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Die SteuerID im Brief­kas­ten? So können Sie sich wehren!

Mitteilungen20004/2008Seite 14

Mitteilungen Nr. 200, Seite 14/15

Als das Bundesfinanzministerium im vergangenen Frühsommer ankündigte, man beginne nun mit der Generierung der neuen, lebenslang gültigen Steueridentifikationsnummern, war die Aufregung groß. Plötzlich stand die Befürchtung im Raum, mit der SteuerID werde durch die Hintertür eine Personenkennziffer eingeführt. Die Humanistische Union hat deshalb die gesetzlichen Grundlagen der SteuerID und ihre Verwendungsmöglichkeiten ausgiebig geprüft. Wir sind zu der Einsicht gelangt, dass die Nummer zu weit mehr als der Verbesserung der Steuerehrlichkeit genutzt werden kann. Deshalb bieten wir ab sofort eine Musterklage an, mit der sich interessierte Bürger gegen die Zuteilung und Speicherung der SteuerID wehren können.

Die Perso­nen­kenn­ziffer – der Traum von der Daten­zu­sam­men­füh­rung

Bereits in den 70er Jahren planten deutsche Sicherheitspolitiker, durch die Einführung einer Personenkennziffer die gesamte Bevölkerung in den zunehmenden elektronischen Datenmengen besser identifizieren zu können. Diesen Bestrebungen schob das Bundesverfassungsgericht mit seiner Entscheidung zur Volkszählung 1983 (BVerfGE 65, 1) einen Riegel vor. In dem Urteil fand sich nicht nur die Begründung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, wonach der Einzelne „grundsätzlich selbst zu entscheiden [hat], wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden“. (Rdnr. 152) Darüber hinaus erlegten die Verfassungsrichter dem Staat das Verbot auf, über seine Bürgerinnen und Bürger Persönlichkeitsprofile zu erstellen. Die Gefahr einer solchen Profilbildung sahen sie insbesondere in den informationstechnischen Möglichkeiten der Datenverarbeitung: Sie mache es leicht, verschiedene Datenbestände unterschiedlicher staatlicher Stellen miteinander zu verknüpfen. Insbesondere diese Verknüpfungsmöglichkeiten könnten dazu führen, dass „ein für sich gesehen belangloses Datum einen neuen Stellenwert [bekommt]“. (Rdnr. 158) Die freie Entfaltung der Persönlichkeit werde durch derartige Verknüpfungen beeinträchtigt, weil der Einzelne kaum noch überschauen kann, welche Konsequenzen sich daraus für das staatliche Handeln ergeben.

Die Möglichkeiten einer Verknüpfung personenbezogener Daten sind heute ungleich größer als zu den Zeiten der Volkszählung: Von der Steuererklärung über die Autoanmeldung oder die biometrische Personenbeschreibung im Pass werden inzwischen nahezu sämtliche Informationen über die Bürger elektronisch erhoben und gespeichert. Eine lebenslang gültige, eineindeutige Kennung, die es erlaubt, zumindest alle Deutschen in beliebigen Datensammlungen zu identifizieren, gehört deshalb immer noch zum Traum vieler Sicherheitspolitiker. Bei den deutschen Sicherheitsbehörden werden derzeit geschätzte 1000 Datenbanken geführt, in denen sich Angaben über mehrere Millionen Menschen finden. Allein in die seit letztem Jahr aufgebaute Anti-Terror-Datei werden nach Angaben der Bundesregierung Informationen aus 845 verschiedenen Datenbanken eingespeist. [1] Immer wieder stellt sich dabei die Frage, ob Herr Meier aus Datenbank A mit Herrn Meier aus Datenbank B identisch ist, oder ob es sich dabei nur um eine Namensgleichheit handelt. Geburtsdaten, Anschriften und ähnliche Merkmale mögen dies zwar vereinfachen – bei den in Sicherheitskreisen verbreiteten Datenmengen sind aber auch dann zufällige Verwechslungen nicht zu vermeiden. (Man denke nur an den Hartz IV-Empfänger aus Berlin-Neukölln, dessen Namensgleichheit mit einem Terrorverdächtigen ihm zum Verhängnis wurde und der daraufhin vorübergehend keine Sozialleistungen mehr erhielt.) Die Versuchungen, dem Datenwust mit einem beliebigen Ordnungsmerkmal beizukommen, sind also groß.

SteuerID nur für Steuer­zwe­cke? 

