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Verfas­sungs­be­schwerde gegen das nordrhein-west­fä­li­sche Verfas­sungs­schutz­ge­setz vom 20.12.2006

09. Februar 2007

Dr. Fredrik Roggan (Prozessbevollmächtigter)

Anonymisierter Wortlaut der Verfassungsbeschwerde gegen das heimliche Ausspähen von Informationssystemen (Online-Durchsuchung) sowie die verdeckte Teilnahme des Verfassungsschutzes NRW an Internetkommunikationen

An das
Bundesverfassungsgericht
Postfach 1771
76006 Karlsruhe
Verfassungsbeschwerde
Az.: 1/07 r (bitte stets angeben)

9.2.2007

1) der Frau …
2) des Herrn …

-Beschwerdeführer-

gegen das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen (VSG NRW)
vom 20.12.2006 – GVBl. NRW 2006, S. 620 –

Es wird ausweislich der anliegenden Vollmachten (Anlage 1 und 2) angezeigt, dass die Beschwerdeführer dem Unterzeichner Vollmacht erteilt und ihn mit der Wahrnehmung ihrer Interessen vor dem Bundesverfassungsgericht beauftragt haben. Namens und im Auftrag der Beschwerdeführer wird Verfassungsbeschwerde gegen § 5 Abs. 2 Nr. 11 i. V. m. § 7 Abs. 1, § 5 Abs. 3, § 5a Abs. 1, und § 13 VSG NRW, eingefügt/geändert durch das Gesetz zur Änderung des
Gesetzes über den Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen
vom 20.12.2006 – GVBl. NRW 2006, S. 620 –
erhoben und beantragt,

1. die Feststellung der Verfassungswidrigkeit der genannten Vorschriften sowie

2. der Staatskasse die notwendigen Auslagen der Beschwerdeführer aufzuerlegen.

Gerügt wird die Verletzung von

– Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG – Recht auf informationelle Selbstbestimmung -, auch i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG – Trennungsgebot,

– Art. 10 Abs. 1, auch i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG,

– Art. 13 Abs. 1 GG, auch i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG,

– Art. 19 Abs. 4 GG.

A . Gegenstand der Verfas­sungs­be­schwerde

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die im Rubrum genannten Neuregelungen der Befugnisse des Landesamts für Verfassungsschutz von Nordrhein-Westfalen durch das Änderungsgesetz vom 20.12.2006. Die angegriffenen Vorschriften lauten:

§ 5 Befugnisse
(1) …
(2) Die Verfassungsschutzbehörde darf nach Maßgabe des § 7 zur Informationsbeschaffung als nachrichtendienstliche Mittel die folgenden Maßnahmen anwenden:
1. (…)
(…)
11. heimliches Beobachten und sonstiges Aufklären des Internets, wie insbesondere die verdeckte Teilnahme an seinen Kommunikationseinrichtungen bzw. die Suche nach ihnen, sowie der heimliche Zugriff auf informationstechnische Systeme auch mit Einsatz technischer Mittel. Soweit solche Maßnahmen einen Eingriff in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis darstellen bzw. in Art und Schwere diesem gleichkommen, ist dieser nur unter den Voraussetzungen des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz zulässig.
12. (…)
(3) Mit nachrichtendienstlichen Mitteln gewonnene personenbezogene Daten sind zu kennzeichnen und den Personen, zu denen diese Informationen erfasst wurden, nach Beendigung der Maßnahme mitzuteilen. Einer Mitteilung bedarf es nicht, wenn
1. eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung durch die Benachrichtigung zu besorgen ist,
2. durch die Auskunftserteilung Quellen gefährdet sein können oder die Offenlegung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweise der Verfassungsschutzbehörde zu befürchten ist,
3. die Benachrichtigung die öffentliche Sicherheit gefährden oder sonst dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder
4. die Daten oder die Tatsache der Verarbeitung nach einer Rechtsvorschrift oder wegen der überwiegenden berechtigten Interessen eines Dritten geheimgehalten werden müssen,
5. eine der unter 1-4 genannten Voraussetzungen auch nach fünf Jahren nach Beendigung der Maßnahme noch vorliegt und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft vorliegen wird.

§ 5a Besondere Befugnisse
(1) Die Verfassungsschutzbehörde darf im Einzelfall bei Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsunternehmen und Finanzunternehmen unentgeltlich Auskünfte über Beteiligte am Zahlungsverkehr und über Geldbewegungen und Geldanlagen einholen, wenn dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach § 3 Abs. 1 erforderlich ist und tatsächliche Anhaltspunkte für schwerwiegende Gefahren für die in § 3 Abs. 1 genannten Schutzgüter vorliegen.
(2) …

§ 7 Besondere Formen der Datenerhebung
(1) Die Verfassungsschutzbehörde darf zur Erfüllung ihrer Aufgaben Informationen, insbesondere personenbezogene Daten, durch Befragung von nichtöffentlichen Stellen und mit den Mitteln gemäß § 5 Abs. 2 erheben, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass
1. auf diese Weise Erkenntnisse über Bestrebungen oder Tätigkeiten nach § 3 Abs. 1 oder die zur Erlangung solcher Erkenntnisse erforderlichen Quellen gewonnen werden können oder
2. dies zum Schutz der Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Quellen der Verfassungsschutzbehörde gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten erforderlich ist.
(2) …

§ 13 Gemeinsame Dateien
Die Verfassungsschutzbehörde ist befugt, personenbezogene Daten in gemeinsamen Dateien mit den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder und anderen Sicherheitsbehörden zu verarbeiten, wenn besondere bundesrechtliche oder landesrechtliche Vorschriften Anlass, Umfang und sonstige datenschutzrechtliche Anforderungen regeln.

B. Zuläs­sig­keit der Verfas­sungs­be­schwerde

Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes wird von der Veröffentlichung der Ausführungen zur Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde abgesehen.
Die Seitenzahlen dieses Schriftsatzes entsprechen aufgrund dieser Auslassungen nicht der Paginierung der dem Bundesverfassungsgericht vorliegenden Verfassungsbeschwerde.

C. Begrün­det­heit der Verfas­sungs­be­schwerde

I. Verfassungswidrigkeit des § 5 Abs. 2 Nr. 11 i. V. m. § 7 Abs. 1 VSG NRW

– Teilnahme an Kommunikationseinrichtungen –
Die Vorschrift erlaubt als Ausprägung seiner Aufklärungstätigkeit die Teilnahme des Verfassungsschutzes an Kommunikationseinrichtungen des Internets. Die Ermächtigung verstößt gegen den Grundsatz der Normenklarheit, beachtet nicht den verfassungsmäßig unverzichtbaren Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung und geht sogar über die Aufgaben des Verfassungsschutzes hinaus.

1. Schutzbereich des Telekommunikationsgeheimnisses und Eingriff

Der Schutz des Telekommunikationsgeheimnisses umfasst den Kommunikationsinhalt ebenso wie die entsprechenden Umstände. Die öffentliche Gewalt soll grundsätzlich nicht die Möglichkeit haben, sich Kenntnis vom Inhalt der über Telekommunikationseinrichtungen abgewickelten Kontakte zu verschaffen. Dabei bezieht sich der Grundrechtsschutz auf alle mittels der entsprechenden Technik ausgetauschten Informationen. Zuletzt in der Entscheidung zum niedersächsischen Sicherheits- und Ordnungsgesetz betonte das Bundesverfassungsgericht, dass die freie Kommunikation leidet, wenn zu befürchten ist, dass der Staat entsprechende Kenntnisse verwertet (BVerfGE 113, 348 [365]).

Hieran gemessen werden durch § 5 Abs. 2 Nr. 11 i. V. m. § 7 Abs. 1 VSG NRW Eingriffe in das Telekommunikationsgeheimnis ermöglicht. Aufgrund der angegriffenen Normen kann der Verfassungsschutz sich Kenntnis von Kommunikationsinhalten, die über die Kommunikationseinrichtungen des Internets ausgetauscht werden, verschaffen. Über diese Möglichkeit zur (passiven) Registrierung der entsprechenden Inhalte hinaus erlaubt die genannte Norm, dass sich die Behörde am Austausch von Gedanken auch (aktiv) beteiligen darf, denn die Vorschrift erlaubt die heimliche Teilnahme an den Kommunikationseinrichtungen des Internet. Der Wortlaut weist darauf hin, dass es sich bei entsprechenden Maßnahmen des Verfassungsschutzes um einen Unterfall der Internetaufklärung handelt („insbesondere“). Der Verfassungsschutz wird insoweit nicht nur zur inhaltlichen Registrierung von Kommunikationen, sondern auch zur „mitbestimmenden“ Gestaltung von Angeboten des Internets ermächtigt.

Dabei kann zunächst dahinstehen, ob die aktive Teilnahme einer staatlichen Stelle an Diskussionen, etwa in Internet-Foren, dem Charakter einer nur passiven Registrierung entspricht. Zu bedenken ist insoweit, dass jeder Gedankenaustausch – gleich, wie viele Teilnehmer er hat – von jedem Beitrag mitbestimmt und der Inhalt der Kommunikation damit notwendig geändert wird. Voraussetzung hierfür ist jedenfalls, dass es zunächst zu einer Registrierung bzw. Überwachung der entsprechenden Kontakte, gewissermaßen als Vorstufe einer jeden Teilnahme, kommt. Es ist also festzustellen, dass die Vorschrift zu Eingriffen in die freie Kommunikation via Internet ermächtigt.

