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Die Diffa­mie­rung der 215 Professoren

vorgängevorgänge 6/196506/1970Seite 264-266
von vg

Vorgänge 6/1965, S. 264-266

(vg) Die folgende Dokumentation behandelt am Beispiel der Behandlung des Notstandsappells von 215 Professoren (s. vg 5/65, 214 f) einen Fall politischer Diffamierung. Das, was Rechtsanwalt Heinrich Hannover in der 1962 erschienenen Broschüre „Politische Diffamierung der Opposition im freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat« noch als eine von den Regierungsparteien gegenüber der SPD angewandte Methode beschreiben konnte, wird heute, das zeigt die Dokumentation, leider auch von einigen Sozialdemokraten gegenüber einer ihr unbequemen außerparlamentarischen Opposition angewandt.

Am 15. April 1965 erklärte der Marburger Ordinarius für Soziologie, Professor Dr. Heinz Maus auf einer Pressekonferenz in Frankfurt am Main, daß er einige Tage zuvor an den Deutschen Gewerkschaftsbund, die dem DGB angeschlossenen Gewerkschaften und an die Gewerkschaft der Polizei einen Appell gesandt habe, sich den beabsichtigten Notstandsgesetzen zu widersetzen, „die an die Fundamente unserer demokratischen Ordnung rühren und die Existenz unseres Volkes aufs Spiel setzen”. Er verteilte den Text des Appells und eine Namensliste von insgesamt 215 Hochschullehrern, die bis zu diesem Zeitpunkt den Aufruf unterzeichnet hatten. Am 14. Mai gab er bekannt, daß die Zahl auf über 250 Professoren angestiegen sei.
Die Namensliste ist deshalb interessant, weil sie – wie schon der Appell der Humanistischen Union an die Bundestagsabgeordneten im Herbst 1964 – im wesentlichen die Namen von
Hochschullehrern enthielt, die sonst nicht jeden Aufruf unterschreiben. Acht der Unterzeichner waren auf dem Karlsruher Parteitag der SPD im Herbst 1964 als wissenschaftliche Berater Willy Brandts bezeichnet worden; etwa zwanzig sind nach vorsichtigen Schätzungen Mitglieder der SPD. Von den 215 Professoren hatten lediglich 9 den aus dem DFU-Umkreis stammenden Aufruf der „Angehörigen des Kultur- und Geisteslebens“ gegen die Notstandsgesetzgebung aus dem Jahre 1963 unterschrieben, den damals insgesamt 53 Professoren unterzeichnet hatten.
Mit dem Datum „Mitte April 1965“ verbreitete die Deutsche Volkszeitung, eine vom Bund der Deutschen herausgegebene Wochenzeitung, auf einem „Extrablatt“ den Aufruf mit der gesamten Liste der Unterzeichner. Eingerückt und besonders umrandet steht in diesem Text unter der Überschrift „Letzte Meldung“ ein Bericht über die von Professor Maus veranstaltete Pressekonferenz. Beim flüchtigen Lesen kann diese Anordnung zu dem – sicher beabsichtigten – Eindruck führen, es handele sich um eine Aktion der Deutschen Volkszeitung. Der Kenner solcher in der Politik einflußloser Gruppen weiß allerdings, daß diese journalistische Praxis zu den Methoden der-artiger Gruppierungen gehört, durch die sie ihre Unbedeutendheit zu überspielen versuchen.
Der Vorsitzende des DGB Ludwig Rosenberg bestätigte am 23. April 1965 dankend den Empfang des Appells, wies darauf hin, daß der DGB auch den politischen Parteien gegenüber wiederholt seine ablehnende Haltung begründet habe und er-klärte, daß sich der DGB „auch weiterhin mit dieser Frage beschäftigen werde“. Der Vorsitzende der IG Metall, Otto Brenner, begrüßte auf einer Bezirkskonferenz in Stuttgart den Appell. Nach einer Meldung des IG-Metall-Organs Metall vom 4. Mai 1965 sagte er: „Es ist unbestreitbar, daß die Professoren gleich uns von tiefer Sorge um die weitere demokratische Entwicklung der Bundesrepublik erfüllt sind. Schon ein-mal haben sich Wissenschaftler gegen die Gefahren gewandt, die der Menschheit durch die Entfesselung der atomaren Kräfte drohen. Auch die Göttinger Achtzehn haben seinerzeit ihre Mahnung vor allem an die Gewerkschaften gerichtet. Dieses Vertrauen ehrt uns, und wir haben uns bemüht, es zu rechtfertigen. Wir sind uns unserer Verantwortung für die Erhaltung der Demokratie in unserem Lande durchaus bewußt. Wir sind allerdings keine politische Partei und können den Politikern ihre Verantwortung nicht abnehmen – genauso wenig, wie uns jemand unsere Verantwortung abnehmen kann. Wir können nur unseren Beitrag dazu leisten, daß alle demokratischen Kräfte sich des Ernstes der Situation bewußt werden und dafür sorgen, daß aus der von der Bundesregierung geplanten Notstandsgesetzgebung nichts wird!“
