Beitragsbild Zum Rechtsgutachten des Internationalen Gerichtshofs: Die Besetzung der palästinensischen Gebiete „so schnell wie möglich
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Zum Rechts­gut­achten des Inter­na­ti­o­nalen Gerichts­hofs: Die Besetzung der paläs­ti­nen­si­schen Gebiete „so schnell wie möglich" beenden

Pressemitteilung vom 22.07.2024

Mitteilungen25208/2024Seite 17-18

Der Internationale Gerichtshof der Vereinten Nationen (IGH) hat Israel in einem umfassenden Rechtsgutachten aufgefordert, die Besetzung der palästinensischen Gebiete „so schnell wie möglich“ zu beenden und vollständige Wiedergutmachung für seine „völkerrechtswidrigen Handlungen“ zu leisten. In einer historischen, wenn auch nicht bindenden Stellungnahme stellt das Gericht zahlreiche Verstöße Israels gegen das Völkerrecht fest. Es ist leider zu erwarten, dass die gegenwärtige Regierung des Staates Israel dem Rechtsgutachten des höchsten Gerichts der Vereinten Nationen nicht folgen und sich damit international weiter isolieren wird. Umso mehr müsste sich die Bundesrepublik nach Art. 25 GG daran halten.

Wer in Deutschland solche Meinungen äußert, musste es sich bisher gefallen lassen, als „Antisemit“ bezeichnet zu werden. Dieser Vorwurf wurde nicht zuletzt von den Antisemitismusbeauftragten des Bundes und der Länder erhoben und führte zur Verweigerung von Veranstaltungen in öffentlichen Räumen. Dass darin ein eklatanter Verstoß gegen das Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) liegt, wurde zwar in einer Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.01. 2022 fest-gestellt. Nach wie vor sind jedoch die zugrundeliegenden Vorgaben (IHRA-Definition von Antisemitismus, BDS-Beschluss des Bundestages etc.) nicht zurückgenommen worden, die zur Diskriminierung bei der Kulturförderung, in der Polizeipraxis und Strafverfolgungspraxis herangezogen werden.

Als älteste deutsche Bürgerrechtsorganisation fordern wir die in unserem Lande Verantwortlichen dazu auf, die Aussagen des IGH und der Entscheidung des BVerwG zum Anlass für einen Kurswechsel nehmen. Insbesondere muss klargestellt werden, dass eine sachgerechte Kritik am Staat Israel kein Antisemitismus sein kann. Das würde auch dazu beitragen, den in unserer Gesellschaft tatsächlich praktizierten Antisemitismus besser zu bekämpfen.

 

Am 22. Juli 2024 hat die Humanistische Union die oben abgedruckte Pressemitteilung zur Entscheidung des IGH herausgegeben. Man kann sich fragen, was die HU mit Fragen des Völkerrechts zu tun hat. Eine juristische Antwort auf diese Frage ergibt sich aus dem zitierten Art. 25 GG: „Die allgemeinen Regeln des Völkerrechts sind Bestandteil des Bundesrechts. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes“. Aber unabhängig davon stellt sich die Frage, ob wir uns als Deutsche in die inneren Angelegenheiten von Israel einzumischen dürfen?

Noch im Jahre 2016 hatte ein prominentes und von mir hochgeschätztes Mitglied der HU Folgendes an seine Bremer HU-Gruppe geschrieben: „Hallo, Ihr Lieben. Ich finde die israelische Siedlungspolitik auch völkerrechtswidrig und kritikwürdig. Nur finde ich, dass alle Welt das eher kritisieren darf als jemand aus Deutschland. Das gilt, obwohl natürlich auch die Palästinenser indirekte Opfer der Shoa geworden sind, und es richtig ist, Ihnen zu helfen. Aber es gibt genug Leute auf der Welt, die Israel unbefangen kritisieren können. Wir gehören nicht dazu. Ulrich Finckh“.

Dies scheint lange Zeit die überwiegende Meinung, auch in der HU-Mitgliedschaft gewesen zu sein. Kritik an der israelischen Siedlungspolitik war in unseren Publikationen (vorgänge, Mitteilungen) kaum zu finden. Das Wort „Palästina“ taucht dort so gut wie gar nicht auf. Das scheint sich aber seit einigen Jahren zu ändern. Eine erste kritische Stellungnahme des Bundesvorstands stammt vom 11. Januar 2018. Dort heißt es, dass „Kritik an der Missachtung von Völkerrecht und Menschenrechten durch die gegenwärtige Politik des Staates Israel, insbesondere etwa durch die Besetzung palästinensischer Gebiete und den dortigen Siedlungsbau“ nicht als Antisemitismus gewertet werden kann. Das muss erst recht für die Kritik an der Kriegsführung im Gaza-Streifen gelten, welche keinerlei Rücksicht auf die Zivilbevölkerung nimmt. Eine Organisation, welche das Wort Humanismus im Namen führt, kommt nicht umhin, dazu Stellung zu nehmen. Es sollte für uns selbst-verständlich sein, was Judith Bernstein bei der Entgegennahme des Preises „Aufrechter Gang“ im Jahre 2018 gesagt hat: „Wir dürfen den Kampf für eine gerechte Lösung für beide Völker nicht aufgeben.“

Wir würden uns freuen, wenn Sie dem Bundesvorstand Ihre Meinung zu den hier aufgeworfenen Fragen mitteilen.

Johannes Feest

 

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