2. Mangelnde verfassungsrechtliche Rechtfertigung

Die Ermächtigung verstößt gegen den Grundsatz der Normenklarheit, beachtet nicht den verfassungsmäßig unverzichtbaren Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung und geht über die gesetzlichen Aufgaben des Verfassungsschutzes hinaus.

a) Verstoß gegen Gebot der Normenklarheit

Die Norm des § 5 Abs. 2 Nr. 11 VSG ist mit dem Gebot der Normenklarheit nicht vereinbar, weil sein Tatbestand nicht hinreichend verständlich regelt, unter welchen Bedingungen die Eingriffe zulässig sind.

Der Grundsatz der Normenklarheit verlangt, dass Beschränkungen einer gesetzlichen Grundlage bedürften, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben und damit dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entsprechen.

Die Vorschrift spricht von den Voraussetzungen des G10, die einschlägig sein sollen. Eine Verweisung auf bestimmte Normen des G10 nimmt das Gesetz nicht vor. Damit bleibt unklar, ob das G10 insgesamt in Bezug genommen werden soll: An anderer Stelle verweist das VSG NRW – selektiv – auf § 3 Abs. 1 G10 (vgl. § 5a Abs. 2 VSG NRW n. F.). Dies spricht dafür, dass im Falle des § 5 Abs. 2 Nr. 11 VSG NRW das Regelungsregime des G10 in Gänze Anwendung finden soll. Andererseits unterscheidet dieses Gesetz zwischen Voraussetzungen von Eingriffen ( § 3 G10) und Verfahrensregelungen ( § 9 G10). Das spricht dafür, dass nur auf § 3 G10 verwiesen werden soll. Dagegen spricht allerdings wiederum, dass das VSG NRW an anderer Stelle von der Überwachung des Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs „nach Maßgabe“ des G10 spricht ( § 5 Abs. 2 Nr. 10 VSG NRW). Worin der Unterschied in diesen Formulierungen liegen soll, kann sich dem Bürger nicht erschließen. Auch aus der Gesetzesbegründung ergeben sich insoweit keine Hilfen bei der Auslegung des gesetzgeberisch Gemeinten.

Damit bleibt das anzuwendende Regelungsregime insgesamt unklar, weil sich der Regelungsinhalt auch für einen verständigen Bürger nicht umfassend erschließt.

b) Fehlender obligatorischer Kernbereichsschutz

Zuletzt im Beschluss zur TKÜ-Befugnis im Außenwirtschaftsgesetz (BVerfGE 110, 33) hat das Bundesverfassungsgericht den Menschenwürdebezug des Telekommunikationsgeheimnisses herausgearbeitet: Bei der Neuregelung der entsprechenden Befugnisse des Zollkriminalamts seien diejenigen Grundsätze zu beachten, die in den Urteilen vom 14.7.1999 (BVerfGE 100, 313) und 3.3.2004 (BVerfGE 109, 279) niedergelegt sind. Zu sichern sei insbesondere ein hinreichender Rechtsschutz für sämtliche Betroffene gegenüber der Datenerhebung und Weiterverwendung sowie die Vernichtung nicht mehr benötigter oder rechtswidrig erhobener Daten. Schließlich sei die Kennzeichnung der erhobenen Daten bei der Verwendung zu weiteren Zwecken zu regeln (BVerfGE 110, 33 [76]). Aus diesen Ausführungen ergibt sich unmittelbar, dass auch im Bereich des Telekommunikationsgeheimnisses ein unantastbarer Kernbereich existiert, in den auch nicht im überragenden Allgemeininteresse eingegriffen werden darf. Denn die Tatsache, dass die Beteiligten räumlich getrennt sind und deshalb elektronische Kommunikationsmittel nutzen, schließt die Zuordnung ihres Kontakts zur unantastbaren Privatsphäre nicht aus (ebenso Gusy, in: Schaar (Hrsg.), Folgerungen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur akustischen Wohnraumüberwachung, Bonn 2005, S. 51). Zuletzt im bereits zitierten Urteil zur sog. präventiven Telekommunikationsüberwachung im Niedersächsischen Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung wurde festgestellt, dass die Bürger zur höchstpersönlichen Kommunikation zwar nicht in gleicher Weise auf Telekommunikation angewiesen seien wie auf eine Wohnung. Jedoch fordere die stets garantierte Unantastbarkeit der Menschenwürde auch im Gewährleistungsbereich des Art. 10 Abs. 1 GG Vorkehrungen zum Schutz individueller Entfaltung im Kernbereich privater Lebensgestaltung. Wie bei großen Lauschangriffen bedarf es folglich auch im Bereich der Telekommunikationsüberwachung kernbereichsschützender Eingriffsregelungen.

Entsprechende kernbereichsschützende Regelungen fehlen im VSG NRW ebenso wie im G10, auf das verwiesen wird. Die Grundrechtsträger können damit sinnvollerweise nicht darauf vertrauen, dass höchstpersönliche Kommunikationen, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, unangetastet bleiben. Das Gesetz unternimmt, im Gegensatz zu anderen Neuregelungen (etwa: § 100c StPO) nicht einmal den Versuch, das Risiko entsprechender Grundrechtsverletzungen zu minimieren. Selbst beim gezielten Ausschluss anderer Teilnehmer (etwa in den genannten „Channels“) aus Gründen des Schutzes höchstpersönlicher Kommunikation ist ein unüberwachter Gedankenaustausch nicht mehr gewährleistet.

Unbeachtlich ist insoweit, dass die in Bezug genommenen Regelungen nicht mehr (selbstständig) mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden können ( § 93 Abs. 3 BVerfGG). Denn die Neuregelung lässt den obligatorischen Kernbereichsschutz durch den unbeschränkten Verweis auf eine insoweit verfassungsrechtlich unzulängliche Regelung im G10 außer Acht.

c) Überschreiten der Aufgaben des Verfassungsschutzes

Die Neuregelung ist schließlich verfassungswidrig, weil sie über die Aufgabe des Verfassungsschutzes, die in § 3 Abs. 1 VSG NRW mit der „Sammlung und Auswertung von Informationen“ beschrieben wird, hinausgeht. Mit ihr wird die Unterscheidbarkeit von staatlichem Einfluss und nicht-staatlichen Bestrebungen aufgegeben. Der gestattete gezielte und wirksame Einfluss auf nicht-staatliche Entscheidungsprozesse macht diese letztlich zu einer (auch) „staatlichen Veranstaltung“.

Soweit ersichtlich handelt es sich bei der angegriffenen Regelung um die erste, die eine Teilnahme einer Verfassungsschutzbehörde an der Meinungsbildung von Beobachtungsobjekten zum Gegenstand hat: Der Gesetzesbegründung ist zu entnehmen, dass unter anderem die legendierte Teilnahme an Internet-Chats legalisiert werden sollte. In solchen offenen oder geschlossenen Chats werden Meinungen gebildet, ausgetauscht und weiterentwickelt. Sie tragen insoweit maßgeblich zur interaktiven Meinungsbildung in den entsprechenden Szenen bei oder bestimmen diese. Der Verfassungsschutz wird durch die Befugnis zur Teilnahme zum Akteur innerhalb solcher Meinungsbildungsprozesse.

Die nicht nur passive Beobachtung bzw. Überwachung von Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung ist bereits Gegenstand von verfassungsgerichtlichen Erörterungen gewesen. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat in seinem Beschluss, der die Einstellung des NPD-Verbotsverfahrens zum Gegenstand hatte (BVerfGE 107, 339), nachdrücklich die Bedeutung von staatlicher Einflussnahme auf Meinungsbildungsprozesse herausgestellt: Ein gezielter und wirkungsvoller Einfluss auf die Willensbildung relevanter Gliederungen einer vom Verfassungsschutz beobachteten Partei könne diese zu einer „Veranstaltung des Staates“ machen. Dies könne gar dazu führen, dass ihr der Status als Partei abgesprochen werden müsse (BVerfG, aaO, 366). Das Bundesverfassungsgericht hatte freilich bislang keinen Anlass, zu den Grenzen zulässiger Beobachtung politischer Parteien durch staatliche Behörden mit nachrichtendienstlichen Mitteln grundsätzlich Stellung zu nehmen (BVerfG, aaO, 362). In hiesigem Zusammenhang stellt sich aber die Frage, welche Konsequenzen die aktive staatliche Teilnahme an nicht-staatlichen Kommunikationsprozessen hat.

aa) Jede Mitwirkung an einer (kollektiven) Kommunikation verändert bzw. ergänzt notwendig ihren Inhalt und führt zu einem anderen Verlauf oder gar anderen Ergebnissen, als dies ohne eine solche Teilnahme der Fall wäre. Auch die Verhaltensweisen der Teilnehmer entsprechender Diskurse können sich ändern. Sofern der Charakter eines Diskurses sich ändert, kann sich auch die Teilnehmerschaft wandeln: Einzelne Individuen mögen sich abwenden, andere mögen den Inhalt von Diskussionen als attraktiv empfinden und sich selber beteiligen. In jedem Fall lassen sich Mitwirkung und Kommunikationsverlauf nicht voneinander trennen.
Diese Überlegungen gelten unabhängig von den Umständen der Kommunikation. Insbesondere ist ohne Belang, ob diese im persönlichen Austausch oder unter den Bedingungen räumlicher Distanz mithilfe von elektronischen (oder anderen) Hilfsmitteln, etwa den Kommunikationseinrichtungen des Internets, stattfinden.

bb) Die staatliche Teilnahme an nicht-staatlichen Diskursen hat vor diesem Hintergrund weitreichende Folgen. Wenn es richtig ist, dass die staatliche Präsenz auf der Führungsebene einer Partei Einflussnahmen auf deren politische Willensbildung und Tätigkeit unvermeidbar macht (so BVerfGE 107, 339 [366]), so stellt sich nicht nur die Frage nach dem Grade der Beeinflussung, wenn eine geheimdienstliche Präsenz auf niederen Parteiebenen wirkt, sondern auch diejenige, welchen Einfluss beeinflussende Teilnahmen an Meinungsbildungsprozessen auf nicht-hierarchisch gegliederte Organisationsformen haben.

