Publikationen / Mitteilungen / Mitteilungen Nr. 252

Berichte aus den Regionen

Nordrhein-West­fa­len: Bericht von der Mitglie­der­ver­samm­lung

Am 6. April 2024 fand in Dortmund eine Mitgliederversammlung der HU NRW statt, an der sechs Mitglieder teilnahmen. Dort wurde über die bescheidenen Aktivitäten der letzten Jahre berichtet, zum Beispiel die Mitarbeit am Ingeborg-Drewitz-Preis für Gefangenenliteratur und eine Serie von Mitglieder-Newslettern, die leider nicht zur Aktivierung weiterer Personen beitrugen; außerdem wurde das Bündnis gegen das Versammlungsgesetz NRW unterstützt.

Eine längere Debatte galt – ausgehend von einem Kurzbericht Werner Bergmanns – der allgemeinen Lage der HU und ihren Zukunftsaussichten und trug einige Ideen zusammen, zum Beispiel Online-Vorträge oder -Streitgespräche, eine Verlebendigung des verdienstvollen neuen HU-Podcasts, stärkeres Herausarbeiten von Themen mit Alleinstellungs-Kompetenz (wie die Staatsleistungen an Kirchen).

Die Grundsatz-Entscheidung, den Landes-verband NRW mit begrenzten Ambitionen weiterzuführen, fiel nicht schwer. Die klassischen Rechtsthemen wie Polizei und Strafvollzug könnten stärker beachtet werden, der Drewitz-Preis soll weiter unterstützt werden; auch in die neueren lokalen Demokratie-Antifa-Initiativen sollten sich die HU-Mitglieder hier und da einbringen. Kommunale Partizipation könnte ein neues für uns wichtiges Thema werden. Die alte Idee, lokale Veranstaltungen zum Grundrechte-Report durchzuführen, soll wieder aufgegriffen werden.

Für den neuen Vorstand stellten sich Ulrich Gehl, Frank Herrmann, Norbert Reichling und Ursula Tjaden zur Verfügung und wurden für zwei Jahre gewählt.

Kontakt: nrw@humanistische-Union.de.

Norbert Reichling

Marburg: Marburger Leuchtfeuer 2024

Ottmar Miles-Paul hat am 3. Juni 2024 das „Marburger Leuchtfeuer“ erhalten. Für die Humanistische Union begrüßte Franz-Josef Hanke die Festgäste.

Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin,

ganz herzlich möchte ich Ihnen danken dafür, dass Sie sich sofort dazu bereit erklärt haben, die Laudatio auf Ottmar Miles-Paul zu halten. Das zeugt von großer Wertschätzung, worin wir beide – wie viele andere heute hier auch – uns wohl einig sind.

Lieber Ottmar, Du bist ein würdiger Preisträger des „Marburger Leuchtfeuers für Soziale Bürgerrechte“. Mehr darüber werden die Anwesenden heute noch ausführlicher hören. Ich darf vorab nur so viel verraten: Ein Großteil Deines Wegs in den letzten 35 Jahren habe ich mitverfolgt und einen kleineren Teil davon auch gemeinsam mit Dir zurücklegen dürfen.

Wenn wir schon beim Zurückblicken sind: Bereits zum 20. Mal eröffne ich heute eine Feierstunde zur Verleihung des „Marburger Leuchtfeuers für Soziale Bürgerrechte“. Der Einzige außer mir, der an allen Preisverleihungen bisher teilgenommen hat, ist Egon Vaupel. Im ersten Jahr warst Du, lieber Egon, noch als Bürgermeister dabei, dann zehn Jahre lang als Oberbürgermeister und seither als Jury-Sprecher.

Und noch ein Dank und ein Rückblick: Dir, liebe Sigrid Arnade, danke ich dafür, dass Du extra aus Berlin zur Preisverleihung angereist bist, um die Leistungen Deines langjährigen Mitstreiters Ottmar hier zu würdigen. Wir beide kennen uns noch aus Bonn, wo wir zur Schule gegangen sind. Das Helmholtz-Gymnasium in Duisdorf war aber kein inklusives Gymnasium; wir beide haben unsere Behinderungen erst später bekommen.