Welche Rolle spielt nun die SteuerID? Im Unterschied zur bisherigen Steuernummer (die etwa beim Umzug in ein anderes Bundesland wechselt) und allen anderen staatlich verordneten Kennungen (Ausweis-, Pass- oder Sozialversicherungsnummer) soll sie künftig ab der Geburt alle Menschen in Deutschland ein Leben lang begleiten – und bleibt sogar noch 20 Jahre nach dem Tod gültig. Jeder Person wird dabei eine elfstellige Kennung zugewiesen, und jede Kennung darf nur einmal vergeben werden, so die Definition der Steueridentifikationsnummer in § 139b Abs. 1 der Abgabenordnung. Die SteuerID wird deshalb die erste eineindeutige amtliche Kennung, d.h. anhand einer konkreten SteuerID lässt sich ein Mensch eindeutig identifizieren und umgekehrt kann von einem konkreten Menschen auf eine ihm zugeordnete SteuerID geschlussfolgert werden. Im Jargon der Datenbankprogrammierer gesprochen: Die SteuerID ist der ideale Index, weil bei ihr Doppelungen und Verwechslungen ausgeschlossen sind.
Das Bundesfinanzministerium wiegelt mögliche Bedenken, bei der Nummer handle es sich um mehr als nur ein steuerliches Ordnungsmerkmal, auf seiner Internetseite ab. Dort heißt es:

Die Befürchtung, dass die Datenbank des Bundeszentralamts für Steuern für andere als für steuerliche Zwecke genutzt werden könnte, ist unbegründet. Nach § 139b Abs. 4 und 5 AO unterliegen die beim Bundeszentralamt für Steuern gespeicherten Daten einer strikten Zweckbindung, die eine anderweitige Verwendung der Daten überhaupt nicht zulässt. (…) Die Identifikationsnummer ist kein allgemeines Personenkennzeichen, sondern ein bereichsspezifisches Ordnungsmerkmal, das für die Erfüllung der Aufgaben der Finanzbehörden eingeführt wird.“ [2]

Bekanntlich ist Vertrauen gut, Kontrolle staatlichen Handelns aber besser. Eine Antwort darauf, ob die SteuerID wirklich nur ein Ordnungsmerkmal für steuerliche Zwecke ist, liefert deren gesetzliche Regelung. Die findet sich in den § § 139a und 139b der Abgabenordnung (AO), wo der Umfang der erhobenen Daten, ihre Verwendungszwecke und der Kreis der zugriffsberechtigten Behörden geregelt sind. In § 139b Absatz 2 der Abgabenordnung heißt es dazu:

Die Finanzbehörden dürfen die Identifikationsnummer nur erheben und verwenden, soweit dies zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben erforderlich ist oder eine Rechtsvorschrift die Erhebung oder Verwendung der Identifikationsnummer ausdrücklich erlaubt oder anordnet.
Andere öffentliche oder nicht öffentliche Stellen dürfen 1. die Identifikationsnummer nur erheben oder verwenden, soweit dies für Datenübermittlungen zwischen ihnen und den Finanzbehörden erforderlich ist oder eine Rechtsvorschrift die Erhebung oder Verwendung der Identifikationsnummer ausdrücklich erlaubt oder anordnet (…)

Bereits die Verwendung der SteuerID durch die Finanzbehörden ist also nicht auf deren gesetzliche Aufgaben – etwa die Erhebung von Steuern und die Gewährleistung der Steuergerechtigkeit – beschränkt, sondern prinzipiell (’sofern durch andere Rechtsvorschriften erlaubt‘) für andere Zwecke nutzbar. Neben den Finanzbehörden sollen auch andere Behörden und selbst Privatpersonen die SteuerID nutzen dürfen. Diese Nutzung der SteuerID durch Dritte ist nicht auf den Datenaustausch mit Finanzbehörden beschränkt, sondern darf (nach Erlass einer entsprechenden Verordnung) auch für ganz andere Zwecke erfolgen.

Die vom Bundesfinanzministerium versprochene Zweckbindung der SteuerID erweist sich bei näherer Betrachtung als reine Mogelpackung. Auch wenn derzeit noch keine gesetzlichen Regelungen bekannt sind, die anderen Behörden oder Privatpersonen eine Nutzung der SteuerID erlauben würden – die mit dem Steueränderungsgesetz von 2003 geschaffenen Grundlagen der SteuerID sehen derartige Nutzungsmöglichkeiten ausdrücklich vor! Dass dabei selbst an eine im wahrsten Sinne des Wortes grenzüberschreitende Nutzung der SteuerID gedacht wurde, macht spätestens § 139b Absatz 4  der Abgabenordnung deutlich, in dem die Verwendung für den nationalen, aber auch den internationalen Datenaustausch der Finanzbehörden gestattet wird.