Im Gegensatz zu Parteien haben weniger verbindlich strukturierte Personenzusammenschlüsse keinen entsprechend identifizierbaren „Parteiwillen“, der sich etwa in Wahlprogrammen, Parteitagen oder Parteiorganen (Zeitschriften etc.) manifestierte. Generell besitzt die Meinung von aktiveren Angehörigen solcher Gruppen bei kollektiven Willensbildungsprozessen ein im Vergleich zu Wortmeldungen einfacher Parteimitglieder im Rahmen von innerparteilichen Debatten gesteigertes Gewicht bei der Bildung des „Organisationswillens“. Das Entsprechende gilt, wenn sich staatliche Stellen an kollektiven Kommunikationen beteiligen.

Daraus folgt: Je nach Beobachtungsobjekt von Verfassungsschutzbehörden kann die staatliche Teilnahme an kollektiven Meinungsbildungsprozessen von mehr oder weniger erheblichem Gewicht sein. Je nach organisatorischem/ programmatischem/ personellem Status einer Bestrebung kann diese von maßgeblicher Bedeutung sein.

cc) Im Fall der Teilnahme von V-Leuten an Meinungsbildungsprozessen auf der Führungsebene einer Partei führte eine solche Mitwirkung staatlicher Stellen am kollektiven Meinungsbildungsprozess der Partei zu einem Verfahrenshindernis im entsprechenden Verbotsverfahren. Zur Begründung wurde insoweit ausgeführt, dass die Prüfung der Verfassungswidrigkeit einer Partei nur dann möglich sei, wenn vor oder während der verfassungsgerichtlichen Prüfung ein staatlicher Einfluss auf die Willensbildung oder Tätigkeit der Partei weitgehend ausgeschlossen werden kann (BVerfGE 107, 339 [365 ff.]). Ausdrücklich wird die verfassungsrechtlich begründete Aufgabe der Sicherheitsbehörden dort mit der Beobachtung von Gruppen und Parteien umschrieben. Es wird mithin eine Beschränkung der sicherheitsbehördlichen Aufgaben auf eine passive Überwachung „von außen“ vorgenommen. Die Gründe hierfür sind nach dem Gesagten darin zu sehen, dass es dem Staat verwehrt sein soll, Personenzusammenschlüsse (auch mit verdeckten Ermittlungsmethoden) einer Kontrolle zu unterwerfen, bei denen eine staatliche Anteilnahme das zu Registrierende mitbestimmt. Die staatliche Überwachung von Bestrebungen, die ihren Charakter durch aktive staatliche Mitwirkung erlangen, soll damit ausgeschlossen werden.

dd) Damit ist festzustellen: Eine Teilnahme, wie sie von § 5 Abs. 2 Nr. 11 VSG NRW nunmehr gestattet ist, führt je nach Intensität der Teilnahme des Geheimdienstes an Kommunikationen verfassungswidriger Bestrebungen zu einer Beobachtung eigenen Wirkens. Damit wird die verfassungsrechtliche Rechtfertigung, die lediglich auf eine (passive) Beobachtung solcher Bestrebungen bezogen ist, grundsätzlich in Frage gestellt.

II. Verfassungswidrigkeit des § 5 Abs. 2 Nr. 11 i. V. m. § 7 Abs. 1 VSG NRW – Sonstiges Aufklären des Internets –

Die Regelung erlaubt neben der Teilnahme an den Kommunikationseinrichtungen des Internets auch andere verdeckte Maßnahmen der Aufklärung des Internets. Die Befugnis genügt nicht dem Grundsatz der Normenklarheit und ist auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit zu beanstanden.

1. Schutzbereich der informationellen Selbstbestimmung und Eingriff

Betroffen durch diese Ermächtigung ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (RiS – BVerfGE 65, 1 [41 ff.]). Dieses Grundrecht gewährleistet nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts den Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten: Es umfasst insoweit die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Das RiS dient dabei auch dem Schutz vor Einschüchterungseffekten, die entstehen und zu Beeinträchtigungen bei der Ausübung von Grundrechten führen könnten, wenn für den Einzelnen nicht mehr erkennbar ist, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über ihn weiß. Die Freiheit des Einzelnen, aus eigener Selbstbestimmung zu planen und zu entscheiden, kann dadurch wesentlich gehemmt werden. Ein von der Grundrechtsausübung abschreckender Effekt fremden Geheimwissens muss nicht nur im Interesse der betroffenen Individuen vermieden werden. Auch das Gemeinwohl wird hierdurch beeinträchtigt, weil Selbstbestimmung eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungs- und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger gegründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens ist (zuletzt BVerfG, 2 BvR 1345/03 v. 22.8.2006, Abs. 65).

In diesen Schutzbereich wird durch die Befugnis des Verfassungsschutzes NRW zur Aufklärung des Internets eingegriffen, weil sie unter anderem die Erfassung von Inhalten des Internets auf Homepages, deren Inhabern sowie von Zugriffen auf Angebote des Internets zum Gegenstand hat. Die Gesetzesbegründung führt hierzu aus, dass neben der Beobachtung der offenen Internetseiten auch die legendierte (=verdeckte) Teilnahme an Auktionen und Tauschbörsen, die Feststellung der Domaininhaber, die Überprüfung der Homepagezugriffe und das Auffinden verborgener Webseiten ermöglicht werden solle (LT-Drucks. 14/2211, S. 17). Daraus ergibt sich unmittelbar, dass es um die Erfassung und Nutzung personenbezogener Daten geht, nämlich die Identifizierung von Individuen und deren Verhaltensweisen bei der Nutzung des Internets. Hierüber lassen sich Interessen, Gewohnheiten und Vorlieben bis hin zum Konsumverhalten von Individuen erfassen. Eine solche Aufklärungsarbeit im Vorfeld konkreter Beeinträchtigungen von Rechtsgütern – verfassungsschutzrelevante Inhalte sollen durch die Befugnis ja gerade erst ausfindig gemacht werden („Suche nach ihnen“) – bringt notwendig die Auswertung von unverdächtigen Angeboten zwecks ihres Ausschlusses von der weiteren Beobachtung mit sich. Tatsächlich gehört es im Fall solcher Aufklärungsarbeit zum Normalfall, dass völlig unverdächtige Personen in den Blick der Verfassungsschutzbehörde geraten, etwa deswegen, weil sie eine vom Geheimdienst besonders beobachtete Homepage besuchen oder an einer Versteigerung bei einem der einschlägigen Internet-Auktionshäuser (ebay etc.) teilnehmen. Jeweils werden Unbeteiligte notwendig ohne ihr Wissen einbezogen. Die Maßnahmen besitzen damit eine, wie das Bundesverfassungsgericht an anderer Stelle formulierte, erhebliche „Streubreite“ (BVerfGE 113, 348 [363]).

Daraus folgt: Die angegriffenen Regelungen bedeuten eine erhebliche Beeinträchtigung einer unüberwachten Nutzung von Internetangeboten. Niemand kann sich mehr sicher sein, bei der Nutzung solcher Angebote nicht mit verfassungsschutzseitig beeinflussten Inhalten und Angeboten konfrontiert zu sein. Im Fall der Teilnahme des Verfassungsschutzes an Internet-Auktionen kommt gar eine Mitgestaltung von Marktwerten für versteigerte Produkte in Betracht.

Für die Beschwerdeführer (wie für alle anderen Nutzer ebenso) bedeutet dies, dass sie in der Ausübung ihrer Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 GG in Gestalt der Informationsfreiheit und der Meinungsfreiheit – im Fall der Bf. zu 1 schließlich auch der Pressefreiheit – latent erheblich beeinträchtigt sind, weil etwa besuchte Chatrooms künftig permanent unter dem Verdacht staatlicher Manipulation stehen. Überdies müssen sie von ihrer Erfassung der konkreten Nutzung bestimmter Angebote rechnen. Das beeinträchtigt die Beschwerdeführer in schwerwiegendem Maße in ihrer Freiheit, sich selbstbestimmt aus Internetangeboten zu informieren und bestimmte Auffassungen in Internet-Foren oder auf ihren Homepages zu verbreiten. Die staatliche Beeinflussung hat damit erhebliche Konsequenzen für Internet-Nutzer und führt unweigerlich zur steten Vorsicht und damit zur nicht mehr selbstbestimmten Ausübung der genannten Grundrechte.