Vielen Menschen ergeht es ähnlich wie uns: Eine Gesellschaft, wo jeder zweite Neugeborene statistisch auf ein Lebensalter von 100 Jahren hoffen kann, ist gleichzeitig auch eine Gesellschaft von alten und behinderten Menschen. Das sollten sich alle klarmachen, die nicht behindert sind.

Bei den zehn Prozent Behinderten wiederum treten statistisch ebenso häufig weitere Behinderungen auf wie bei allen anderen. Damit dürften in Deutschland geschätzt mindestens eine Million Menschen mehr als nur eine einzige Behinderung haben. Doch Mehrfach-behinderte kommen in der Öffentlichkeit, in der staatlichen und kommunalen Planung kaum vor. Das muss sich ändern!

Von Blinden bekomme ich als Mehr-fachbehinderter immer wieder zu hören: „Das muss man als Blinder doch können!“ Ich bin es leid, meine zusätzlichen Behinderungen dann wieder und wieder erklären zu müssen oder als „faul“ oder Ähnliches diskriminiert zu werden. So etwas möchte ich nicht mehr erleben.

Ebenso wenig erleben möchte ich Antisemitismus, Rassismus und populistische Hetze. Wenn Politikerinnen oder Politiker „mehr Abschiebungen“ fordern, dann gießen sie Öl auf die Mühlen rechtspopulistischer Demagogen und Populisten. Zugleich belasten solche Reden all diejenigen, die nach Deutschland geflohen sind vor Krieg, Verfolgung, Hunger und Diskriminierung oder die vielleicht noch kommen wollen als gesuchte Fachkräfte. Deshalb möchte ich Forderungen nach mehr Abschiebungen aus dem Mund demokratischer Politikerinnen und Politiker nicht mehr hören.

Nicht erleben möchte ich auch, dass Menschen wegen ihres gesellschaftlichen Engagements, ihres Berufs, ihrer Religion oder ihrer Überzeugung angegriffen werden. Angriffe auf Feuerwehrleute, Rettungskräfte, Polizistinnen und Polizisten, Politikerinnen und Politiker und auch auf Menschen aus Bürgerrechtsorganisationen oder Umwelt-verbänden sind ein unerträglicher Ausdruck unmenschlicher Gewaltbereitschaft. In einer Demokratie darf – und muss – man politisch Verantwortliche kritisieren dürfen, aber Kritik ist nur dann legitim, wenn sie die Kritisierten als Menschen achtet und ihnen zuhört, warum sie dieses oder jenes so oder anders gemacht haben.

Was ich mir wünsche, ist eine Gesellschaft des Respekts, der diskursiven Solidarität und des Gemeinsinns. Gemeinsam müssen wir eintreten für rasch wirksamen Klimaschutz, für soziale Grundrechte wie das auf Bildung und das Recht auf Wohnen und vor Allem für Demokratie. Demokratie setzt gegenseitige Achtung voraus, weil nur dann die notwendige Auseinandersetzung angstfrei geführt werden kann.

Zusammen mit der Volkshochschule der Stadt Marburg wird die Humanistische Union im Herbst eine kleine Veranstaltungsreihe unter dem Titel „Fakes, Fakten, Filme“ starten. Damit wollen wir unseren Beitrag zur gelebten Demokratie leisten. Sie ist das wertvollste Erbe, das uns die Mütter und Väter des Grundgesetzes zur Pflege anvertraut haben.

„Die Würde des Menschen ist unantastbar“, heißt es gleich zu Beginn des Grundgesetzes. „Den Stand einer Demokratie erkennt man an ihrem Umgang mit den Schwächsten“, hat der Lebenshilfe-Gründer Tom Mutters einmal im Historischen Rathaus gesagt. Dass wir hier in Deutschland heute auf hohem Niveau für Menschenwürde und eine barrierefreie Demokratie kämpfen können, daran hast Du, lieber Ottmar, ganz maßgeblich mitgewirkt. Darum hoffe ich, dass Dich die heutige Feier nicht stressen möge, sondern allen hier Mut macht für mehr.

