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HU verurteilt EU-Pläne zur Erhebung von Fluggast­daten

Mitteilungen Nr. 200, Seite 13

Am 6. November 2007 veröffentlichte die Europäische Union ihren neuen Aktionsplan zur Bekämpfung des Terrorismus. Dieser beinhaltet auch das Vorhaben, künftig die Daten von nach Europa reisenden Flugpassagieren zu erfassen und auszuwerten. Fluggesellschaften sollen verpflichtet werden, die Angaben zu Namen, Adressen, Kreditkarteninformationen, Abflugdaten, Buchungen für Hotels, E-Mail-Adressen, und Telefonnummern – insgesamt bis zu 19 Angaben pro Fluggast – bis 72 Stunden vor Abflug an das Zielland zu übermitteln. Davon betroffen sind nur Flüge in die EU, keine Binnenflüge, allerdings werden die Daten von EU-Bürgern genauso erhoben, wie die anderer Passagiere.

Die Humanistische Union lehnt dieses Vorhaben der Europäischen Kommission eindringlich ab. Flugpassagiere werden damit unter einen Generalverdacht gestellt, ohne dass Hinweise auf die Wirksamkeit einer solchen Maßnahme für den Schutz vor Terrorismus bestehen. Vielmehr gibt es Anlass zur Befürchtung, die EU plane in den kommenden Jahren die pauschale Erfassung des gesamten Reiseverkehrs nach Europa. Die Humanistische Union weist auf die mangelhaften Datenschutzregelungen auf europäischer Ebene hin und fordert die Umsetzung eines europäischen Rahmenbeschlusses, der dem Niveau des deutschen Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung entspricht.

Mit ihrem Vorschlag folgt die Europäische Kommission einem amerikanischen Vorbild. Bereits 2004 hatte das dortige Heimatschutzministerium europäische Fluggesellschaften verpflichtet, ausführliche Datensätze über in die USA reisende Fluggäste zu übermitteln. Trotz großer datenschutzrechtlicher Bedenken, erzwangen die USA die Kooperation der Fluggesellschaften durch die Androhung drastischer Geldstrafen. Die europaweite Kritik durch Datenschützer, Verbände von Fluggesellschaften und weite Teile des Europäischen Parlaments konnte die multilaterale Vereinbahrung zur Übermittlung der Passagierdaten nicht verhindern. Aufsehen erregte die Regelung nochmals im Mai 2006, als der Europäische Gerichtshof  die von der EU für das europäische Gesetz gewählte Form als nicht rechtmäßig bezeichnete und für Nachverhandlungen sowie eine einjährige Übergangslösung sorgte. Seit August 2007 besteht eine endgültige Vereinbahrung, die aufgrund der mangelhaften Datenschutzvorschriften im europäischen und amerikanischen Recht äußerst zweifelhaft ist.

Es ist nur schwer nachzuvollziehen, dass die Europäische Kommission, die sich im Sommer noch ihres Widerstands gegen die amerikanischen Forderungen gerühmt hat, ihrerseits nun selbst Passagierdaten sammeln will. Von einer Verhältnismäßigkeit kann schon deshalb nicht gesprochen werden, weil es bisher keine Erkenntnisse über die Effektivität einer solchen Maßnahme im Kampf gegen Terrorismus gibt. Und das, obwohl die USA dieses System schon seit fast vier Jahren praktizieren. So ist auch nicht verständlich, auf welcher Grundlage der Europäische Kommissar für Inneres und Justiz, Franco Frattini, sich durch  den Abgleich der Datensätze, Erfolge bei der Ermittlung von Terroristen verspricht. 
Für den Grundrechtsschutz verweist der Entwurf auf einen europäischen Rahmenbeschluss zum Datenschutz, der noch nicht existiert. Zwischen den Regierungen, der Kommission und den Fraktionen des Europäischen Parlaments besteht über den genauen Inhalt dieses Rahmenbeschlusses derzeit kein Einvernehmen. Der jetzige Verhandlungsstand sieht allerdings eine Regelung vor, die in ihrer Wirksamkeit weit hinter der EG-Datenschutzrichtlinie zurückbleibt, die den Datenschutz in wirtschaftlichen Zusammenhängen regelt.

Der geplante Fluggastdatentransfer setzt einen Besorgnis erregenden Trend in der europäischen inneren Sicherheitspolitik fort. Die Sicherheitsbehörden der Mitgliedstaaten erhalten immer mehr Daten von einer wachsenden Menge europäischer Bürger. Dabei wird eine Differenzierung zwischen verdächtigen und unbescholtenen Menschen kaum noch vorgenommen. Nach der Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten scheint der Fokus auf Fluggäste nur ein weiterer Schritt zu sein. Befürchtet werden muss als nächstes die Ausweitung der europäischen Pläne auf die Erfassung aller Menschen, die in die EU einreisen, zumindest soweit dies technisch machbar wird. Ein Arbeitsdokument zum geplanten Fluggastdatentransfer [SEC(2007) 1422, S. 6] geht auch tatsächlich auf diesen Aspekt ein.

Die Politik der EU stellt damit Reisende, insbesondere wenn sie von außerhalb nach Europa einreisen, unter Generalverdacht. Nichteuropäer werden von der EU mittlerweile als Problem wahrgenommen, insbesondere wenn sie nicht aus einem der westlichen Industriestaaten stammen. Die Agenden der europäischen Innenpolitik und der Schengen-Zusammenarbeit sowie die entsprechenden Verlautbahrungen der Ratspräsidentschaft erhärten diese Einschätzung. Es scheint, dass die Ängste, welche durch die Öffnung der Grenzen zu den neuen Mitgliedstaaten aufgekommen sind, durch die Aufrüstung der Außengrenzen beruhigt werden sollen. Europa droht zu einer Festung zu werden, in der zusätzlich noch möglichst viele Informationen über die Menschen innerhalb der Mauern erfasst werden.

Björn Schreinermacher
ist Mitglied des Bundesvorstands der Humanistischen Union

Diese Stellungnahme ist ein Betrag der neu gegründeten Initiative „Europa und Bürgerrechte“ der Humanistischen Union. Wer sich für unsere Arbeit interessiert oder sich daran beteiligen möchte, kann sich an Björn Schreinermacher und Christian Hiepe wenden oder dem Internetforum der Arbeitsgruppe beitreten:
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