Das niedrige Schutzniveau der Steueridentifikationsnummer tritt deutlich hervor, wenn man sich die vergleichbaren Regelungen zum Schutz der Passnummer ( § 16 PaßG) oder der Personalausweisnummer ( § 3 PersAuswG) anschaut. Dort wird die Speicherung und Verwendung der Nummern auf die Herstellung sowie die Registrierung vermisster bzw. gesperrter Dokumente begrenzt. In beiden Gesetzen findet sich ein explizites Verbot der zentralen Speicherung der Seriennummern und ein ausdrückliches Verbot ihrer Verwendung als Index für den Datenzugriff in anderen Behörden:

Eine zentrale, alle Seriennummern umfassende Speicherung darf nur bei (dem Passhersteller | der Bundesdruckerei GmbH) und ausschließlich zum Nachweis des Verbleibs der (Pässe | Ausweise) erfolgen.“ ( § 16 Abs. 3 PaßG | § 3 Abs. 3 PersAuswG)

Die Seriennummern dürfen nicht so verwendet werden, daß mit ihrer Hilfe ein Abruf personenbezogener Daten aus Dateien oder eine Verknüpfung von Dateien möglich ist.“ ( § 16 Abs. 4 PaßG und § 3 Abs. 4 PersAuswG)

Schon aus technischen Gründen eignen sich weder Pass- noch Ausweisnummer besonders gut als Personenindex, weil sie Merkmale der jeweiligen Dokumente, aber nicht ihrer Besitzer sind. Die SteuerID dagegen weist einen vergleichsweise geringen Schutz vor einem derartigen Missbrauch auf. In § 139b Abs. 2 Satz 2 heißt es dazu: „Andere öffentliche oder nicht öffentliche Stellen dürfen (…) 2. ihre Dateien nur insoweit nach der Identifikationsnummer ordnen oder für den Zugriff erschließen, als dies für regelmäßige Datenübermittlungen zwischen ihnen und den Finanzbehörden erforderlich ist.“ Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Was tun, wenn die SteuerID ankommt?

Angesichts der unzureichenden Zweckbestimmungen und prinzipiell weitgehender Verwendungsmöglichkeiten für die SteuerID fordert die Humanistische Union eine Korrektur der gesetzlichen Grundlagen. Die Verwendung der Steueridentifikationsnummer sollte allein auf die Finanzbehörden und allein auf die Gewährleistung der Steuergerechtigkeit beschränkt werden.

Da eine direkte gerichtliche Prüfung der Zulässigkeit der Steuernummer vor dem Bundesverfassungsgericht nicht mehr möglich ist (die gesetzlichen Grundlagen dafür wurden 2003 geschaffen), bleibt nur der Weg über die Finanzgerichtsbarkeit. Die Humanistische Union stellt deshalb eine Musterklage bereit, mit der Interessierte nach der Bekanntgabe der SteuerID gerichtlich prüfen lassen können, ob die Erteilung und Verwendung der Nummer zulässig war/ist. Die Feststellungsklage sollte innerhalb von 4 Wochen nach dem Erhalt der Steueridentifikationsnummer beim zuständigen Finanzgericht erhoben werden. Die Musterklage gegen die Zuteilung der Steueridentifikationsnummer sowie ein Adressverzeichnis der zuständigen Finanzgerichte finden sich auf den Internetseiten der Humanistischen Union oder können in unserer Geschäftsstelle abgerufen werden.

Sven Lüders

Quellen:

[1] Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke und weiterer Abgeordneter der Fraktion DIE LINKE vom 6.10.2006, BT-Drucksache 16/2607. Online: http://dip.bundestag.de/btd/16/028/1602875.pdf Eine Auflistung zahlreicher Datenbanken findet sich im Anhang dieser Drucksache. (s. auch: http://www.heise.de/ct/hintergrund/meldung/85995.html#Antiterrordatenbanken)

[2] Bundeswirtschaftsministerium: Bisher gestellte Fragen und Antworten zur Identifikationsnummer (IdNr.). Online: http://www.bundesfinanzministerium.de…

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