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§ 218: Justiz­mi­nister Jahns neuer Indika­ti­o­nen- Vorschlag

von vg

Aus: vorgänge Heft 1-2/1972, S. 38

(vg)Der SPD- Parteitag vom 20.11.1971 hat Justizminister Jahn und den mit ihm einigen Fraktionsgenossn insachen Reform des § 218 eine empfindliche Schlappe bereitet. Eine überwältigegnde Mehrheit sprach sich für die „ Fristenlösung“ (3 Monate Straffreiheit) und gegen Jahns komplizierte Planungen, den Schwangerschaftsabbruch unter den Bedingungen bestimmter Indikationen freizugeben, aus.

Der glücklose Justizmintser hat sich daraufhin, indirekt unterstützt von Bundeskanzler Brandt und Fraktionschef Wehner, eine neue Weiterung seines Indikationsmodells ausgedacht oder ausdenken lassen, durch die die von ihm „aus Gewissensgründen“ vertretene Indikationslösung zwar ausgedenht, aber nur komplizierter und noch weniger praktikabler wird; zumal dieser Bundesjustizminister bis heute zu sagen nicht in der Lage ist, wie er sich die justiziable Durchführung seiner Gesetzesvorstellung vorstellt.

Wir folgen mit unserer Information einem Rundbrief der „Sonderstelle für die Reform des § 218 der HU“ in Hamburg.

Nach der fast allgemeinen Ablehnung des Referententwurfs im November 1971 versprach Justizminster Jahn eine Revidierung seiner Vorschläge. Man müsse „irgendwie“ besonderen Notsituationen Rechnung tragen und entsprechende bestimmungen in das Gesetz einbauen.

Das Ergebnis ist eine weitere „Indikation“, nämlich die Straffreistellung in Fällen, in denen „die Schwangere sich in einer besonderen Notlage befindet, die nicht mit ihr zumutbaren Möglichkeiten beseitigt werden kann“.

Wie schon bei den früheren Verlautungen des Ministeriums ist auch hier wieder völlig unklar, wer eigentlich feststellt, ob diese Indikation gegeben ist. Das Justizministerium prüft, ob es eine „unverbindliche Beratungsstelle“ sein soll, eine „Person des Vertrauens der Schwangeren“, eine Art Beistand, wobei an Pfarrer, Anwälte, Fürsorger, Lehrer gedacht wird, oder ein von Amts wegen bestellter „Sozial- Konsiliarius“.

Die Gesetzesmacherei des Ministeriums wird allmählich zu einem Skandal, und zwar nicht deswegen, weil man nun einmal keine Fristenlösung will, sondern weil man einfach nicht in der Lage ist, präzise zu sagen, was man überhaupt will.

Schon bei der sogenannten sozialmedizinischen Indikation war es so, daß das Ministerium zunächst ganz unverbindlich recht liberale Meinunge zu dieser Frage erörtern ließ. Ein „Arzt des Vertrauens“ der Schwangeren sollte bestimmen, ob ein straffreier Schwangerschaftsabbruch im Falle seiner Patientin vorläge. Ein „Koniliarius“, ein zweiter Arzt, sollte allerdings gehört werden, ohne daß jedoch seine Meinung ausschlaggebend sein sollte. Nur der „Arzt des Vertrauens“ sollte entscheiden. Inzwischen hat das Ministerium ganz klammheimlich die Funktion dieser Ärzte völlig geändert. Aus einer Art von „Kollegenberatung“ wurde im Gesetztesvorschlag die „allein ausschlaggebende“ Instanz. Alles Gerede vom „Arzt des Vertrauens“ war deshalb nur Gerede.

Genauso sieht es jetzt wieder aus. Eine Indikation wird einer widerstrebenden Öffentlichkeit geboten, damit sie vielleicht doch die abgelehnte Indikationslösung frißt. Aber was dahinter steht, verschweigt das Ministerium aus einer Mischung von gesetzgeberischer Unfähigkeit und kleinkarierter „Klein- Moritz- Taktik“. Da wird wieder von „unverbindlichen“ Beratungsstellen, von „Beiständen“ geredet, ohne die Funktion dieser Instanzen aufzuzeigen.

Das einzige Ergebnis dieses etwa zwölften Anlaufs wird sein, daß zu den 15 Paragraphen mit Dutzenden von Absätzen noch ein kleines halbes Dutzend hinzukommen, und daß die Begründung und Kommentierung des Ministeriums anstelle von 80 Seiten dann eben mehr als hundert Seiten füllen wird.

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