2. Mangelnde verfassungsrechtliche Rechtfertigung

Beschränkungen der Informationellen Selbstbestimmung bedürften einer gesetzlichen Grundlage, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben und damit dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entsprechen. Keinesfalls dürfen sich Befugnisse außerhalb des gesetzlich definierten Aufgabenbereichs befinden. Diesen Anforderungen genügt die Befugnis zur heimlichen Aufklärung des Internets auch insoweit nicht, als nicht Kommunikationen betroffen sind.

a) Verstoß gegen Gebot der Normenklarheit
Das Gesetz sieht nicht mit hinreichender Klarheit vor, unter welchen Voraussetzungen nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 VSG NRW, sondern die Bestimmungen des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz (G10) einschlägig sein sollen. Unklar ist auch wiederum, welche Bestimmungen aus dem Gesetz zu Art. 10 Grundgesetz für Eingriffe relevant sein sollen.
Die angegriffene Befugnis sieht eine Differenzierung der Eingriffsvoraussetzungen danach vor, ob die Beschränkungen einen Eingriff in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis darstellen bzw. diesem in Art und Schwere gleichkommen oder dies nicht der Fall ist. Gerade letztgenannte Alternativen sind für die betroffenen Bürger der Beschränkungen nicht hinreichend bestimmbar: Ist etwa das per Maus-Klick abgegebene Kaufangebot, mit dem eine Person in den kommerziellen Wettbewerb mit dem Verfassungsschutz um die Gunst eines Verkäufers tritt, ein Eingriff, der nach Art und Schwere mit einem solchen in Art. 10 GG gleichkommt? Oder stellt die Registrierung derjenigen Nutzer, die absichtlich oder aus Versehen die URL einer verfassungsschutzseitig beobachteten Homepage wählen, einen entsprechend schwergewichtigen Eingriff in ihre Rechte dar? Immerhin sind aus einem entsprechenden Verhalten Rückschlüsse auf individuelle Interessen – gleich welcher Art – möglich (s. o.). Die Unklarheit, die ihren Ausdruck in entsprechenden Fragen finden, lässt es für die Betroffenen offen, wie hoch das Risiko einer staatlichen Erfassung ihres Verhaltens bei der Inanspruchnahme von Internetangeboten ist.
Völlig unklar bleibt auch, wer überhaupt die Entscheidung darüber trifft, wann ein Eingriff nach Art und Schwere einer Art. 10 GG-Beschränkung vorliegt. Auch verfahrensmäßig bleiben die Voraussetzungen der Maßnahmen im Dunklen.
Generell bergen Verweisungen auf Vorschriften anderer Regelungswerke Risiken für die Erkennbarkeit einer gesetzlichen Ermächtigung. Das hat nicht zuletzt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Außenwirtschaftsgesetz nachdrücklich gezeigt (BVerfGE 110, 33). Selbst wenn man im Falle des VSG NRW nicht von „kaskadenartigen Verweisungsketten“ ausgehen kann, so zeigt der Verzicht auf eine gesetzgeberisch präzise Festlegung jedoch, dass mit einer solchen Regelungstechnik vermeidbare Unklarheiten auf Seiten der Normadressaten entstehen. Im Fall des VSG NRW ist es gerade die uneinheitliche Bezugnahme auf das G10, die eine systematische Auslegung der angegriffenen Norm unmöglich macht.

b) Überschreiten der Aufgaben des Verfassungsschutzes

Die Befugnis des Verfassungsschutzes zur Teilnahme an Auktionen, Tauschbörsen etc. ist auch deswegen verfassungswidrig, weil sich die Befugnis nicht innerhalb der gesetzlichen Aufgaben der Behörde befindet.
Wie auch die Teilnahme an Kommunikationen geht die aktive Teilnahme an Internet-Auktionen und Tauschbörsen über eine bloße Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere sach- und personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen ( § 3 Abs. 1 VSG NRW) hinaus.
Die Teilnahme des Verfassungsschutzes an den beschriebenen Angeboten des Internet hat wiederum gestaltende Wirkung, indem eine Nachfrage nach bestimmten Gegenständen deren Marktwert mitbestimmt oder eine entsprechende Nachfrage überhaupt erst schafft.
Es zeigt sich also wiederum, dass es sich bei den zu erlangenden Erkenntnissen um solche handelt, die einer staatlichen Mitgestaltung unterliegen. Eine „neutrale“ Bewertung „von außen“ ist damit nicht mehr gegeben. Insofern ist auf die obigen Ausführungen zu verweisen.

III. Verfassungswidrigkeit des § 5 Abs. 2 Nr. 11 i. V. m. § 7 Abs. 1 VSG NRW – „Online-Durchsuchungen“ –

Die Befugnis des § 5 Abs. 2 Nr. 11 VSG NRW erlaubt den heimlichen Zugriff auf „informationstechnische Systeme“. Der Gesetzesbegründung ist zu entnehmen, dass hiermit der Zugriff auf gespeicherte Computerdaten ermöglicht werden soll. Für eine solche Ermittlungsmethode hat sich der Begriff der verdeckten „Online-Durchsuchung“ durchgesetzt; er soll auch hier verwendet werden.
Die Ermächtigung ist mit dem Wohnungsgrundrecht aus Art. 13 GG nicht vereinbar. Sie kann auch vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Kernbereich privater Lebensgestaltung keinen Bestand haben. Schließlich verstößt sie auch gegen das Zitiergebot aus Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG.

1. Schutzbereich des Wohnungsgrundrechts und Eingriff

Die Befugnis zum heimlichen Zugriff auf informationstechnische Systeme, wozu nach der Gesetzesbegründung der „Zugriff auf gespeicherte Computerdaten“ gehört (LT-Drucks. 14/2211, S. 17) umfasst Eingriffe in den Schutzbereich von Art. 13 Abs. 1 GG.
Art. 13 Abs. 1 GG sichert das Recht, in der eigenen Wohnung als räumliche Sphäre der Privatheit und als Mittelpunkt der menschlichen Existenz „in Ruhe gelassen zu werden (BVerfGE 109, 279 [309]). Richtig wird daher von einem besonderen Privatsphärenschutz der Wohnung gesprochen (ausführlich Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/1, München 2006, S. 212 ff.). Dabei würde der Schutzzweck der Grundrechtsnorm vereitelt, wenn der Schutz vor einer Überwachung der Wohnung durch technische Hilfsmittel, auch wenn sie von außerhalb der Wohnung eingesetzt werden, nicht von der Gewährleistung des Absatzes 1 umfasst wäre (BVerfGE 109, 279 [309]). Im Sinne eines entsprechend weit verstandenen Schutzbereiches können – auch angesichts sich stetig ändernder Rahmenbedingungen – neben dem physischen Eindringen und der optischen oder akustischen Überwachung auch andere Ausforschungen mittels elektronischer Hilfsmittel die Privatsphäre beeinträchtigen (AK-GG-Berkemann, Art. 13. Rdnr. 59). Maßgeblich ist demzufolge, dass personenbezogene Umstände einschließlich Kommunikationsvorgängen, nonverbalen Interaktionen oder andere Verhaltensweisen gerade durch ihre Verwirklichung in der räumlich abgeschotteten Wohnung einen besonderen Schutz genießen und sich damit als „konkretisierte Privatsphäre“ darstellen.

Deshalb kann das Wohnungsgrundrecht selbst dann einschlägig sein, wenn Kommunikationen anlässlich der – originär von Art. 10 Abs. 1 GG geschützten – Nutzung von Telekommunikationseinrichtungen staatlich erfasst werden: Richtigerweise stellte der BGH fest, dass das anlässlich eines nur vermeintlich beendeten Telefongesprächs mitgehörte Raumgespräch dem Schutz von Art. 13 GG unterfällt (BGHSt 31, 296 ff.). Derselbe Schutz gilt für Raumgespräche, die nach Abnahme des Hörers mitgehört werden können (Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl., München 2006, § 100a Rdnr. 1). Werden also Gegenstände in die Wohnung verbracht, gerade um sie der öffentlichen Wahrnehmbarkeit zu entziehen, oder materialisieren sich Gedanken (etwa im Sinne tagebuchartiger Aufzeichnungen) eben aus diesem Grunde innerhalb der eigenen vier Wände, so nehmen sie am spezifischen Schutz teil. Dasselbe muss für entsprechende Datenbestände gelten, die auf dem Personalcomputer angelegt, gespeichert und ggf. gut verschlüsselt werden.

Nicht etwa kann der PC nur deswegen als „Exklave“ innerhalb der Wohnung verstanden werden, weil er auch der Kommunikation mit der Außenwelt dient (E-Mail-Verkehr etc.). Ansonsten bestünde ein unterschiedlicher grundrechtlicher Schutz von Datenbeständen auf Internet-Rechnern und solchen Computern, die nicht mit dem Internet verbunden sind. Auch die gesetzlichen Beschränkungsmöglichkeiten (etwa § 102 ff. StPO) stellten nur in letzterem Fall einen Eingriff in Art. 13 Abs. 1 GG dar, während die verdeckte Online-Durchsuchung lediglich einer Beschränkung des informationellen Selbstbestimmungsrechts entspräche. Das erschiene im Sinne eines möglichst umfassenden Grundrechtsschutzes – hier im Gewährleistungsbereich von Art. 13 GG – keineswegs akzeptabel.

