Publikationen / vorgänge / vorgänge Nr. 243: Kritische Kriminalpolitik

Minimales Strafrecht. Zum Gedenken an Alessandro Baratta, 1933-2002

In seinem einleitenden Beitrag arbeitet Johannes Feest die Auseinandersetzung des kritischen Juristen Alessandro Baratta mit einem minimalen Strafrecht und der Bedeutung des Garantismus heraus. Während Baratta und seine Ideen in Deutschland kaum Verwendung finden, argumentiert Feest, dass sich ein Blick auf dessen Kritik des Strafrechts, das immer nur Ultima Ratio sein sollte, lohnt, wenn man kritische Kriminalpolitik gegen die Ausweitung des Strafrechts betreiben will. Wichtig dabei sei insbesondere, dass die Debatte um ein minimales Strafrecht nicht auf abstrakter prinzipieller Ebene bleiben dürfte, sondern konkrete Handlungsfelder und Straftatbestände adressieren und kritisieren müsse, um eine „Entrümpelung“ des Strafrechts zu ermöglichen.

Punitivität gilt als Schlüsselbegriff der neueren Kritischen Kriminologie (Lautmann/Klimke 2004). Ein wichtiger Teil des so bezeichneten Phänomens ist die bevorzugte Nutzung des Strafrechts bei der Bewältigung sozialer Probleme (Smaus 1998, Rzepka 2004, Schlepper 2015). Dies als „neue Straflust“ zu bezeichnen, wie dies immer wieder getan wird, erscheint als eine unangebrachte Psychologisierung dieser Entwicklung. