Déjà-vu all over again
In: Mitteilungen 242 (12/2020), S. 14 – 15
In diesen seltsamen Pandemie-Zeiten verwischen sich Tage und Monate, das Zeitgefühl nimmt Schaden. Da hilft es wenig, dass auch der Blick auf die Nachrichten oft ein starkes Déjà-vu Gefühl auslöst.
Auf der Bundesinnenministerkonferenz am 19. Juni in Erfurt wurde auf einmal wieder nach der Vorratsdatenspeicherung gerufen. Diesmal ging es nicht um Terrorismusbekämpfung und Innere Sicherheit, sondern um Kindesmissbrauch. Es wurde festgestellt, man könne nicht Datenschutz über das Kindeswohl stellen“. Datenschutz sei ein abstrakter Schutz und es müsse das Wohl unserer Kinder im Zweifel Vorrang haben“ (so der sächsische Innenminister Roland Wöller). Wo ist die Zeit seit dem Gesetzesentwurf 2007 geblieben, was wurde aus dem Jahr 2010, in dem das Bundesverfassungsgericht den Entwurf kippte, oder dem Jahr 2015, in dem der Bundestag das Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten beschloss und den zahlreichen Verfassungsbeschwerden, die dem folgten? Hat es das Jahr 2019 überhaupt gegeben, in dem das Bundesverwaltungsgericht entschied, zwei Klagen gegen das deutsche Gesetz dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen um zu klären, ob eine nationale Speicherpflicht (wofür ?????) erlaubt ist? Die Jahre sind an der Innenministerkonferenz anscheinend spurlos vorbeigegangen.
Ähnlich wenig Spuren scheint die Zeit- (und Rechts-)geschichte bei den Autoren des Corona-Konjunkturpakets der Bundesregierung hinterlassen zu haben: Im Eckpunkte-Papier der Koalition heißt es, die Steuer-ID werde in eine verwaltungsübergreifende ID-Nummer verwandelt. Noch im Sommer soll das Innenministerium einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen. Auch das tönt nicht gerade neu. Die HU hat gegen die Einführung einer Steuer ID gekämpft, eben um eine verwaltungsübergreifende ID-Nummer zu verhindern und eine Musterklage angestrengt (und verloren). Von Regierungsseite wurde dabei wieder und wieder betont, dass eine verwaltungsübergreifende ID-Nummer nicht geplant sei. Die HU widersprach bereits 2008: Die Humanistische Union sieht in der Steuer-ID ein unzulässiges Personenkennzeichen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die neue Steuernummer künftig nicht von Finanzämtern, sondern auch anderen Behörden gespeichert und verwendet wird.
Zu dieser Ausdehnung der Anwendung der Steuer-ID als verwaltungsübergreifende ID passen auch die Planungen des Bundesinnenministerium zur Registermodernisierung des Bundes, der Länder und der Kommunen, die alle Ebenen der Verwaltung zusammenführen soll. Auch hier hilft eine kleine Zeitreise: im Jahr Jahr 1976 schrieb die HU in ihrer Erklärung der Humanistischen Union zum Personenkennzeichen und Datenschutz Ein einmal eingeführtes Personenkennzeichen kann praktisch nicht mehr rückgängig gemacht werden. Ein einmal eingeführtes Personen- kennzeichen kann dagegen leicht auf immer neue Bereiche ausgedehnt werden.
Jetzt könnte man sich natürlich daran erfreuen, wie Recht wir doch immer haben aber da würden wir uns doch lieber über etwas anderes freuen. Denn das Wiederauftauchen der immer gleichen besorgnisserregenden Ideen bedeutet, dass auch wir das tun müssen, was wir immer getan haben: Uns dagegen zur Wehr setzen.