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3 1/2 Jahre Gefan­ge­nen­brief­kon­takte - Bilanz 2001

Mitteilungen17703/2002Seite 7

Mitteilungen Nr. 177, S.7

Dank der Unterstützung verschiedener Illustrierter und der taz gelang es uns auch in diesem Jahr, eine Menge Leute für Briefkontakte mit Inhaftierten zu gewinnen. Sie kommen aus unterschiedlichsten sozialen Schichten und melden sich aus vielfältigen Motiven heraus. Oft sind es Menschen, die im weitesten Sinne im sozialen Bereich arbeiten oder gearbeitet haben und meistens sind es Frauen aller Altersgruppen. Rückmeldungen belegen, dass viele eine ganz neue Sicht auf „Knast“ gewinnen und dieser Gedankenaustausch sie durchaus bereichert an Wissen
und Erfahrung.
In den JVA und Forensiken müssen wir keine Reklame machen, der Name der HUMANISTISCHE UNION wird per Mundpropaganda gehandelt. Inzwischen kommt Post aus mehr als 140 Anstalten – von Bützow bis Kempten, von Gildern bis Cottbus. Allein 2001 haben sich 470 Häftlinge um Briefwechsel bemüht, diese habe ich an 425 Menschen von „draußen“ zu vermitteln versucht, mit einer geschätzten Erfolgsquote von 60 bis 70 Prozent. Mit der Zeit hat
sich auch herumgesprochen, dass wir keine Partnervermittler
sind. Trotzdem passiert es, dass Kontakte nicht zustande kommen, weil von Seiten der Häftlinge zu hohe Erwartungen gestellt werden.
Dieses erfolgreiche Projekt hat der HU besonders bei der „Durchschnittsbevölkerung“ einen gewaltigen Imagegewinn gebracht. Inhaftierte verbinden die HU mit dem Gedanken, „die hilft uns“. So bleiben Bitten um Unterstützung bei Problemen mit der Justiz oder dem Vollzug nicht aus. Es ist nur schwer zu vermitteln, dass wir uns in vollzugliche Abläufe nicht einmischen können. Trotzdem glaube ich, wir sollten wenigstens jedem Schreibenden eine Antwort zukommen lassen. Manchmal genügt der Hinweis auf eine andere Institution, der Name eines Rechtsanwaltes oder auch nur eine Relativierung der Probleme. Meine persönliche Meinung ist, in der HU gibt es unzählige kluge Köpfe, fachlich kompetente Theoretiker. Sie kümmern sich um alles was im weitesten Sinne Bürgerrechte verletzt.
Aber ich vermisse die konkrete Hilfe für den Einzelnen. Wenn einer der von mir betreuten Häftlinge konkrete Hilfe sucht, dann findet er die nicht bei der HU, sondern zum Beispiel bei der Nothilfe Birgitta Wolf e.V. Murnau – die weist niemanden ab.
Vielleicht sollte sich die HU dem Thema Strafvollzug intensiver
zuwenden. Es gibt eine Menge Verstöße gegen das Strafvollzugs- gesetz – manche könnte man durchaus als Menschenrechtsver-letzung auslegen. Das betrifft zum Beispiel mangelnde ärztliche Versorgung von Schwerkranken. Bei der taz ist jemand für „Briefe aus dem Knast“ zuständig – wie wäre es, wenn sich auch bei der HU
jemand dafür fände?

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