Fritz Bauer als Schutzpatron des Justizministeriums
In: Mitteilungen 242 (12/2020), S. 16 – 17
Im Fritz Bauer-Foyer wacht seit Anfang Juli eine Fritz Bauer Büste des Berliner Künstlers Pavel Feinstein über Ein- und Ausgehende. Auf Grund der Corona-Epidemie hatte sich das Bundesjustizministerium entschlossen, die neue Büste in sehr kleinem Kreis einzuweihen. Pressevertreter waren – mit Ausnahme der Jüdischen Allgemeine – nicht geladen.
Die Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz Christine Lambrecht erläuterte in einer Rede, warum Fritz Bauer der richtige „Schutzpatron“ für das Bundesjustizministerium sei. Ihre Pressestelle hat uns dankenswerterweise das Manuskript ihrer Rede zur Verfügung gestellt und wir möchten es hier in Auszügen wiedergeben:
Meine Damen und Herren,
Eine Fritz Bauer-Büste – nicht eine Justitia-Statue. Das ist durchaus ungewöhnlich. Denn, wenn Sie die Justizministerien und Justizpaläste dieser Welt betreten, dann empfängt Sie in aller Regel die Göttin der Gerechtigkeit. Sie erscheint uns als junge Frau in erhabener Geste. Eine Toga bedeckt ihre anmutige Gestalt.
Aus welchem Grund thront hier in diesem Haus – im Herzen der deutschen Justizpolitik – nicht auch eine Justitia, anmutig und erhaben? Warum soll uns ihrerstatt der kritisch dreinblickende Charakterkopf Fritz Bauers in Empfang nehmen?
Meine Damen und Herren,
es waren auch und gerade Juristen, die die Shoa – das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte – organisiert und routiniert verwaltet haben. Es waren auch und gerade Juristen, die nach dem Krieg ihre Karrieren bruchlos fortgesetzt haben, als wäre nichts gewesen. Die um das unmenschliche Unrecht den Mantel des Schweigens gehüllt, die Taten vertuscht und die Täter gedeckt haben.
Diese furchtbaren Juristen haben Recht und Gerechtigkeit mit Füßen getreten. Und sie haben sich nicht geschämt, das unter den Augen von Justitia zu tun.
Unter der deutschen Juristenschaft gab es leider nur wenige mutige Ausnahmen. Fritz Bauer war eine solch mutige Ausnahme. Er wollte, wie er selbst sagte, „ein Jurist sein, der dem Gesetz und Recht, der Menschlichkeit und dem Frieden nicht nur Lippendienst leistet.“ Und das war Fritz Bauer: Der engagierte Sozialdemokrat und Sohn einer jüdischen Familie warnte früh vor den Nationalsozialisten. Als Richter beteiligte er sich am Generalstreik gegen ihre Machtübernahme. Er wurde zweimal verhaftet und monatelang interniert. Er floh, tauchte unter und schrieb aus dem Exil gegen die nationalsozialistischen Verbrechen an. Auch nach seiner Rückkehr aus dem Exil scheute er sich nicht, als engagierter Richter und Beamter politisch Stellung zu beziehen. Er setzte sich dafür ein, die Vergeltungsstrafe als ein Relikt autoritärer Denk- und Handlungsmuster abzuschaffen, weil er sie als unvereinbar mit dem Grundgesetz ansah.
Und als Generalstaatsanwalt gehörte er zu den ersten Juristinnen und Juristen, die in der jungen Bundesrepublik ernst gemacht haben mit der Verfolgung des NS-Unrechts. Fritz Bauer war es, der den ersten Frankfurter Auschwitz-Prozess initiierte. Zurecht hat die UNESCO die Akten dieses Prozesses in das Weltdokumentenerbe „Memory of the World“ aufgenommen.
Meine Damen und Herren,
wir wollen uns hier im Bundesjustiz- und Verbraucherschutzministerium nicht nur zu einer abstrakten Idee von Gerechtigkeit bekennen. Eine Idee, die sich viel zu oft als bloße Floskel entpuppt hat.
Vor allem wollen wir uns Menschen zum Vorbild nehmen, die Haltung und Tatkraft bewiesen haben, die sich mutig und engagiert um Menschlichkeit und Frieden verdient gemacht haben.
Deshalb soll hier nicht – anmutig und erhaben, aber auch distanziert und abstrakt – eine Statue von Justitia thronen. Stattdessen soll uns in diesem Foyer von nun an Fritz Bauers Charakterkopf mit kritischem Blick empfangen. Auf dem alltäglichen Weg zur Arbeit hält uns Fritz Bauer dazu an – nach seinen eigenen Worten –: „Seid Juristinnen und Juristen, die dem Gesetz und Recht, der Menschlichkeit und dem Frieden nicht nur Lippendienst leisten.“ […]