Alexander Wittkowsky
in: vorgänge Nr. 224 (4/2018), S. 151/152
Am 14. Februar 2018 verstarb Prof. Alexander Wittkowsky im Alter von 81 Jahren. Er gehörte zuletzt dem Beirat der Humanistischen Union an, die ihn besonders für sein bürgerrechtliches Engagement und seine wissenschaftliche Kompetenz schätzte. In seinem beruflichen Leben war er ein Wissenschaftler, der sich in seinen Funktionen besonders der Reform und Modernisierung des Universitätswesens widmete.
1936 in Berlin geboren, schrieb er sich nach dem Abitur an der Technischen Universität Berlin ein, studierte zunächst Schiffsbau, dann Maschinenbau – mit der Promotion als Abschluss. Als Mitglied des Senats der TU gaben ihm die Bundesassistentenkonferenz (BAK) und deren Berliner Landesverband wichtige Orientierung bei seinem Bemühen, das durch und durch verkrustete Universitätssystem zu demokratisieren. Die BAK formulierte demokratische Anforderungen an Forschung und Lehre, an die Verantwortung der Universitäten gegenüber der Gesellschaft und der jungen Generation. Noch vor seiner Promotion zum Dr.-Ing. wurde Alexander Wittkowsky im Mai 1970 zum ersten Universitätspräsidenten der TU gewählt. Das neue Hochschulgesetz – unter Reformdruck durchgesetzt – sah durch den Wechsel von der Rektoratsverfassung zur Präsidialverfassung an beiden Berliner Universitäten Präsidentschaftswahlen vor. Es kam einer Revolution gleich, dass in beiden Fällen es sich um keine ordentlich berufenen Professoren handelte: Assistenten wurden damit Präsidenten zweier bedeutender Universitäten; und das in konfliktreichen Jahren von Teach ins, Sit ins, Institutsbesetzungen und mitunter wilden Studentendemonstrationen. Alexander Wittkowsky stärkte die studentische Mitbestimmung und verstand es auch, die Polizei vom Unigelände fern zu halten.
Sieben Jahre lang prägten seine Wertschätzung von Autonomie und Freiheit die Atmosphäre und den Geist der TU Berlin. In seine Zeit fielen Studienreformen und Neustrukturierungen. So entstanden unter seiner Mitwirkung zahlreiche neue Studiengänge zu modernen und aktuellen Themen wie etwa die Informatik oder Umwelttechnologie. Die Ernennung zum Ehrenmitglied seiner Universität im Jahr 2014 war eine, wenngleich etwas späte, Anerkennung seiner Verdienste.
1977 wurde er Rektor der „roten Kaderschmiede“, wie die Bremer Universität von politischen Gegnern verächtlich genannt wurde. Er war vom demokratischen Modell dieser Reformuniversität überzeugt, sah sich aber einer Kritikerfront ausgesetzt vom berüchtigten „Bund Freiheit der Wissenschaften“ und anderen konservativen Professoren bis hin zu Kritikern aus Politik und Medien. Dass er auf verlorenem Posten stand, war auch durch das Zutun des Bundesverfassungsgerichtes verursacht: Es hatte den Professoren in allen entscheidenden Fragen von Forschung und Lehre, vor allem bei Berufungen, die Mehrheit gesichert und damit der gleichberechtigten Teilhabe aller in den Universitäten Tätigen eine entschiedene Absage erteilt. 1982 gab Alexander Wittkowsky auf. Nach seinem Rücktritt als Rektor fand er dann wieder zur Wissenschaft zurück und war an der Bremer Universität im Fachbereich Produktionstechnik auf seinem Lehrstuhl mit Technikentwicklung und Technikgestaltung befasst. Er ging u.a. der Frage nach, wie die Technikentwicklung mit Ökologie und Nachhaltigkeit zu vereinbaren und wie ein Ingenieurstudium zu gestalten wäre, das Antworten auf diese zentralen Fragen der Zukunft findet.
Ehrenamtlich hat sich Alexander Wittkowsky bei medico international engagiert und seit 1982 auch in der Gustav Heinemann-Initiative (GHI), deren Fusion mit der Humanistischen Union (HU) im Jahr 2009 er mit betrieben hat. Als Beiratsmitglied der GHI und dann auch der HU beriet er die älteste deutsche Bürgerrechtsbewegung maßgeblich in friedenspolitischen Fragen. Er wusste, wie man Afghanistan entschiedener und besser hätte helfen können beim Wiederaufbau. Er hatte seine Erfahrungen in Entwicklungszusammenarbeit während der Beurlaubung von den Bremer Universitätsverpflichtungen in den Jahren 1990 bis 1992 gemacht, in denen er für die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (damals GTZ) Projekte u.a. in Indien, Tansania und Simbabwe leitete.
In einem von ihm maßgeblich mitverfassten Positionspapier der HU [1] wurde auf das eklatante Missverhältnis beim finanziellen Aufwand für Militär und zivilem Engagement in Afghanistan hingewiesen. Gefordert wurde ein Strategiewechsel, der durch Umschichtung der Haushaltsmittel klare Priorität auf zivilen Aufbau und Entwicklung zu Lasten militärischer Aufwendungen legt. Konkrete, mit den Afghanen erarbeitete Entwicklungsziele seien von Seiten der Bundesregierung zu benennen, über deren Erreichung dem Bundestag regelmäßig Bericht zu erstatten wäre. Insbesondere seien zivile Projekte zu definieren, die in enger Abstimmung mit lokalen Einrichtungen und der lokalen Bevölkerung Afghanistans für deren Bedürfnisse entwickelt werden müssten, hieß es in dem Papier. Prof. Wittkowsky selbst hat dieses Positionspapier 2010 auf dem ersten Verbandstag der beiden fusionierten Organisationen vorgestellt.
In der Ehe mit der früheren Redakteurin der Frankfurter Rundschau, Jutta Roitsch-Wittkowsky, erlebten beide ausgedehnte Reisen in zahlreiche Länder und auch erfüllte Privatheit im geliebten französischen Zweitwohnsitz. Mit Prof. Alexander Wittkowsky haben wir einen kenntnisreichen, erfahrenen und im menschlichen Umgang souveränen Mitstreiter verloren – einen gradlinigen und freiheitsbewussten Demokraten.
Werner Koep-Kerstin
ist Bundesvorsitzender der Humanistischen Union
Anmerkungen:
1 „Den Frieden politisch und mit zivilem Aufbau gewinnen – Ausstieg aus dem militärischen Engagement in Afghanistan“. Positionspapier der Humanistischen Union, verfasst von W. Koep-Kerstin, G. Pflaumer & A. Wittkowsky. Berlin im November 2009, unter https://www.humanistische-union.de/fileadmin/hu_upload/doku/2009/HU2009-11-24_PP-Afghanistan.pdf