Dateien mit persönlichen Bildern oder die genannten tagebuchartigen Aufzeichnungen müssen denselben Schutz genießen wie das im Wohnzimmerregal stehende Fotoalbum oder Tagebuch. Dasselbe muss für eingescannte Briefe oder andere Dokumente gelten, die zwecks weiterer Verwendung in digitalisierter Form auf dem heimischen Datenspeicher abgelegt werden. Beschränkungen sind insoweit stets an der Gewährleistung des Wohnungsgrundrechts zu messen.

In eine ähnliche Richtung argumentiert auch der BGH in seinem Beschluss vom 31.1.2007 (StB 18/06): Im Vergleich zu einer (offen durchgeführten) Wohnungsdurchsuchung handele es sich bei einer verdeckten Online-Durchsuchung um eine eingriffsintensivere Grundrechtsbeschränkung. Ausdrücklich verbietet der Senat richterliche Anordnungen, die von vornherein darauf abzielen, bei ihrem Vollzug die gesetzlichen Schutzvorschriften des § 105 Abs. 2 und des § 106 Abs. 1 StPO außer Kraft zu setzen (S. 6). Entsprechende Erwägungen weisen darauf hin, dass die verdeckte Online-Durchsuchung in jedenfalls charakterlicher Nähe zu einer offenen Wohnungsdurchsuchung steht, diese in ihrer Eingriffsintensität aber übertreffen. Tatsächlich haben beide Maßnahmen im Einzelfall auch die Beschlagnahme identischer Datenbestände zum Gegenstand. Es kann nach alledem keinen Unterschied machen, ob ein Rechner einen Internet-Zugang hat oder nicht.

Der hier vertretenen Auffassung steht auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 2006 (NJW 2006, 976 ff.) nicht entgegen. Das Gericht hatte dort über den Schutz von Verbindungsdaten zu entscheiden, die noch auf einem in der Wohnung stehenden PC gespeichert waren. Einschlägig ist insofern das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Diese Judikatur steht dem Schutz der hier in Rede stehenden Datenbestände nicht entgegen, weil Verbindungsdaten weder direkte Rückschlüsse auf Kommunikationsinhalte erlauben, noch es sich um Daten handelt, die unabhängig von einer Nutzung des PCs als Kommunikationsmittel anfallen.

In den insoweit eröffneten Schutzbereich greifen Maßnahmen des Zugriffs auf gespeicherte Computerdaten ein: Bei der verdeckten „Online-Durchsuchung“ handelt es sich um die Suche nach verfassungsschutzrelevanten Inhalten auf Datenträgern, die sich nicht im direkten physikalischen Zugriff der Sicherheitsbehörden befinden, sondern nur über Kommunikationsnetze erreichbar sind (Rux, demnächst in: JZ 2007 m. w. N.). Sie kann also die räumliche Abschottung einer Wohnung mittels einschlägiger Spionagesoftware (etwa sog. „Trojanern“) überwinden. Auf diese Weise können Datenbestände erfasst werden, die sonst nur anlässlich einer Wohnungsdurchsuchung, insbesondere durch die Beschlagnahme einer Festplatte oder anderem Datenträger, einer staatlichen Registrierung unterlägen. Der besondere Privatsphärenschutz der Wohnung wird damit partiell, beschränkt nämlich auf die elektronisch „abrufbaren“ Informationen, aufgehoben (ausführlich Rux, demnächst in: JZ 2007). Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn sich der auszulesende Computer nicht in einer räumlich geschützten/abgeschotteten Umgebung befände.

2. Mangelnde verfassungsrechtliche Rechtfertigung

Die Regelung genügt nicht den Schranken des Wohnungsgrundrechts (Art. 13 Abs. 3 bis 7 GG). Sie ist auch deswegen verfassungswidrig, weil sie keine kernbereichsschützenden Regelungen enthält und darüber hinaus auch nicht dem Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 GG genügt.

a) Unvereinbarkeit mit den Grundrechtsschranken

Erkennbar genügen die tatbestandlichen Voraussetzungen der angegriffenen Vorschrift nicht den Grundrechtsschranken des Art. 13 GG. Weder handelt es sich vorliegend um Strafverfolgung (Absatz 3), noch um die Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit (Absatz 4), den Schutz einer bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Person (Absatz 5) oder die Abwehr einer sonstigen gemeinen oder Lebensgefahr (Absatz 7). Tatsächlich erlaubt die Regelung die sog. „Online-Durchsuchung bereits dann, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass auf diese Weise Erkenntnisse über Bestrebungen oder Tätigkeiten nach § 3 Abs. 1 VSG oder die zur Erlangung solcher Erkenntnisse erforderlichen Quellen gewonnen werden können ( § 7 Abs. 1 Nr.1 VSG NRW).
Die Regelung genügt auch in verfahrensmäßiger Hinsicht nicht den Schrankenregelungen des Art. 13 GG, da ein Richtervorbehalt (Art. 13 Abs. 3 bis 5 GG) nicht vorgesehen ist.

b) Fehlen kernbereichsschützender Regelungen

Verfassungswidrig ist die Regelung auch, weil sie keine Vorkehrungen zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung vorsieht. Dieses – im Übrigen auch für Eingriffe in andere Grundrechte (etwa: Art. 10 GG) geltende – Obligo verlangt gesetzliche Regelungen zur Minimierung der Verletzung des unantastbaren Kernbereichs privater Lebensgestaltung (s. o.). Im Fall der Online-Durchsuchung ist das Risiko, dass Sachverhalte betroffen werden, die diesem Bereich angehören, durchaus erheblich: Namentlich die auf einem Rechner gespeicherte Kommunikation zwischen Personen des höchstpersönlichen Vertrauens – betroffen ist in diesem Fall neben Art. 13 auch Art. 10 GG – unterliegt nach der geltenden Regelung keinem spezifischen Schutz. Aber auch die Bewertung anderweitiger Datenbestände kann den Kernbereich privater Lebensgestaltung verletzen. Das gilt namentlich für tagebuchartige Text- oder Bilddateien, die Einblicke in die Intimsphäre gestatten.

Diese Datenbestände dürfen nach der geltenden Befugnis zum heimlichen Zugriff auf informationstechnische Systeme auf ihre Relevanz für die Aufgabenerfüllung des Verfassungsschutzes gesichtet werden. Dies ist mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung nicht vereinbar.

c) Verstoß gegen das Zitiergebot

Über die genannten Bedenken hinaus verletzt das Änderungsgesetz auch das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG. Nach dieser Vorschrift muss ein Gesetz dasjenige Grundrecht unter Angabe des Artikels benennen, das durch dieses Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes eingeschränkt wird. Das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung wird durch Art. 13 Abs. 1 GG geschützt und steht unter qualifizierten Gesetzesvorbehalten (Art. 13 Abs. 2 bis 5 und 7 GG). Das Zitiergebot findet Anwendung auf Grundrechte, die aufgrund ausdrücklicher Ermächtigung vom Gesetzgeber eingeschränkt werden dürfen, mithin auch auf das Wohnungsgrundrecht. Die Verletzung des Zitiergebots führt zur Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes (BVerfGE 113, 348 [366] m. w. N.).
Mit der angegriffenen Regelung wird eine neue Eingriffsgrundlage geschaffen, die Eingriffe – wenn auch nicht in jedem denkbaren Anwendungsfall – in das Wohnungsgrundrecht erlaubt. Die Nennung des Art. 13 GG war damit zwingend erforderlich.

IV. Verfassungswidrigkeit des § 5 Abs. 3 VSG NRW
– Zu weitreichende Ausnahmen von Benachrichtigungspflichten –

Für sich genommen ist auch die Regelung zur Benachrichtigung von Betroffenen nach § 5 Abs. 3 VSG NRW mit dem Anspruch effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG nicht vereinbar. Einer Beanstandung unterfallen die zahlreichen Ausnahmen in § 5 Abs. 3 Satz 2 VSG NRW.

1. Schutzbereich und Eingriff

Die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG gebietet grundsätzlich eine Benachrichtigung der von heimlichen Datenerhebungen Betroffenen, wenn dies Voraussetzung für die Möglichkeit der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes ist. Begrenzungen dieses Anspruchs nach Art. 19 Abs. 4 GG, der einer gesetzlichen Ausgestaltung zugänglich ist, sind allerdings nicht völlig ausgeschlossen (vgl. BVerfGE 100, 313 [364]; 109, 279 [364]).
Die Benachrichtigungspflicht dient der Gewährleistung effektiven Schutzes der hier betroffenen Grundrechte. Demzufolge sind grundsätzlich all diejenigen von der heimlichen Maßnahme zu unterrichten, in deren Grundrechte durch sie eingegriffen worden ist und denen somit Rechtsschutzmöglichkeiten und Anhörungsrechte offen stehen müssen (zuletzt BVerfGE 109, 279 [364 f.]. Eine Benachrichtigungspflicht kann demnach nicht nur auf die Zielpersonen des Verfassungsschutzes beschränkt sein. Einen Anspruch auf Benachrichtigung haben vielmehr auch diejenigen Grundrechtsträger, die im Zuge der Maßnahmen von vergleichbar gewichtigen Eingriffen betroffen gewesen sind.