Franz-Josef Hanke

Landshut: Gründung des Ortsver­bandes

Liebe Mitglieder der Humanistischen Union, mein Name ist Andreas Drobeck. Ich bin staatlich geprüfter Notfallsanitäter und studiere nebenberuflich Jura. Ich habe acht Jahre in der Bundeswehr gedient. Die Aufgaben dort waren breit gefächert von Stabsdienstarbeit bis hin zum Gefechtsdienst. Seit meinem Ausscheiden aus der Bundeswehr bin ich im Rettungsdienst tätig.

Seit Jahren kämpfe ich mit meinem Anwalt und Freund Prof. Dr. Ernst Fricke auf meinem ursprünglichen Gebiet des Rettungswesens für die Rechte und Kompetenzen der Notfallsanitäter und somit vor allem für die in Not geratenen Menschen, welche die Hilfe der Einsatzkräfte dringend benötigen.

Diese Rechte und Kompetenzen werden in nahezu jedem Bundesland massiv von dritter Seite eingeschränkt. Obwohl es inzwischen eine obergerichtliche Recht-sprechung darüber gibt, welche Maß-nahmen Notfallsanitäter eigenständig ins Werk setzen müssen und folglich auch durchführen dürfen.

Die Länder blockieren teilweise die Notfallsanitäter, indem sie über die ärztlichen Leiter Rettungsdienst (ÄLRD), getragen durch die jeweils zuständigen Ministerien, auf Landesebene Empfehlungen herausgeben und diese als „zwingend rechtsverbindlich“ titulieren und kommunizieren.

So finden in vielen Bundesländern mehrmals Schulungen der ÄLRD in jedem Rettungsdienstbereich statt, welche die Notfallsanitäter und auch die Führungskräfte geradezu falsch aufklären und beraten. Das geht so weit, dass Hilfsorganisationen den Notfallsanitätern vorschreiben wollen, wann sie einen Notarzt an die Einsatzstelle hinzuziehen sollen und wann nicht.

Die ÄLRD haben vorgegeben, dass nach nahezu jeder invasiven Maßnahme ein Notarzt an die Einsatzstelle hinzuzuziehen sei. Dem widerspricht eindeutig das NotSanG und die (auch durch meine Klage) ergangene Rechtsprechung des VGH München.

Das NotSanG (§ 4 Abs. 1b) normiert allerdings, dass der Notfallsanitäter darüber entscheidet, wann ein Notarzt zur Einsatzstelle hinzuzuziehen ist. Das kann der Notfallsanitäter gemäß seiner Ausbildung auch ohne Probleme selbstverantwortlich bewerten, so der Bundesgesetzgeber.

Die Hilfsorganisationen begründen ihre Anweisung arbeitsrechtlich: mit dem Weisungsrecht. Jedoch darf ein Unter-nehmen im Sinne der Gewerbeordnung (GeWo) §106 nur Anweisungen erteilen, welche einem Gesetz nicht entgegenstehen.

Hieraus ergibt sich ein möglicher Verstoß gegen Art. 12 GG. Der Beruf des Notfallsanitäters ist durch ein Bundesgesetz geregelt. Es ist rechtlich unzulässig, dass Landesgesetze und Empfehlungen der ÄLRD über dem Bundesrecht steht.

Eine solche Sanktion habe ich als Notfallsanitäter selbst erlebt. Jedoch habe ich mir diese Maßnahmen nicht gefallen lassen. So zog ich durch alle Instanzen und bekam letztlich vor dem VGH München Recht (VGH München am 21.04.2021 AZ 12 CS 21.702).

Der Beruf des Notfallsanitäters ist in einem Bundesgesetz (NotSanG) klar und eindeutig geregelt. Der VGH hat in seiner Entscheidung Bundesrecht verbindlich ausgelegt. Bundesrecht bricht Landesrecht (Art. 31 GG).

Zudem gibt es in allen Bundesländern Landesrettungsdienstgesetze, welche die Normierungen des Bundesgesetzes nicht einschränken können. Im Gegenteil: In nahezu jedem Landesrettungsdienstgesetz lassen sich so verfassungsrechtliche Verstöße gegen Bundesrecht feststellen. Die Rechtsprechung des VGH München und des VGH Baden-Württemberg werden einfach ignoriert.

