Der Sozialstaat muss verteidigt werden
HU engagiert sich für soziale Grundrechte – Antrag zum HU-Verbandstag am 11. und 12. September in Lübeck.
Mitteilungen Nr. 186 (Heft 3/2004), S. 5
Die „Soziale Marktwirtschaft“ war das Erfolgsrezept der Bundesrepublik nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Doch 60 Jahre danach sollen die Lehren aus dem Faschismus nach dem Willen einiger Politiker endgültig auf den Müllhaufen der Geschichte wandern. Mitmenschlichkeit und soziale Verantwortung betrachten viele von ihnen als „Relikt der Vergangenheit“.
„Die Bundesrepublik ist ein sozialer Rechtsstaat“, heißt es in Artikel 20 des Grundgesetzes. Die aktuelle Politik der rot-grünen Bundesregierung wie auch die von CDU/CSU und FDP macht diese Festlegung jedoch zur Makulatur.
- Die im Sozialgesetzbuch II festgeschriebene Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum „Arbeitslosengeld II“ drängt Millionen Menschen in die Armut ab.
- Die „Gesundheitsreform“ belastet vor allem Behinderte, Rentner und chronisch Kranke.
- Die Steuerpolitik belegt Renten und Pensionen mit Abgaben, während der Spitzensteuersatz abgesenkt werden soll. Große Unternehmen entrichten häufig überhaupt keine Steuern.
- Bund und Länder sparen an den Ausgaben für soziale Dienste. So sind vielfach gerade die sozial Schwachen doppelt und dreifach von Kürzungen und Leistungseinschnitten betroffen.
Über diese sozialpolitische Entwicklung ist die Humanistische Union tief beunruhigt. Zum Einen führt diese Politik zur Spaltung der Gesellschaft in Besitzende und Arme. Wer wenig hat, der verfügt damit auch über geringere Möglichkeiten zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und an demokratischen Entscheidungen. Zum Anderen verstärkt die drohende Verarmung von Millionen Menschen die Gefahr steigender Kriminalität wie auch zu deren Beantwortung mit rigiden Maßnahmen zur Überwachung der Bürgerinnen und Bürger. Dabei formulierte schon Franz Eduard von Liszt 1882 in seinem „Marburger Manifest“: „Die beste Kriminalpolitik ist eine gute Sozialpolitik.“
Die Humanistische Union fordert alle verantwortungsbewussten Menschen auf, für den Erhalt des Sozialstaates einzutreten. Gerade in Zeiten wirtschaftlicher Knappheit ist es unerlässlich, zusammenzurücken und die vorhandenen Ressourcen gerecht zu teilen. Soziale Haltungen erweisen sich immer in der Krise.
Selbstverständlich befürwortet auch die HU eine Modernisierung der Sozialsysteme und Maßnahmen, die einen möglichen Missbrauch verhindern oder zumindest erschweren. Eine solche Reform muss aber immer von der Maxime getragen sein, dass in der reichen Bundesrepublik niemand in existentielle Not getrieben werden darf.
Gerade das aber geschieht nach Auffassung der HU zur Zeit mit dem „Arbeitslosengeld II“ und der so genannten „Gesundheitsreform“.
Einen Missbrauch der Sozialsysteme macht die HU in der gegenwärtigen Politik eindeutig bei Vertreterinnen und Vertretern der Wirtschaft aus, die ihre Profite auf Kosten der sozial Schwachen mit Einsparungen an den Sozialausgaben erhöhen wollen. Folge dieser Politik wäre eine Entlassung der Unternehmen aus ihrer sozialen Verantwortung.
Deswegen wird die Humanistische Union für eine gerechte, menschenwürdige und existenzsichernde Sozialpolitik eintreten. Die Bundesregierung fordert sie auf, die Regelungen des Sozialgesetzbuchs II zur Hartz-IV-„Reform“ zurückzunehmen und sozial Schwache – wie vor dem 1. Januar 2004 – von Zuzahlungen bei Krankheit und von der Praxisgebühr zu befreien.
Soziale Bürgerrechte sind notwendige Grundlage jedes Staatswesens. Wer sie aushebelt, legt damit die Axt an eine notwendige Grundbedingung der Demokratie an. Die Humanistische Union wird für die unteilbaren sozialen Grundrechte aller Menschen eintreten.
Der HU-Bundesverband wird sich mit den theoretischen Hintergründen des neoliberalen Gesellschaftsmodells auseinandersetzen. Dazu veranstaltet die HU ein Seminar oder eine Tagung.
Marburg am 18. August 2004
Einstimmig beschlossen vom Arbeitskreis „Erwerbslosigkeit und Soziale Bürgerrechte“ (ESBR) des HU-Ortsverbands