Die Eingrenzung der Benachrichtigungspflicht stellt ihrerseits einen Eingriff in die Grundrechte – betroffen von der Ermächtigung des § 5 Abs. 2 VSG NRW sind das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das Telekommunikationsgeheimnis und die Unverletzlichkeit der Wohnung – in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG dar, der einer Rechtfertigung bedarf und damit auch den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit genügen muss. Da die Zurückstellung der Benachrichtigung die Rechtsschutzmöglichkeiten verzögert und mit zunehmendem zeitlichen Abstand zu der angeordneten Maßnahme die Effektivität des Rechtsschutzes abnimmt, ist die Zurückstellung auf das unbedingt Erforderliche zu beschränken (BVerfGE 100, 313 [365, 398 f.]; 109, 279 [364]).
Die angegriffene Regelung hat weitreichende tatbestandliche Einschränkungen des Anspruchs der Betroffenen auf Benachrichtigung zum Gegenstand. In personeller Hinsicht sieht die Vorschrift überhaupt nur die Unterrichtung derjenigen Grundrechtsträger vor, zu denen die mit nachrichtendienstlichen Mitteln erlangten Informationen erfasst wurden. Unter bestimmten Voraussetzungen kann von einer Benachrichtigung sogar endgültig abgesehen werden ( § 5 Abs. 3 Nr. 5 VSG NRW).

2. Mangelnde verfassungsrechtliche Rechtfertigung

Der endgültige Verzicht auf eine Benachrichtigung der von den Datenerhebungen Betroffenen ist ausschließlich im Gewährleistungsbereich des Art. 10 GG statthaft. Die Regelung geht hierüber allerdings hinaus. Sie genügt auch nicht dem Erfordernis der Normenklarheit und ist schließlich auch deswegen verfassungswidrig, weil die Ausnahmetatbestände zu weitreichend sind und den Anspruch der Betroffenen auf effektiven Rechtsschutz unangemessen beeinträchtigen.

a) Unzulässiger endgültiger Ausschluss der Benachrichtigung

Ein endgültiger Ausschluss der Benachrichtigung ist mit der Gewährleistung des Art. 19 Abs. 4 GG i. V. m. den durch die Eingriffe jeweils betroffenen Grundrechten nur im Fall des Art. 10 GG statthaft. Die Schrankenregelung des Art. 10 Abs. 2 Satz 2 GG sieht einen solchen Ausschluss nur vor, wenn die Beschränkungsmaßnahmen dem Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des Bestandes oder der Sicherung des Bundes oder eines Landes dienten. Bei Eingriffen in andere Grundrechte ist ein endgültiges Absehen von der Mitteilung an die Betroffenen im Grundgesetz überhaupt nicht vorgesehen und damit generell unzulässig (Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Kommentar, 8. Aufl., München 2006, Art. 10 Rdnr. 20).

Der Anwendungsbereich des § 5 Abs. 3 VSG NRW hat Maßnahmen zum Gegenstand, die Eingriffe in das Telekommunikationsgeheimnis bedeuten. Insbesondere aber können auch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und – wie im Fall der „Online-Durchsuchung“ – das Wohnungsgrundrecht tangiert werden. Während in Fällen von Art. 10 GG-Beschränkungen die Mitteilung unter engen Voraussetzungen unterbleiben darf, ist dies in anderen Fällen verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen. Sofern die in § 5 Abs. 2 VSG NRW genannten nachrichtendienstlichen Mittel eingesetzt wurden, sind sie den Betroffenen also – mit den genannten Ausnahmen – grundsätzlich mitzuteilen. § 5 Abs. 3 Nr. 5 VSG NRW ist mit diesem Erfordernis nicht zu vereinbaren.

b) Verstoß gegen Grundsatz der Normenklarheit

Die einschlägige Benachrichtigungsregelung in § 5 Abs. 3 VSG NRW ist in Ansehung der Vorschrift in § 7 Abs. 3 VSG NRW widersprüchlich. Dies ist mit dem Erfordernis der Widerspruchsfreiheit von Gesetzen nicht in Einklang zu bringen (BVerfGE 108, 169 [181 ff]).
Die Vorschriften der § § 5 Abs. 3 und 7 Abs. 3 VSG NRW überschneiden sich teilweise in ihrem Anwendungsbereich, sehen die Benachrichtigung aber unter unterschiedlichen Voraussetzungen vor: § 5 Abs. 3 VSG NRW regelt eine Mitteilung an die Betroffenen für alle mit nachrichtendienstlichen Mitteln erlangten Informationen einheitlich. Diesbezüglich sind in Absatz 3 Nr. 1 bis 5 zahlreiche Ausnahmetatbestände vorgesehen. Wie die Vorschrift in § 5 Abs. 2 VSG NRW selber regelt, handelt es sich dabei u. a. auch um Eingriffe in Art. 10 GG bzw. solche, die nach Art und Schwere solchen Beschränkungen gleichkommen.

Auch § 7 Abs. 3 VSG NRW hat die Benachrichtigung von Betroffenen zum Gegenstand: Demnach sind bei solchen Erhebungen von personenbezogenen Daten nach Absatz 1 – hierbei handelt es sich um die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel nach § 5 Abs. 2 VSG NRW) -, die in ihrer Art und Schwere einer Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses gleichkommen, die Betroffenen immer dann zu unterrichten, sobald eine Gefährdung des Zwecks der Eingriffe ausgeschlossen werden kann ( § 7 Abs. 3 Nr. 1 VSG NRW).
Es zeigt sich mithin: Für dieselben Eingriffe existieren zwei unterschiedliche Benachrichtigungsregelungen. Das erscheint angesichts der Tatsache, dass es sich nur bei § 5 Abs. 3 VSG um eine Neuregelung handelt, nicht nachvollziehbar. Denn mit ihm wird eine vorhandene Benachrichtigungsregelung von ihrem Anwendungsbereich teilweise überlagert, ohne eine „Nicht-Berührung“ der vorhandenen Regelung vorzusehen. Damit widersprechen sich die Normen. Die Neuregelung des § 5 Abs. 3 VSG NRW ist daher mit dem Grundsatz der Normenklarheit nicht zu vereinbaren.

c) Verstoß gegen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz

Die Regelungen des § 5 Abs. 3 Satz 2 VSG sind insgesamt zu weit gefasst und daher mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Ausprägung der Angemessenheit nicht vereinbar.

aa) Nicht von vornherein ist zu beanstanden, dass in § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 VSG NRW eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung zum vorläufigen Absehen von der Benachrichtigung führen kann. Jedoch wird eine Spezifizierung der Gefährdung nicht vorgenommen, womit vom Wortlaut der Regelung her jede Gefährdung der Aufgabenerfüllung ohne hinreichenden Bezug zu der konkreten nachrichtendienstlichen Maßnahme nach § 5 Abs. 2 VSG NRW ausreichen kann. Der Ausnahmetatbestand könnte beispielsweise bedeuten, dass schon der nicht nur unerhebliche Arbeitsaufwand, etwa aufgrund der Vielzahl der Betroffenen, zur Bejahung der Gefährdung der Aufgabenerfüllung führen kann.

bb) Auch die Regelung des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 VSG NRW führt zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung des Anspruchs der Betroffenen, von Maßnahmen unterrichtet zu werden. Das gilt insbesondere für die Möglichkeit, von einer Mitteilung abzusehen, wenn durch sie die Offenlegung des Kenntnisstandes der Verfassungsschutzbehörde zu befürchten ist (Nr. 2), denn die mitzuteilende Information gehört notwendig zum Kenntnisstand. Es stellt sich hier gar die Frage, wann jemals eine Unterrichtung nicht zugleich auch eine Offenbarung im genannten Sinne ist. Tatsächlich dürfte eine Unterrichtung schon vor diesem Hintergrund die Ausnahme sein. Ähnliches gilt auch für den Ausnahmetatbestand der Befürchtung, dass die Mitteilung zur Offenlegung der Arbeitsweise des Verfassungsschutzes führen könnte. Angesichts der vorgesehenen Aufklärungsmaßnahmen und dem damit zwingend verbundenen Hinterlassen von Datenspuren in Log-Dateien durch den Geheimdienst wird eine solche Befürchtung nahezu ausnahmslos zu bejahen sein. Letzteres gilt namentlich bei „Online-Durchsuchungen“. Aber auch die Überwachung von Zugriffen auf bestimmte Web-Seiten ist stets Inhalt von elektronischen Protokollen und damit nachvollziehbar.

cc) Auch die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit als Ausnahmetatbestand ist definitorisch nicht ausreichend begrenzt und führt damit zu einer unangemessenen Beschränkung des Anspruchs der Betroffenen, Rechtsschutz erlangen zu können. Die Bestimmung impliziert einen generellen Vorrang von Allgemeinbelangen vor dem Individualinteresse an einer Mitteilung. Weder wird das Allgemeininteresse im Sinne bestimmter, qualifizierter Gefahren näher bestimmt, noch ist eine Abwägung der konkurrierenden Belange im Einzelfall vorgesehen.

dd) Unzulänglich erscheint schließlich eine personale Beschränkung auf diejenigen Personen, zu denen die Informationen erfasst wurden. Sämtliche „Drittbetroffenen“ werden von ihrer Überwachung also nicht unterrichtet. Zwar mag sich die Grundrechtsbeeinträchtigung bei Kontakt- und Begleitpersonen als nicht identisch im Vergleich zu derjenigen bei den eigentlichen Zielpersonen darstellen. Auch für dritte Personen aber können bestimmte geheimdienstliche Ausforschungen nach § 5 Abs. 2 VSG NRW von erheblicher Relevanz sein. Zu denken ist beispielsweise an die Erfassung von personenbezogenen Daten Dritter anlässlich von Observationen (Nr. 2), Bildaufzeichnungen (Nr. 3), kleiner Lauschangriffe (Nr. 6) und Telefonüberwachungen (Nr. 10). Je nach Enge des persönlichen Kontakts zu Zielpersonen kann sich die individuelle Belastung von Dritten als gravierend darstellen. Eine Mitteilungsbeschränkung auf die Personen, zu denen die Informationen erfasst wurden, nimmt Kontaktpersonen von vornherein die Möglichkeit, eine Überprüfung der Maßnahmen herbeizuführen, wenn sie nicht von anderer Seite von ihrer Erfassung erfahren. Eine generelle Ausklammerung solcher Personen von der Pflicht des Verfassungsschutzes zur Mitteilung ist mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Reichweite der Gewährleistung aus Art. 19 Abs. 4 GG in Fällen von schwerwiegenden Grundrechtseingriffen (BVerfGE 109, 279 [365]) nicht vereinbar.

