Publikationen / vorgänge / vorgänge Nr. 243: Kritische Kriminalpolitik

Resto­ra­tiver Aboli­tio­nismus

Ausgehend von der Kriminalisierung neuer sozialer Bewegungen erläutert Otmar Hagemann in seinem begriffs- und rechtstheoretischen Beitrag, was Restorative Justice sein kann und tritt für ein breites, inklusives Verständnis des Begriffs ein. Er erläutert, dass Restorative Justice für heilende Gerechtigkeit, sozialen Frieden und eine restorative Gesellschaft steht und daraus ein restorativer Abolitionismus folgt. Ohne eine Utopie zu sein, steht die Idee einer restorativen Gesellschaft und einer transformativen Gerechtigkeit damit, so Hagemann, der hegemonialen sozialen Ordnung einer Politik des Strafens entgegen. Vor allem könnten mit der Restorative Justice Vorschläge und Lösungen für soziale und ökologische Probleme selbst diskutiert werden, die in Strafgerichtsverfahren als irrelevant ausgeklammert bleiben.

Einleitung

Seit 2022 tritt ein neues Phänomen abweichenden Verhaltens auf: Vorwiegend junge Menschen (organisiert als „Letzte Generation“) kleben sich selbst auf Straßen fest, um im Namen künftiger Generationen unter anderem gegen die unzureichende Bekämpfung des Klimawandels zu protestieren. Seitdem kommt es in Deutschland wegen solcher Aktionen neben Freisprüchen auch zu strafrechtlichen Verurteilungen.

Solche und andere neue soziale Bewegungen zielen auf eine restorative Gesellschaft. Ich möchte Restorative Justice (RJ), Transformative Justice und einige weitere Strömungen nicht gegeneinander ausspielen, sondern die Gemeinsamkeiten betonen und ein integratives Verständnis propagieren, das „Fridays for Future“ und „Black Lives Matter” als Bewegungen der RJ sieht, die auf Heilung, (sozialen) Frieden und eine restorative Gesellschaft ausgerichtet sind. Dafür müssen die gegenwärtigen hegemonialen Systeme erheblich transformiert werden.

 

Prof. Dr. Otmar Hagemann ist Professor für Soziologie und Sozialpädagogik an der Fachhochschule Kiel. Hauptarbeitsgebiete sind Kriminologie, Viktimologie und Restorative Justice. 2006 initiierte er das erste deutsche Projekt für Gemeinschaftskonferenzen im Strafrecht. Er ist Mitglied verschiedener internationaler Organisationen wie der World Society of Victimology und des European Forum for Restorative Justice. 2023 erschien sein Buch Restorative Justice. Heilung, Transformation, Gerechtigkeit und sozialer Frieden (DBH e. V.: Köln).

 

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