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Hessen: Flashmob für den Preisträger

Mitteilungen24208/2020Seite 40 - 42

In: Mitteilungen 242 (12/2020), S. 40 – 42

Marburger Leuchtfeuer 2020 für Stefan Diefenbach-Trommer

Er hat den ersten bundesweiten „Flashmob“ in Deutschland organisiert. Die Festgäste bei der Verleihung des Marburger Leuchtfeuers 2020 würdigten den Preisträger Stefan Diefenbach-Trommer mit einem „Flashmob“ im Historischen Saal des Marburger Renaissance-Rathauses.

Anschaulich berichtete Jutta Sundermann bei der Feierstunde am 9. Juli 2020 im Historischen Saal des Marburger Rathauses vom ersten bundesweiten Flashmob gegen den Börsengang der Deutschen Bahn am 8. September 2007. Damit habe Diefenbach-Trommer „Bewegungsgeschichte geschrieben“, erklärte die ATTAC-Mitgründerin. Der damalige Bahn-Chef Hartmut Mehdorn habe auf die Frage nach dem Wort „Flashmob“ etwas launig zur Antwort gegeben, dass Attac die Menschen im Land dazu aufrufe, „Unruhe in Bahnhöfen zu stiften“.

In ihrer Laudatio erinnerte sich Sundermann an viele gemeinsame Aktionen mit
dem Leuchtfeuer-Preisträger beim globalisierungskritischen Netzwerk ATTAC, bei der Anti-Atom-Organisation „Ausgestrahlt“ und bei der Allianz „Sicherheit für politische Willensbildung“. Klar und deutlich zeigte sie die Folgen des Entzugs der Gemeinnützigkeit für betroffene Organisationen auf, die weit über ausbleibende Einnahmen wegen nicht absetzbarer Spenden hinausgehen.

Nachdem ATTAC 2014 mit dem drohenden Entzug der Gemeinnützigkeit konfrontiert war, gründeten zahlreiche gemeinnützige Organisationen der Zivilgesellschaft die „Allianz Rechtssicherheit für politische Willensbildung“. Diefenbach-Trommer wurde ihr erster Vorstand. Den Zusammenschluss von inzwischen 175 Verbänden, Vereinen und Stiftungen leitet er bis heute.

Per Video-Botschaft gratulierte auch die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Stefan Diefenbach-Trommer zum Marburger Leuchtfeuer für Soziale Bürgerrechte. Sie hob seinen Einsatz für gemeinnütziges Engagement als unverzichtbaren Beitrag zur demokratischen Willensbildung hervor.

Als „Demokrat im besten Sinne“ lobte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies den Leuchtfeuer-Preisträger. Bei erregten Debatten auf Facebook hole er die Auseinandersetzung immer wieder auf ein sachliches Niveau zurück. „Klug und bedacht“ setze er sich für eine Neuregelung der Gemeinnützigkeitskriterien im Vereinsrecht ein. Ehrenamtliche Arbeit von Bürgerinnen und Bürgern als Bestandteil sozialen und politischen Engagements ist nach Auffassung der Leuchtfeuer-Jury unerlässliche Grundlage einer lebendigen Demokratie. „Die Aberkennung der Gemeinnützigkeit von ATTAC und Campact trifft die demokratische Meinungsbildung ins Mark“, heißt es in der Preisbegründung. Geradezu perfide ist in den Augen der Jury der Umgang mit der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN/BdA), die nach dem Ende der Nazi-Diktatur als Zusammenschluss der Überlebenden der Shoa gegründet wurde.

Die weitreichende Festlegung politischer Ziele der Vereinsarbeit ist für die Jury deswegen wichtige Grundbedingung für eine Teilhabe von Menschen unterschiedlichster politischer Richtungen am demokratischen Leben. Bereits im Februar 2020 haben die HU Marburg und die Jury einstimmig Kalkidan Chane als achtes Mitglied in die Jury berufen. Mit ihr bezieht die HU eine geflüchtete Frau in die Entscheidungen der Jury ein, die gleich mehrere Diskriminierungserfahrungen machen musste: Als politisch engagierte Oppositionelle, als – in Bezug auf Bildungsweg und Beruf benachteiligte – Frau in Afrika, als Geflüchtete in Europa und als Person of Color.

In  seinen Dankesworten richtete auch der Preisträger seine Aufmerksamkeit nicht nur auf Deutschland und Europa. Seine Arbeit bei der Allianz Rechtssicherheit für politische Willensbildung finanziert zu bekommen, sei ein Privileg, das viele andere weltweit nicht hätten.

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