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Abtrei­bungs- Debatte auch in Österreich

von vg

Aus: vorgänge Heft 1-2/1972, S. 40

(vg) Auch in Österreich wird diskutiert über die (begrenzte) strafrechtliche Freigabe des Schwangerschaftsabbruchs. Wie die Dinge liegen, kann Österreichs SPÖ- Justizminister Christian Broda lediglich einen Indikationsentwurf zur Änderung des Strafgesetzbuches vorlegen. Dieser Entwurf sieht Straflosigkeit für Schwangerschaftsabbruch vor, wenn nach ärtzlichen Urteil eine nicht anders abwendbare „ernste Gefahr“ ensteht:

a) für Leben oder (körperliche und seelische) Gesundheit der Schwangeren (medizinische Indikation),

b) wenn die “Gefahr“ begründet ist in den Umständen, in denen Schwangere zu leben gezwungen ist (soziale Indikation)

c) wenn die „ernste Gefahr“ für die seelische Gesundheit der Schwangeren durch Angst verursacht wird, daß das erwartende Kind „unheilbar siech“ (eugenische Indikation)oder

d) bei Vergewaltigung gezeugt (ethische Indikation) worden ist.

Falls aber aus diesen Gründen eine „ernste Gefahr“ für die Frau nicht begründet werden kann, kann keine „Abtreibung“ (auch für den Arzt) dennoch „aus besonderen berücksichtigenswürdigen Gründen“ straffrei beliebn, wenn einer der Gründe die Frau in besondere schwere „seelische Bedrängnis“ bringt; ein Grund, der spezielle „sozial- medizinische, eugenisch- medizinische und ethisch- medizinische Konfliktsituationen“ für die werdende Mutter erzeugt.

Stellung­nahme des Wiener Kardinals

Der wiener Erzbischof, Franz Kardinal König, hat natürlich sofort, wie es seine katholische Pflicht ist, zu den Reformplänen der österreichischen Regierung Stellung genommen; und zwar in seiner Neujahrsansprache. Es fällt jedoch- im Unterschied zu Stellungnahmen katholischer Bischöfe in anderen Ländern- auf, daß seine Stellungnahme überaus zurückhaltend ist, daß er ausdrücklich betont, zu strafen, zumal „in Not und Verzweiflung geratene Mütter“, sei ausschließlich Sache des Staates. Die wiener Kathpress gibt folgenden Bericht über Kardinal Königs Ansprache:

Das Anliegen „der Diskriminierten, der Unterpriviligierten, der Vergessenen und Abgeschriebenen“

hat der Wiener Erzbischof Kardinal Franz König in den Mittelpunkt seiner Neujahrsansprache gestellt. Dazu gehören die alten Menschen, aber auch die Kinder, die in einer kinderfeindlichen Umwelt aufwachsen, “vorallem die ungewollten, ungeliebten oder körperlich und geistig behinderten unter ihnen“. In diesem Zusammenhang berührte der Kardinal auch die Frage der Abtreibung: “Für das Leben einzustehen, für das Leben der Alten und Jungen, der Gesunden und Kranken, der Geborenen und Ungeborenen, kann niemals nur eine Marotte, ein Anliegen der religiös Gebundenen sein. Der Mensch muß für den Menschen stehen, ganz gleich, ob er gläubig ist oder nicht…Wenn diese allgemein menschliche Verpflichtung nicht mehr gesehen wird, was trennt uns dann noch von der Barbarei?“

Zur Stellung von Staat und Kirche in dieser Frage sagte König: “In welchem Ausmaß der Staat eine Handlung mit Strafe belegt, ist eine Sache. Darüber zu befinden, obliegt der gewiß nicht leichten Verantwortung der Abgeordneten. Die Kirche ist kein Instrument, um Strafverschärfung zu propagieren. Es kann niemals ihre Sache sein, nach Gefängnis und Kerker zu rufen. Wohl aber muß sie Nein sagen, wenn die Grenze zwischen Leben und Töten verwischt werden soll, wenn vom Schutz des Lebens, den wir allen zubilligen, das ungeborene Leben ausgenommen sein soll. Wir haben die Todesstrafe für Verbrecher als unmenschlich abgeschafft. Haben unschuldige, wehrlose, ungeborene Kinder nicht auch ein Recht auf Leben? Wogegen sich die Kirche, wogegen sich alle Menschen wehren müssen, ist dies: den Tod zu bagatellisieren, weil er ungeborene Kinder betrifft.“

Es sei allerdings „blind und herzlos“, sagte der Kardinal, „wenn man nicht sieht, welche Not und Verzweiflung die Mütter zu diesem Schritt treibt. Es wäre ein schwerer Vorwurf für die Kirche, wenn man sagen könne, sie kümmere sich mehr um ungeborenes als um geborenes Leben, um die Kinder im Mutterleib mehr als um die Kinder, die zu Tausenden verhungern. Das Leben ist eine Einheit. Wir können die Mütter nicht anklagen, wenn wir ihnen nicht helfen, ihre Kinder unter menschenwürdigen Umständen zur Welt zu bringen und sie unter menschenwürdigen Umständen zu erziehen.“ König unterstrich auch die Notwendigkeit einer „verantworteten Elternschaft“, die „die Kenntnis der modernen medizinischen Errungenschaften voraussetzt“. Leben geben wie Leben verhindern, sagt Kardinal König, sei eine Verantwortung vor sich selbst, vor den Mitmenschen, vor der Gesellschaft und vor Gott. Gezeugtes Leben könne nie Privatsache sein.

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