Baden-Württemberg: Behördentransparenz? Nicht bei Corona-Daten.
In: Mitteilungen 242 (12/2020), S. 29 – 30
Der Vorsitzende des LV BaWü, Udo Kauß, hat Ende März in eigenem Namen nach dem Landesinformationsgesetz BaWü (LIFG) anonymisierte Auskünfte aus den beim Gesundheitsamt Freiburg/Breisgau Hochschwarzwald seit Februar 20 eingegangenen ärztlichen Mitteilungen von Todesfällen beantragt, bei denen eine Coronainfektion vorgelegen hat. Zu Wissen: Im sog. Vertraulichen Teil der ärztlichen Todesbescheinigungen sind verpflichtend Angaben zu vorhandenen Erkrankungen und den ärztlicherseits angenommenen Todesursachen zu machen. Und zu wissen: Das Robert-Koch-Institut (RKI) macht bei den öffentlich gemachten Zahlen von „Coronatoten“ keinen Unterschied, ob die Person „an“ oder „mit“ einer Coronainfektion verstorben ist. Genauso gehen auch die Gesundheitsämter vor, die nur von Toten „im Zusammenhang mit Corona“ berichten und deren Zahlen die Grundlage derer des RKI bilden.
Das Motiv für die Anfrage war und ist, größtmögliche Transparenz bei den Zahlen zu erreichen, die eine wesentliche Grundlage für die Gefährdungseinschätzung der Covid 19-Pandemie sind. Damit sollte von vorneherein den sich bereits ankündigenden Verschwörungsmythen und „Coronaleugnern“, und auch und immer stärker dabei, der rechtsextremen Kritik an der „Lügenpresse“ jedenfalls insoweit entgegen gewirkt werden.
Das Freiburger Gesundheitsamt hat allen Erwartungen zuwider alle und nur anonymisierte Daten verweigert, die eine Unterscheidung von „an“ und „mit“ einer Covid-19-Infektion Verstorbenen zulassen könnten. Zudem mache das Amt eine solche Unterscheidung in seinen Meldungen an das RKI nicht.
Das im Eilverfahren angerufene Verwaltungsgericht Freiburg bestätigte die Ablehnung des Gesundheitsamtes. Das Bestattungsgesetz, das die Pflicht zur Erstellung der ärztlichen Todesbescheinigungen regelt, sehe keine, auch keine anonymisierte Herausgabe an Dritte vor. Für eine Anwendung des LIFG sei daher kein Raum. Das dagegen angerufene höchste Gericht im Lande, der Verwaltungsgerichtshof Mannheim, bestätigte in seiner Entscheidung vom 06.08.2020 (10 S 1856/20) die ablehnende Entscheidung des Verwaltungsgerichtes. Kernsatz der Entscheidung: „Die besondere Sensibilität ist ferner darin begründet, das auch eine Anonymisierung, die etwa Namen, Geburtsdatum und Wohnort des Verstorbenen unkenntlich macht, nicht ausschließen kann, dass der Auskunftssuchende auf Grund von bestimmten Kenntnissen, die für die informationspflichtige Stelle nicht ohne weiteres zu erkennen sind, die anonymisierten Daten einem ganz bestimmten Verstorbenen zuordnen kann.“
Der Landesvorstand BaWü hatte bis zuletzt auf eine zufriedenstellende Auskunft gehofft und deshalb extra von einer weiteren Öffentlichmachung des Rechtsstreits abgesehen, um nicht Wasser auf die Mühlen von Verschwörungstheoretikern jeglicher Couleur zu gießen. Man kann sich nur über diese Art von Geheimniskrämerei in der Informationspolitik von RKI und Gesundheitsämtern wundern, die bereits am 18. Mai 2020 in einem Offenen Brief von 45 DatenjournalistInnen kritisiert worden ist. Und die jetzt sogar gerichtlich – wenn auch nur in einem vorläufigen und summarischen Eilverfahren – rechtskräftig bestätigt worden ist. Die Chancen für eine Verfassungsbeschwerde müssen wir noch prüfen und sehen diese kritisch. Denn ein allgemeines Recht auf Zugang zu Verwaltungsdaten ist bisher nicht in das Grundgesetz aufgenommen worden.
Immerhin: Es war die Humanistische Union, die in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts von Berlin aus das Recht auf freien Zugang zu Verwaltungsdaten erstmals in Deutschland einforderte. Ein langer Atem ist erneut gefragt, länger wohl als der Coronavirus und seine Interpreten das Maß der öffentlichen Freiheitsrechte bestimmen.