In einem Interview mit dem Kölner Stadtanzeiger (4. Mai 1965) bemerkte er: „Der Aufruf der 215 ist uns nicht gelegen gekommen. Aber er wurde von uns durchaus begrüßt. Wir verstehen auch sehr gut, warum sich diese Leute an uns wenden. Wir sind doch im Grunde die größte demokratische Organisation, die die Notstandsgesetzgebung entschieden ablehnt.“ Brenner begrüßte auch die Äußerung von Professor Eugen Kogon, der als einer der Mit-Initiatoren des Appells in einem Interview in derselben Zeitung (1. Mai 1965) zu der Frage, ob die Gewerkschaften sich den Appell zu eigen machen würden, geantwortet hatte: „Ich habe keine Illusionen. Aber die Gewerkschaften haben hier eine Initiative, die ihr eigenstes Daseinsgefühl berühren muß. Die Arbeiter haben hier die Chance einer wirklich ernstgemeinten geistigen Übereinkunft von Intellektuellen und Arbeitern in einer Lebensfrage unserer Demokratie, des Staatsbürgers im einzelnen. Daran kann das Parlament nicht vorbei, denke ich. Man kann später, in der nächsten Legislaturperiode über diesen Gesetzeskomplex ruhig und im Geiste der Verfassung reden. Aber jetzt noch durchpeitschen
– das darf nicht sein.“
Auch die Vorstände anderer Gewerkschaften haben den Appell begrüßt. In dem Pressedienst Schlagzeilen und Stichworte. Übersicht über die wichtigsten Pressemitteilungen aus Ost-Berlin vom 6. Mai 1965, die vom DGB – Abteilung Vorsitzender
– herausgegeben werden, war dagegen in Nr. 6/65 auf Seite 1 folgende Notiz zu finden: „Zwei überraschende Ereignisse im April gaben der SED und ihren Anhängern im Bundesgebiet eine unvorhergesehene Schützenhilfe. 1. Mit großer Wahrscheinlichkeit vom „Bund der Deutschen“ organisiert, erfolgte an den Hochschulen eine Umfrage zur Notstandsgesetzgebung. 215 Professoren setzten ihre Unterschrift unter eine an den DGB-Bundesvorstand adressierte Aufforderung, angesichts der bevor-stehenden Notstandsgesetzgebung alles zu tun, ,um die Demokratie ernsthaft zu verteidigen. Die SED und ihre Anhänger im Bundesgebiet setzen ihre bisherigen Bemühungen in der Frage der Notstandsgesetze unverändert, jedoch in der Weise fort, daß sie jetzt behaupten, die Sache der 215 Professoren zu vertreten. . . .“
In einem am 8. Juni 1965 vom Kölner Stadtanzeiger veröffentlichten Interview griff Bundesinnenminister Höcherl diese Notiz auf und stellte die Frage, man wisse ja nicht, ob die Umfrage nicht vom Bund der Deutschen veranstaltet worden sei. Die Kölnische Rundschau folgte am 11. Mai 1965 mit einem „Is“ gezeichneten Beitrag der Landesredaktion Düsseldorf. Der Artikel war überschrieben mit dem Titel: „Die Professoren und ihre Hintermänner. Protest gegen Notstandsgesetze wurde mit der roten Tinte des ,Bundes der Deutschen‘ geschrieben“:
„215 Hochschulprofessoren appellierten unlängst in einem offenen Brief an den Deutschen Gewerkschaftsbund, die Notstandsgesetze zu verhindern. Es besteht kein Zweifel, daß diese Gelehrten nicht wußten, wer den Brief, den sie so bereitwillig unterschrieben, aufgesetzt hatte. Inzwischen ist jedoch offenbar geworden, wer die Briefsteller und Briefträger, wer also die Hintermänner dieser Aktion sind. Verdacht mußte man bereits schöpfen, daß ausgerechnet die in Düsseldorf erscheinende ,Deutsche Volkszeitung‘ den Professoren-Appell in einem Extrablatt mit einer Auflage von über einer halben Million unter das Volk