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Brief an die Abgeord­neten des Deutschen Bundestags

Mitteilungen18711/2004Seite 9

Mitteilungen Nr. 187, S. 9

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,

durch das Gesetz zur Änderung der Strafprozessordnung (StPO) vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I 2001, 3879) wurden die § § 100g und 100h – Auskunft über Telekommunikationsverbindungsdaten – in die StPO eingefügt. Die Neuregelung war ursprünglich bis zum 31. Dezember 2004 befristet. Durch den oben bezeichneten Gesetzentwurf der Bundesregierung soll die Geltungsdauer der § § 100g, 100h StPO um weitere drei Jahre bis zum 31. Dezember 2007 verlängert werden.

Die Bundesregierung begnügt sich in der Begründung des Gesetzesentwurfs mit dem pauschalen Hinweis, die Auskunftsanordnung hätte sich „als wichtiges Ermittlungsinstrument erwiesen“ und sei daher „unabdingbar“. Wegen fehlender Berichtspflichten liegt jedoch nicht einmal eine statistische Übersicht über die Zahl der Auskunftserteilungen in den vergangenen drei Jahren vor. Die HUMANISTISCHE UNION sieht einen solch leichtfertigen Umgang mit dem Grundrecht aus Artikel 10 GG mit großer Sorge.

Die Neuregelung der „Auskunft über Telekommunikationsverbindungsdaten“ durch das Gesetz vom 20. Dezember 2001 wurde laut Begründung im seinerzeitigen Gesetzentwurf (BT-Drs. 14 / 7008, S. 6) bis zum Ablauf des 31. Dezember 2004 befristet, weil „auf der Grundlage gegenwärtig erstellter Gutachten bis dahin insbesondere hinsichtlich der Berücksichtigung von Zeugnisverweigerungsrechten ein den Besonderheiten aller heimlichen Ermittlungsmaßnahmen gerecht werdendes Gesamtkonzept erarbeitet und umgesetzt werden wird.“ Mit der im aktuellen Gesetzentwurf vorgesehenen befristeten Geltung bis zum 1. Januar 2008 will die „Bundesregierung sicherstellen, dass eine Gesamtüberarbeitung der betroffenen Regelungen mit der erforderlichen Sorgfalt erfolgen kann…“. Die HUMANISTISCHE UNION fordert eine solche verfassungskonforme Ausgestaltung seit langem. Im Interesse einer solchen Gesetzesreform mag eine befristete Weitergeltung der § § 100g, 100h StPO auch notwendig sein. Unverständlich ist jedoch, dass im vorliegenden Gesetzentwurf – wie schon in dem Ursprungsgesetz – keine Berichtspflichten über erteilte Auskünfte normiert werden. Bei der angekündigten Gesamtnovellierung der Telekommunikationsüberwachung in der StPO steht der Gesetzgeber dann vor dem gleichen Problem wie heute: Eine Evaluierung scheitert am fehlenden Zahlenmaterial über die vorgenommen Eingriffe gemäß § § 100g, 100h StPO.

Die HUMANISTISCHE UNION bittet daher die Abgeordneten des Rechtsausschusses dringend, in einem besonderen Artikel des Gesetzentwurfs jährliche Berichtspflichten zu folgenden Sachverhalten aufzunehmen:

1. Zahl der richterlichen und staatsanwaltschaftlichen Anordnungen zur Auskunftserteilung über TK-Verbindungsdaten.

2. Zahl der erteilten Auskünfte über TK-Verbindungsdaten, unterteilt nach den verschiedenen Auskunftsarten. Insbesondere sind Daten über die so genannte „Zielwahlsuche“ ( § 100g Abs. 2 StPO) und die so genannte „Funkzellenabfrage“ ( § 100h Abs. 1 StPO) erforderlich, weil hierbei eine große Zahl von unverdächtigen Telekommunikationsteilnehmern erfasst wird.

3. Dauer der angeordneten Auskunftserteilungen.

4. Zahl der TKÜ-Maßnahmen nach den § § 100a, 100b StPO, die durch Auskunftserteilungen nach den § § 100g, 100h StPO ausgelöst wurden.

5. Relevanz der angeordneten Auskunftserteilungen für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren und für Verurteilungen.

6. Zahl der Unverdächtigen, die von den angeordneten Auskunftserteilungen betroffen waren.

7. Benachrichtigung / Nichtbenachrichtigung der Beteiligten nach § 101 Abs. 1 StPO.

8. Höhe der Kosten, die bei den Betreibern von Telekommunikationsanlagen durch die angeordneten Auskunftserteilungen entstehen.

Zu Nr. 1 und 2 könnten die erforderlichen Angaben künftig auch auf einfachere Weise erlangt werden. Die im § 110 Abs. 8 des Telekommunikationsgesetzes vom 22. Juni 2004 (BGBl. I 2004, 1190) vorgesehene Jahresstatistik der Betreiber von Telekommunikationsanlagen wäre auch auf die TKÜ-Maßnahmen nach den § § 100g, 100h StPO auszudehnen. (So auch die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder in der Entschließung „Transparenz bei der Telekommunikationsüberwachung“ auf der 65. Konferenz am 27./28. März 2003).

Die HUMANISTISCHE UNION sieht mit großem Interesse das Bemühen des Gesetzgebers, durch Vorschriften über die Evaluation und Befristung von Eingriffsgesetzen, die regelmäßige Überprüfung hinsichtlich deren Notwendigkeit und der verfassungskonformen Ausgestaltung zu erreichen. Es wäre im Interesse der Rechtsstaatlichkeit höchst bedauerlich, wenn solche Vorschriften zu bloßen Floskeln verkommen würden, die bei Bedarf einfach ignoriert werden können.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die HUMANISTISCHE UNION bittet Sie, der Vorlage in der jetzigen Form nicht zuzustimmen. Die von uns vorgeschlagenen Berichtspflichten halten wir für unabdingbar, um bei der angestrebten Reform der Regelungen des Ermittlungsverfahrens in der StPO überhaupt Aussagen zur Wirksamkeit und Notwendigkeit der Auskunftsverpflichtung machen zu können. Wir würden uns freuen, wenn unsere Anregungen im Rechtssausschuss des Deutschen Bundestages Gehör finden würden.

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