V. Verfassungswidrigkeit des § 5a Abs. 1 VSG NRW – Auskünfte bei Kreditinstituten u. a. –

Die Befugnis ermächtigt zur Aufgabenerfüllung zum Einholen von Auskünften bei
Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten und Finanzunternehmen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für schwerwiegende Gefahren für verfassungsschutzrechtliche Schutzgüter vorliegen.

1. Schutzbereich der Informationellen Selbstbestimmung und Eingriff

Durch die nunmehr erweiterten Auskunftsbefugnisse ist der Schutzbereich der informationellen Selbstbestimmung betroffen. Zum diesbezüglichen Umfang der grundrechtlichen Gewährleistung ist, um Wiederholungen zu vermeiden, auf das unter II.1. Gesagte zu verweisen.

In den Schutzbereich der informationellen Selbstbestimmung wird durch die Auskunftsersuchen des Verfassungsschutzes eingegriffen. Der Geheimdienst erhält insoweit Kenntnis von finanziellen Verfügungen der Betroffenen, ihren Kontoständen etc. Hierbei handelt es sich sämtlich um personenbezogene Daten, die der geheimdienstlichen Bewertung im Rahmen seiner Aufgabenerfüllung unterliegen. Aus ihnen sind Informationen zu Konsumgewohnheiten, anderen individuellen Vorlieben und Orten geschäftlicher Betätigung im weitesten Sinne (benutzte Geldautomaten etc.) zu erlangen. Die Analyse der Kontonutzung erlaubt damit tiefe Einblicke in den Lebenswandel der Betroffenen.
 
2. Mangelnde verfassungsrechtliche Rechtfertigung

Die Befugnis verstößt gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip in Gestalt des Übermaßverbots, weil sein Wortlaut auch völlig legale Bestrebungen, die mit terroristischen Bedrohungen nicht vergleichbar sind, erfasst.

Die Befugnis ist durch das Änderungsgesetz vom 20.12.2006 nicht neu eingefügt worden. Vielmehr ist der Anwendungsbereich der in Rede stehenden Befugnisse auf den Beobachtungsgegenstand der inländischen verfassungsfeindlichen Bestrebungen erstreckt worden.
Die Gesetzesbegründung führt insoweit an, dass die durch den Gesetzgeber des Jahres 2001 bewusst vorgenommene Beschränkung der Vorschrift auf die in § 3 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 bezeichneten Aufgaben dem geänderten Täterprofil islamistischer Terroristen nicht mehr gerecht werde. Home-grown-networks, die inländische Anschlagsziele verfolgten, würden nur von § 3 Abs. 1 Nr. 1 VSG NRW erfasst.

Zuzugestehen ist, dass die genannten Terror-Netzwerke unter den genannten Beobachtungsauftrag fallen können. Insoweit ist nicht zu beanstanden, dass der Verfassungsschutz sich mittels gegenständlicher Auskunftsersuchen über Geldströme entsprechender Netzwerke informiert. Jedoch geht der Beobachtungsauftrag des § 3 Abs. 1 Nr. 1 VSG NRW über die Überwachung solcher Strukturen weit hinaus. Er setzt keineswegs voraus, dass es sich bei den Bestrebungen um solche handelt, die gewaltsam agieren. Selbst völlig legales Handeln kann Gegenstand entsprechender geheimdienstlicher Ausforschungen sein.

Zu berücksichtigen in diesem Zusammenhang ist weiterhin, dass § 5a Abs. 1 VSG die Datenerhebungen lediglich von tatsächlichen Anhaltspunkten für schwerwiegende Gefahren für die in § 3 Abs. 1 VSG NRW genannten Schutzgüter abhängig macht. Einerseits handelt es sich bei solchen tatsächlichen Anhaltspunkten aber keineswegs um eine sichere Tatsachenbasis, die eine verlässliche Prognose hinsichtlich der Gefährlichkeit einer Bestrebung erlaubte. Vielmehr geht es hier um Indizien, aus denen nach der behördlichen Erfahrung auf das mögliche Vorliegen eines Sachverhalts geschlossen werden kann (vgl. etwa Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 3. Aufl. (2001), S. 358 ff.). Selbst vage Verdachtsmomente lösen also die Befugnis zur Ausforschung der finanziellen Verhältnisse aus. Insbesondere aber ist die Wendung von den schwerwiegenden Gefahren nicht mit militanten/terroristischen Bestrebungen gleichzusetzen. Die Schwere der Gefahr ist auf die Beeinträchtigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bezogen, nicht auf die insoweit angewandten Mittel. Nicht einmal eine aktiv-kämpferische, aggressive Haltung einer Organisation einschließlich entsprechender Tätigkeiten oder wenigstens Vorbereitungshandlungen muss notwendig mit physischer (=strafbarer) Gewaltanwendung verbunden sein (zum Parteienverbot Pieroth, in: Jarass/Pieroth, aaO, Art. 21 Rdnr. 35).

Es zeigt sich also, dass auch Angehörige nicht-militanter Bestrebungen angesichts des Wortlauts der angegriffenen Vorschrift mit einer weitreichenden Ausforschung ihrer wirtschaftlichen Existenz rechnen müssen. Soweit die besonderen Befugnisse nach § 5a VSG NRW auch bei nicht-militanten inländischen Bestrebungen eingesetzt werden können, bedeutet dies im Hinblick auf die Eingriffsintensität eine unangemessene Beeinträchtigung der informationellen Selbstbestimmung, weil die Gefährlichkeit der durch Auskunftsersuchen bei Banken ausgeforschten Bestrebungen einerseits und die beschriebenen schwerwiegenden Informationseingriffe andererseits nicht in einem angemessenen Verhältnis stehen.

VI. Verfassungswidrigkeit des § 13 VSG NRW – Datenverarbeitung in gemeinsamen Dateien –

Zwar enthält § 13 VSG NRW keine eigenständige Befugnis zur Errichtung gemeinsamer Dateien. Jedoch enthält die Regelung die Ermächtigung, personenbezogene Daten in solchen Dateien zu verarbeiten. Insoweit ist sie mit dem als Ausprägung des Rechtsstaatsgebots in Verbindung mit der Informationellen Selbstbestimmung zu verstehenden Trennungsgebot zwischen Geheimdiensten und Polizeibehörden nicht vereinbar.

1. Grundrechtliche Bedeutung des Trennungsgebots und Eingriff

Der Verfassungsrang des Trennungsgebots ist umstritten (vgl. etwa Gusy, ZRP 1987, 45 [47 f.]; ders., Polizeirecht, 6. Aufl., Tübingen 2006, S. 20; Schafranek, Die Kompetenzverteilung zwischen Polizei- und Verfassungsschutzbehörden in der Bundesrepublik Deutschland, 2000, S. 170 ff.; a. A. etwa Nehm, NJW 2004, 3289 [3290]; Baumann, DVBl. 2005, 799 [803]).

Nach hier vertretener Auffassung schlägt sich die historische Anordnung einer Trennung von Polizei und Geheimdiensten aus dem „Polizeibrief“ der Alliierten (abgedruckt etwa bei Zöller, Informationssysteme und Vorfeldmaßnahmen von Polizei, Staatsanwaltschaft und Nachrichtendiensten, 2002, S. 313 f.) in der sog. Funktionentrennung in Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG nieder: Zwar mag dem Polizeibrief als solchem spätestens seit der vollständigen Souveränität der Bundesrepublik kein Verfassungsrang (mehr) zugesprochen werden. Die – damals verbindlichen – Vorgaben der Alliierten haben allerdings implizit Eingang in den Verfassungstext gefunden, und zwar durch die in der genannten Verfassungsnorm geregelte Trennung zwischen dem Bundesgrenzschutz (inzwischen: Bundespolizei) sowie zwei unterschiedlichen „Zentralstellen“ des Bundes, nämlich dem BKA einerseits sowie dem Bundesamt für Verfassungsschutz andererseits. Während dem ehemaligen BGS und dem BKA im Rahmen ihrer begrenzten Aufgaben bestimmte polizeiliche Exekutivbefugnisse zustehen, ist der Verfassungsschutz auf die „Sammlung von Unterlagen…“ beschränkt. Dies spricht für die Auffassung, dass der Verfassungsrang des Trennungsgebots seine implizite Grundlage in der genannten Verfassungsvorschrift findet.
Das Bundesverfassungsgericht hat sich – soweit ersichtlich – bislang nicht festgelegt in der Frage, ob das Trennungsgebot einen Verfassungsrang besitzt und damit an dieser Stelle als Maßstab zur Verfügung steht oder nicht. Jedoch weist eine ältere Entscheidung in diese Richtung. In ihr spricht das Gericht unter Bezugnahme auf den Polizeibrief der Alliierten von einer möglichen Grundlage des Trennungsgebots im Rechtsstaatsprinzip, dem Bundesstaatsprinzip sowie dem Schutz der Grundrechte (BVerfGE 97, 198 [217]).