brachte. Das vom Ex-Reichskanzler Joseph Wirth gegründete Wochenblatt gab das Schreiben der Gelehrten in Auszügen wieder und nannte jeden der 215 Unterzeichner in alphabetischer Reihenfolge (von Professor Abel bis Professor Zwölfer) beim Namen. Die ,Deutsche Volkszeitung‘ steht dem „Bund der Deutschen“ nahe. Der BdD ist bereits 1958 von dem damaligen Bundesinnenminister vor dem Bundestag unverblümt als kommunistische Hilfs- und Tarnorganisation bezeichnet worden. Derselbe BdD hat, wie inzwischen durchgesickert ist, in Gemeinschaftsarbeit mit dem Marburger Professor Dr. phil. Heinz Maus das Schreiben an den DGB entworfen. Der BdD selbst hat alsdann dafür gesorgt, daß der Entwurf zusammen mit einem Begleitbrief von Professor Maus in die Hände von einigen tausend Hochschullehrern in der Bundesrepublik gelangte. Auch der spätere Versand des von 215 Gelehrten unterschriebenen Briefes erfolgte durch den BdD. Diesmal mit Hilfe der ,Deutschen Friedens-Union‘. Die DFU leistete schließlich auch wertvolle Dienste bei der Verbreitung des Extrablatts der Deutschen Volkszeitung.
Im „Bund der Deutschen“ und in der „Deutschen Friedens-Union“ sind also die Hintermänner zu suchen, denen etliche Professoren nichtsahnend auf den Leim gegangen waren. Der Adressat des Schreibens jedoch hatte den Leim beizeiten gerochen. Der DGB wußte, mit wessen roter Tinte der Brief geschrieben war, und reagierte herausfordernd kühl.“
„Normalerweise hätte der Deutsche Gewerkschaftsbund die protestierenden Professoren als willkommene Bundesgenossen in die Arme geschlossen. Auf dem letzten ordentlichen Bundeskongress 1962 in Hannover hatte der DGB in einer Entschließung ,jede zusätzliche gesetzliche Regelung des Notstandes und Notdienstes‘ abgelehnt, weil beide Vorhaben geeignet sind, elementare Grundrechte … einzuschränken und die demokratischen Kräfte in der Bundesrepublik zu schwächen. Ungeachtet dieser Übereinstimmung in der Sache erteilt der DGB den Professoren und ihren obskuren Hintermännern auf diplomatische Weise eine deutliche Abfuhr: Wir bestätigen dankend den Empfang Ihres offenen Briefes, heißt es höflich, aber kühl in der knappen Antwort an Professor Maus. Im übrigen werden die Professoren darüber belehrt, daß die politischen Parteien im Bundestag ,allein nach dem Grundgesetz für die Entscheidung in dieser Frage zuständig sind‘. Der DGB verspricht abschließend, daß die zuständigen Organe, Bundesvorstand und Bundesausschuß, sich auch weiterhin mit dieser Frage beschäftigen würden. Hochachtungsvoll pp. Auch mit der Antwort an Professor Maus haben sich die zuständigen Organe des DGB beschäftigt. Bevor der Brief frankiert und aufgegeben wurde, fand er die Billigung des Geschäftsführenden Bundesvorstandes. Nachträglich wurde noch die Zustimmung des Gesamtvorstandes eingeholt. In diesem Gremium sitzt auch Otto Brenner, Vorsitzender der IG Metall und einer der energischen Kämpfer gegen Notstandsgesetze. In einem Zeitungsinterview hatte Brenner offenbar nur in Unkenntnis der Hintergründe die 215 gelehrten Widerstandskämpfer gegen Notstandsgesetze zunächst gelobt. Aufgeklärt über die Mitwirkung der DFU und des BdD, ließ der IG-Metall-Vorsitzende durch seinen Stellvertreter im DGB-Vorstand später jedoch mitteilen, daß er nichts dagegen einzuwenden habe, den Professoren eine Abfuhr zu erteilen. Daß es sich tatsächlich um eine Abfuhr handelt, bestätigte der Leiter der DGB-Pressestelle, Walter Fritze. Auf Anfrage der Kölnischen Rundschau stellte er fest: Mit diesem Aufruf der Professoren identifizieren wir uns nicht.”
Die Zeitung mußte am 14. Mai 1965 folgende Richtigstellung der IG Metall bringen: „Bezugnehmend auf Ihre Ausgabe vom 11. Mai 1965, in der Sie einen Artikel „Die Professoren und ihre Hintermänner“ veröffentlicht haben, bitte ich unter Hinweis auf Paragraph 11 des Reichspressegesetzes um folgende Richtigstellung:

1. Es ist falsch, daß Herr Brenner in seinem Interview mit dem Kölner Stadtanzeiger die 215 Professoren, die zur Ablehnung der Notstandsgesetze aufgerufen haben ,nur in Unkenntnis der Hintergründe‘ gelobt hat. Richtig ist, daß Herr Brenner von irgendwelchen Hintergründen nichts gewußt hat, und daß er nur aus sachlichen Gründen dem Appell der Professoren zustimmt.

2. Es ist unrichtig, daß Herr Brenner über die Mitwirkung der Deutschen Friedens-Union (DFU) und des Bundes der Deutschen aufgeklärt worden sei. Richtig ist, daß Herr Brenner am 3. Mai nach den USA gereist ist. Vor diesem Datum hat kein Gespräch über die angebliche Mitwirkung der DFU und des Bundes der Deutschen mit Herrn Brenner stattgefunden.

3. Es ist unrichtig, daß Herr Brenner durch seinen Stellvertreter im DGB-Bundesvorstand mitteilen ließ, daß er nichts dagegen einzuwenden habe, den Professoren eine Abfuhr zu erteilen. Richtig ist, daß Herr Brenner einen derartigen Auftrag an seinen Stellvertreter, Herrn Alois Wöhrle, nicht erteilt hat, und daß Herr Wähle im DGB-Vorstand keine derartige Erklärung abgegeben hat. Vielmehr hat der Vorstand der IG Metall noch am 11. Mai in Recklinghausen seine Übereinstimmung mit dem Appell der Professoren erklärt.

