundespräsident Herzog betont hat, ist die Wehrpflicht ein derartig massiver Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen, daß sie nur aus sicherheitspolitischen Gründen befürwortet werden kann, und nicht etwa, weil die Bundeswehr oder andere Teile der Gesellschaft es mit dem gegebenen Zustand etwas bequemer haben. Art. 12 a GG, also die Verfassungsnorm, welche Wehr- und damit verbundene Zwangsdienste ermöglicht, stellt eine Ausnahmeregelung zu Art. 12 II GG dar, wonach grundsätzlich niemand zu einer bestimmten Tätigkeit gezwungen werden darf. Die Ausnahmeregelung des Art. 12 a GG ist nicht als Freibrief für den Gesetzgeber zu verstehen, den Bürgern nach Belieben entsprechende Dienste aufzuerlegen, sondern aus der Systematik der Verfassungsnormen ergibt sich, daß dem Prinzip der Freiheit von Zwangsdiensten grundsätzlich der Vorrang gebührt.
Die Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht wäre darüberhinaus ein erster Schritt zu einer umfassenden Abrüstung und der damit verbundenden Freisetzung materieller Werte, die an anderen Stellen wesentlich dringender benötigt werden.

Volker Blum

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