NRW: Stellungnahme zum Körperschaftsstatusgesetz
aus: vorgänge Nr. 204 (4-2013), S. 87-88
Der nordrhein-westfälische Landtag berät derzeit über einen Gesetzentwurf zur „Regelung der Verleihung von Körperschaftsrechten an Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften (Körperschaftsstatusgesetz)“ (s. LT-Drs. 16/ 4151 v. 8.10.2013), den alle Fraktionen gemeinsam eingebracht haben. Der Entwurf formuliert erstmals eine einheitliche gesetzliche Grundlage für die Voraussetzungen der Verleihung sowie die Aberkennung des Körperschaftsstatus. Dieser ist verfassungsrechtlich garantiert durch Artikel 140 Grundgesetz (GG) i.V.m. Artikel 137 Abs. 5 S. 2 der Weimarer Reichsverfassung. Letzterer sieht vor: „Die Religionsgesellschaften bleiben Körperschaften des öffentlichen Rechtes, soweit sie solche bisher waren. Anderen Religionsgesellschaften sind auf ihren Antrag gleiche Rechte zu gewähren, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten. Schließen sich mehrere derartige öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften zu einem Verband zusammen, so ist auch dieser Verband eine öffentlich-rechtliche Körperschaft.“ (Art. 137 Abs. 5 WRV)
Welche weiteren Rechtsansprüche (bzw. Privilegien) mit dem Status verbunden sind, ist umstritten. Häufig werden dazu die Dienstherrenfähigkeit (einschl. Disziplinargewalt), die Organisationshoheit, Rechtsetzungsbefugnisse gegenüber den eigenen Mitgliedern, das Parochialrecht und die Widmungsbefugnis gezählt. Diese Rechte lassen sich jedoch weder aus dem Grundgesetz noch der Weimarer Reichsverfassung ableiten; inwiefern sie über die üblichen Selbstorganisationsrechte bürgerlicher Vereinigungen hinausreichen, ist ungeklärt.
Johann-Albrecht Haupt gab für die Humanistische Union eine Stellungnahme zum Gesetzentwurf ab: Darin betont er, dass es weder einen Bedarf für das Gesetz gebe, noch ein erkennbarer materieller Regelungsinhalt zu erkennen sei, der über die bestehenden Verfassungsvorgaben hinaus Rechtsklarheit schaffe. Die vorgesehene Beteiligung des Parlaments bei der Verleihung des Titels sei zudem funktionswidrig.
Alle formalen Voraussetzungen für die Verleihung des Körperschaftsstatus ergeben sich aus der Verfassung bzw. sind durch die Spruchpraxis des Bundesverfassungsgerichtes konkretisiert worden (etwa zur Frage der „Rechtstreue“). Darüber hinaus habe der Staat keinerlei Handlungsspielraum bei der Verleihung, so die Stellungnahme: „Liegen diese Voraussetzungen vor, darf die Verleihung von Körperschaftsrechten an … Religionsgemeinschaften nicht versagt werden; fehlen die Voraussetzungen, dann könnte auch ein Landesgesetz an diesem Umstand nichts ändern.“ (S. 2) In die Inhalte und die interne Organisation der Religions- bzw. Weltanschauungsgemeinschaften dürfe der zur Neutralität verpflichtete Staat ohnehin nicht eingreifen.
Darüber hinaus lasse der Gesetzentwurf die einzig verbleibende, materiell zu entscheidende Frage nach den Folgen des Körperschaftsstatus offen: „Welche besonderen Rechte (Mehrzahl!) über das Steuererhebungsrecht hinaus ‚verliehen‘ werden, dazu gibt weder der vorgeschlagene Gesetzestext noch die Begründung Auskunft.“ (S. 3) Umso mehr sei das Gesetz entbehrlich.
Die vom Gesetz vorgesehene (mögliche) Beteiligung des Parlaments an der Verleihung sei zudem rechtswidrig. Bei der Verleihung der Körperschaftsrechte handle es sich um eine Sachentscheidung, bei der lediglich die Erfüllung der verfassungsrechtlichen Voraussetzungen geprüft werden dürfe. Eine parlamentarisch/politische Abwägung, etwa mit Blick auf die besondere Religionsgemeinschaft, verbiete sich. „Denn dadurch könnte auch ein Antrag abgelehnt werden, obwohl die Verleihungsvoraussetzungen vorliegen. … Gerade dies ist aber mit Rücksicht auf die Religionsneutralität des Staates nicht zulässig“ (S. 5)
Die Stellungnahme der Humanistischen Union v. 3.3.2014 ist abrufbar unter http://www.humanistische-union.de/themen/srw/.