Professor Maus schickte an die Kölnische Rundschau folgende Gegendarstellung: „Unter Bezugnahme auf den obengenannten Artikel bitte ich unter Hinweis auf § 11 des Reichspressegesetzes folgende Gegendarstellung zu bringen:

1. Es ist falsch, daß die „Deutsche Volkszeitung“ dank einer besonderen Verbindung zu mir in der Lage war, die Namen der Unterzeichner zu veröffentlichen. Vielmehr sind die Namen der Unterzeichner in alphabetischer Reihenfolge mitsamt dem Wortlaut des Briefes an die Gewerkschaften am 15. April in der Pressekonferenz in Frankfurt allen dort anwesenden Pressevertretern überreicht worden, u. a. auch an die DVZ. Im übrigen sind sie auch in der den Gewerkschaften nahestehenden Zeitung „Atomzeitalter“ veröffentlicht worden.

2. Es ist unrichtig, daß der Appell vom ,Bund der Deutschen‘ in Zusammenarbeit mit mir aufgesetzt worden ist. Richtig ist vielmehr, daß ich den offenen Brief mit Kollegen und Freunden beriet. Mein Entwurf wurde von mir den Kollegen Kogon, Scheuch und Flechtheim mit der Bitte um Stellungnahme und Korrektur vorgelegt. Den Entschluß, unverzüglich unseren Appell einem größeren Kreis von Hochschullehrern zu unterbreiten, faßte ich zusammen mit Herrn Kogon auf einer wissenschaftlichen Tagung der IG Metall, als bekannt geworden war, daß die Notstandsgesetzgebung doch noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden sollte.

3. Es ist unrichtig, daß der „Bund der Deutschen“ den Text an einige tausend Hochschullehrer versandt hat. Richtig ist vielmehr, daß der Versand durch mich erfolgte.

4. Es ist falsch, daß der ,Bund der Deutschen‘ oder die „Deutsche Friedensunion“ bei der Weitergabe des Briefes, dem bis dahin bereits 215 Kollegen zugestimmt hatten, an den DGB und die angeschlossenen Gewerkschaften Hilfe geleistet haben. Richtig ist, daß er von mir weitergeleitet wurde. – Die „Hintermänner“ des Aufrufes sind somit weder der Bund der Deutschen noch die DFU. Es gibt keine Hintermänner! Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß ich seit Jahren Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft bin.“
Im Namen der DGB-Pressestelle schrieb Walter Fritze (der in dem Artikel der Kölnischen Rundschau genannt worden war) am 18. Mai 1965 an Professor Heinz Maus: „Ich möchte Ihnen versichern, daß von der Bundespressestelle des DGB niemals unterstellt worden ist, daß die Ausarbeitung und Verbreitung des von Ihnen aufgesetzten „Professoren Briefes“ zur Frage der Notstandsgesetzgebung im Zusammenwirken mit dem ,Bund der Deutschen‘ bzw. der „Deutschen Volkszeitung“ erfolgt wäre. Wenn die „Kölnische Rundschau“ und die Agentur ,dmt‘ solche Behauptungen aufgestellt haben, dann sind sie allein dafür verantwortlich. Ebensowenig ist von unserer Pressestelle jemals erklärt worden, daß der DGB dem Appell der Hochschul-Professoren eine Absage erteilt hätte. Wenn die „Kölnische Rundschau“ die Ihnen zugegangene und von uns seinerzeit veröffentlichte Antwort des DGB-Vorsitzenden, Herrn Rosenberg, als eine „deutliche Abfuhr“ bezeichnete, dann ist das eine Auslegung, die dem Inhalt in keiner Weise entspricht. Genauso verhält es sich mit der Behauptung, daß ich angeblich persönlich auf Anfrage eine solche Abfuhr bestätigt hätte. Ich habe
vielmehr darauf hingewiesen, daß für die Gewerkschaften der vom Bundeskongreß in Hannover gefaßte Beschluß für eine Ablehnung der Notstandsgesetzgebung nach wie vor maßgebend ist und wir dafür auch eine eigene Begründung haben, so daß wir uns insofern nicht mit dem Inhalt des Aufrufes der Professoren identifizieren.“
Professor Maus erklärte am 14. Mai 1965 in einer Stellungnahme zu den Vorgängen unter anderem: „Weil der Brief der Professoren ernstgenommen wird und in der breiten Öffentlichkeit endlich eine Diskussion über den Zweck einer Notstandsverfassung ausgelöst hat, wird uns neuerdings vorgeworfen, wir hätten uns politisch falsch verhalten und seien auf „kommunistische Drahtzieher“ hereingefallen, – eine perfide Verleumdung! Nichts leichter übrigens, als ,“Hintergrundmaterial“ bereitzustellen, aus dem sich jede Behauptung, also auch diese, belegen ließe. Vermutlich ist die Hauptabsicht dabei nicht einmal so sehr, die Initiatoren des Appells zu treffen; sie soll wohl mehr den Zweck haben, in der Öffentlichkeit und besonders in Gewerkschaftskreisen Unsicherheit zu erzeugen. Was die Unterzeichner des ,Offenen Briefes‘ angeht – und hier darf ich wohl im Namen aller sprechen -, ist es, gelinde gesagt, eine Unverschämtheit, anzunehmen, daß Universitätslehrer des Lesens unkundig seien und nicht wüßten, was sie und warum sie unterschreiben.“
Die Sache könnte als einer der üblichen Diffamierungsversuche abgetan werden, wenn nicht der Vorsitzende der SPD, Willy Brandt, am 30. Mai 1965 die Angelegenheit erneut aufgegriffen hätte. Eine dpa-Meldung (30. 5. 1965/1025 kl) berichtet über die SPD-Frauenkonferenz in Koblenz: „An die Unterzeichner des Appells von über 200 Hochschullehrern gegen Notstandsrechte für die Bundesregierung appellierte der Kanzlerkandidat der SPD, sich nicht mit Kräften zu verbinden, ,die mit der Demokratie nichts Gutes im Sinn haben. Brandt nannte den „Bund der Deutschen“ als „notorische kommunistische Tarnorganisation“. Anders seien die meisten besorgten Stimmen aus den Gewerkschaften zu beurteilen …“
Es ist von dem Regierenden Bürgermeister Berlins und von dem Vorsitzenden der SPD nicht zu erwarten, daß er die hier dargelegten Vorgänge verfolgt hat. Es ist ihm jedoch – ebenso wie dem Vorsitzenden des DGB — zuzumuten, daß er denjenigen, der seine Reden aufsetzt (bzw, denjenigen, der im Namen des DGB Äußerungen abgibt) sorgfältig auswählt. An dieser Sorgfalt bei der Auswahl haben es jedoch Brandt und Rosenberg fehlen lassen. Beide Äußerungen enthalten nicht einmal eine Sachbehauptung, die zu überprüfen ist, sondern eine pauschale Diffamierung, die sich – nach der eindeutigen Darstellung von Professor Maus – auf nichts anderes stützen kann als auf den Abdruck des Appells in einem Extrablatt der Wochenzeitung des Bundes der Deutschen. Wer das als beweiskräftig für die Beziehung zwischen den Unterzeichnern des Appells und dem Bund der Deutschen ansieht, muß Konrad Adenauer zubilligen, daß er sich vergleichsweise bei seinem Urteil über den „Abgrund von Landesverrat“ noch auf Tatsachen stützen konnte. Im übrigen müßte dann die ausgesprochene Verdächtigung auch für den Bundesvorstand des DGB gelten: Die Deutsche Volkszeitung druckte bereits am 30. April unter dem Titel „Kriegshysterie und Kriegsgefahr bannen!“ den die Notstandsgesetzgebung berührenden Text der ,“Rededisposition des DGB-Bundesvorstandes für die Maifeiern 1965″.

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