Das Trennungsgebot hat nach hier vertretener Auffassung nicht nur organisationsrechtlichen Charakter, sondern – als notwendiger Bestandteil der informationellen Selbstbestimmung – unmittelbar auch grundrechtliche Bedeutung: Der datenschutzrechtliche Grundsatz der Zweckbindung, der eine zweckändernde Datenübermittlung als erneuten Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung versteht, wird durch die funktionale und organisatorische Trennung von Polizeidienststellen und Geheimdiensten einschließlich der entsprechenden Datenbestände konkretisiert (ausführlich dazu Mehde, JZ 2005, 815 [819]). So gesehen dient die Trennung dieser Sicherheitsbehörden, die ihrerseits durch eine differenzierte Aufgabenzuweisung im Sinne eines Verbots von Doppelzuständigkeiten konkretisiert wird, unmittelbar auch dem Schutz der Freiheitsrechte.

Durch die Befugnis zur Verarbeitung von personenbezogenen Daten in gemeinsamen Dateien wird in die gegenständliche Ausprägung der informationellen Selbstbestimmung eingegriffen. Zur Verarbeitung von Daten gehört nach dem einschlägigen Verständnis die Speicherung, Veränderung, Übermittlung, Sperrung und Löschung von Daten ( § 3 Abs. 4 Satz 1 BDSG). Ihre Eingriffsintensität erlangt die Befugnis insbesondere daraus, dass durch die Speicherung von Personen in Dateien deren Risiko, zum Gegenstand von sicherheitsbehördlichen Überwachungsmaßnahmen zu werden, erheblich steigt (BVerfG, NJW 2006, 1939 [1943]; BVerfGE 107, 299 [321]).

2. Mangelnde verfassungsrechtliche Rechtfertigung

Die angegriffene Regelung ist mit dem Trennungsgebot unvereinbar, soweit überhaupt die Datenverarbeitung in gemeinsamen Dateien von Polizei- und Verfassungsschutzbehörden gestattet wird. Überdies leidet die Vorschrift an vermeidbaren Unklarheiten und befindet sich damit auch mit dem Gebot der Normenklarheit nicht im Einklang.

a) Unvereinbarkeit der Regelung mit dem Trennungsgebot

Aus dem Gesagten ergibt sich, dass gemeinsame Datenbestände von Polizeibehörden und Geheimdiensten mit dem Grundgedanken des Trennungsgebots grundsätzlich unvereinbar sind. Denn aus dem Eingriffscharakter einer jeden erneuten Speicherung folgt, dass diese nur auf Grundlage einer verfassungskonformen Ermächtigungsgrundlage und für hinreichend schwerwiegende Zwecke zulässig sind (BVerfGE 100, 313 [360]).
In gemeinsamen Dateien gespeicherte Daten haben keinen konkreten, zum Zeitpunkt der Einspeicherung bereits feststehenden Zweck. Das gilt namentlich für die Projektdateien, wie sie durch das Gemeinsame-Dateien-Gesetz vom 22.12.2006 (BGBl. I, S. 3409) eingeführt wurden. Als abstrakter Zweck wird etwa in § 22a BVerfSchG lediglich der Austausch und die gemeinsame Auswertung von Erkenntnissen zu bestimmten Bestrebungen nach Maßgabe der Aufgaben und Befugnisse der teilnehmenden Behörden genannt (ähnlich auch § § 9a BNDG, 9a BKAG).
Auch bei der mit dem Gemeinsame-Dateien-Gesetz eingeführten Anti-Terror-Datei handelt es sich um einen Datenbestand im Sinne des § 13 VSG NRW. Zwar wird in § 1 ATDG der Zweck der Datei mit der Erfüllung der Aufgaben der jeweiligen Behörden im Zusammenhang mit der Aufklärung oder Bekämpfung des internationalen Terrorismus umschrieben. Die Einspeicherung der Daten hat demzufolge den abstrakten Zweck, zur Terrorbekämpfung beizutragen. Ob dieser Zweck allerdings jemals erfüllt werden kann, steht nicht fest. Es handelt sich demnach um einen Datenvorrat für in unbestimmter Zukunft zu verfolgende Belange.
Ob das Vorhandensein eines Datums in dieser oder anderen gemeinsamen Dateien jemals zur Zweckverfolgung benötigt wird, ist demnach in höchstem Maße ungewiss. Folge dieses Umstandes ist, dass der Eingriff des Einspeicherns eines personenbezogenen Datums nicht mit einem konkreten Allgemeinbelang abgewogen werden kann. Stattdessen wird die Aufgabenerfüllung in beschriebenem Sinne abstrakt über das Individualinteresse an der „Nicht-Speicherung“ gestellt.
Demgegenüber verlangt die informationelle Selbstbestimmung in Konkretisierung des Trennungsgebots, dass die Überwindung der Trennung von Datenbeständen durch Datenübermittlung nur anlassbezogen zulässig ist. Nur auf diese Weise lässt sich der mit der Datenverarbeitung verbundene neue Informationseingriff mit dem zu verlangenden schwerwiegenden Zweck einzelfallbezogen abwägen (siehe auch Mehde, aaO, S. 819). Gemeinsame Dateien von Verfassungsschutzbehörden und Polizeidienststellen sind danach mit dem Trennungsgebot unvereinbar. Deshalb kann auch eine Verarbeitung von personenbezogenen Daten in solchen Dateien nicht verfassungsgemäß sein.

b) Verstoß gegen Gebot der Normenklarheit

Selbst wenn man die Befugnis zur Datenverarbeitung in gemeinsamen Dateien für grundsätzlich zulässig hielte, so ist die in Rede stehende Ermächtigung nicht mit dem Grundsatz der Normenklarheit vereinbar.
Zunächst ist festzustellen, dass § 13 VSG NRW selber keine Ermächtigung zur Errichtung von gemeinsamen Dateien enthält. Vielmehr wird auf die auf anderer Rechtsgrundlage bestehenden Dateien Bezug genommen. Die Verfassungsmäßigkeit in genanntem Sinne hängt davon ab, welchen Inhalt die in Bezug genommenen Dateien haben und unter welchen Bedingungen die Zusammenarbeit der verschiedenen Sicherheitsbehörden stattfinden darf. Hierzu enthält die Regelung keinerlei Bestimmung und ist damit für sich betrachtet völlig unbestimmt.
Eine nähere Bestimmung des Norminhalts könnte sich allenfalls aus den genannten „bundesrechtlichen oder landesrechtlichen Vorschriften“ ergeben. Der Verweis bezieht sich nach seinem Wortlaut nach auf nicht näher spezifizierte Regelungswerke. Insbesondere wird eine Qualität der „Vorschriften“ als Parlamentsgesetz nicht vorausgesetzt. Es kommen demnach auch untergesetzliche Bestimmungen als Ausgestaltung der entsprechenden Zusammenarbeit der Behörden in Frage. Dies entspräche jedoch nicht den einschlägigen Anforderungen an Ermächtigungsgrundlagen, die Grundrechtseingriffe zum Gegenstand haben.
Dass der Gesetzgeber eine Festlegung auf formelle Gesetze nicht vornehmen wollte, ergibt sich in diesem Fall aus dem Umstand, dass der Landtag von Nordrhein-Westfalen von sachverständiger Seite auf die Missverständlichkeit der entsprechenden Wendung hingewiesen wurde. Ausdrücklich stellte der Sachverständige Gusy in seiner schriftlichen Stellungnahme zum Gesetzentwurf (Landtag Nordrhein-Westfalen, Stellungnahme 14/629, abzurufen unter www.landtag.nrw.de, S. 3) wie auch in einer Anhörung des Hauptausschusses und des Innenausschusses (Landtag Nordrhein-Westfalen, Ausschussprotokoll 14/275, S. 2) fest, dass die Vorschrift aus dem genannten Grunde nicht mit dem Gebot der Normenklarheit vereinbar ist. Es wurde daher vorgeschlagen, von Bundes- oder Landesgesetzen zu sprechen. Dennoch wurde die Vorschrift wie ursprünglich vorgesehen (LT-Drucks. 14/2211, S. 13) verabschiedet. Daraus ist der Schluss zu ziehen, dass eine entsprechende Beschränkung von Seiten des Gesetzgebers nicht gewollt war. Die im Raum stehende Unklarheit der Norm kann daher nicht im Wege einer verfassungskonformen Auslegung beseitigt werden.

D. Ergebnis

Nach alledem ist die Verfassungsbeschwerde nicht nur zulässig, sondern auch begründet. Die Beschwerdeführer werden durch die angegriffenen Vorschriften aus dem Verfassungsschutzgesetz NRW in ihren Grundrechten aus
* Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG – Recht auf informationelle Selbstbestimmung -, auch i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG – Trennungsgebot,
* Art. 10 Abs. 1, auch i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG,
* Art. 13 Abs. 1 GG, auch i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG,
* Art. 19 Abs. 4 GG.
verletzt.

Rechtsanwalt Dr. Fredrik Roggan

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