Anzunehmen ist, dass ebenfalls ein eklatanter Verstoß gegen Art 3 GG vorliegt. Das ergibt sich aus einem Rechtsgutachten, welches der ehemalige Verfassungsrichter Udo di Fabio vor wenigen Wochen für die Björn-Steiger-Stiftung erarbeitet hat.

Es kann nicht sein, dass in Not geratene Menschen in Hamburg anders behandelt werden als etwa jene, welche in Bayern in Not geraten. Ebenso kann es nicht sein, dass Notfallsanitäter in einem Gebiet derart stigmatisiert werden, dass sie dort nicht mehr arbeiten können, weil sie eine andere politische Meinung haben, als es die ÄLRD und die zugehörigen Landesministerien im Rahmen der Kompetenzverteilung verbreiten.

Zudem gibt es in unserer schönen Heimat weitere Themen, welcher wir uns gerne im Sinne der Grundrechte annehmen wollen. So ist die Lokalpolitik in Landshut in höchstem Maße intransparent und von Vetternwirtschaft durchzogen.

In Landshut hat sich nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung eine Notarzt-gruppe etabliert, welche mit ihren privaten Fahrzeugen am öffentlich-rechtlichen Rettungsdienst teilnehmen; diese agieren unter dem Deckmantel des Katastrophenschutzes. Es gibt sogenannte Leitende Notärzte (LNAs), welche im Falle eines Großschadensereignisses alarmiert werden können. Unzutreffend bezieht sich die Landshuter Ärztegruppe darauf, denn in Landshut werden diese Herren zu normalen Einsätzen alarmiert. Somit werden den öffentlich-rechtlichen Notärzten die Einsätze in Landshut weggefahren. In vielen Fällen bedarf es überhaupt keines Notarztes an der Einsatzstelle. Hierbei helfen die Empfehlungen der ÄLRD und des StMi. Diese LNAs können dann aber den jeweiligen Einsatz sogar mit dem dreifachen Satz abrechnen. Dieses Schauspiel läuft in Landshut seit Jahren und wird auf dem Rücken der Beitragszahlenden finanziert. Die Krankenkassen hinterfragen diese Praxis bislang nicht. (https://www.sueddeutsche.de/muenchen/freising/moosburg-notarzt-landshutrettungswache-1.5350671?source=rss.)

Diese und noch weitere Beispiele sind nicht akzeptabel. Wir möchten uns gerne für eine demokratische transparente Politik im Sinne der Verfassung engagieren.

Die Humanistische Union ist die älteste Bürgerrechtsbewegung, und wir verstehen uns als Botschafter der Verfassung und wollen die Botschaft der Verfassung und der Menschenrechte aufrechterhalten, rechtswidriges Handeln hinterfragen und aufdecken. Bislang gibt es in Landshut keinerlei Bestreben, die lokalen Fürsten in irgendeiner Art und Weise zu hinterfragen. Die Rechtsverstöße werden jeden Tag einfach so akzeptiert und hingenommen. Dem – in meinem Fall offensichtlichen – Staatsversagen wird bislang nicht entgegengetreten. Das kann ich im Bereich der Notfallrettung auch belegen.

Zusammen mit Prof. Dr. Ernst Fricke werden wir in Landshut einen Ortsverband der Humanistischen Union gründen. Die sieben Gründungsmitglieder stehen schon fest. Somit stellen wir Antrag auf Genehmigung zur Gründung eines Regionalverbandes Ostbayern, Orts-gruppe Landshut gemäß § 17 Abs. 1 der Satzung der Humanistischen Union e. V. vom 19.02.2022. Eine Versammlung von mindestens sieben Mitgliedern aus dem Raum Landshut wird gemäß § 17 Abs. 2 geplant, sobald die Genehmigung des Bundesvorstandes vorliegt, den Ortsverband ins Leben zu rufen.

Andreas Drobeck und Ernst Fricke

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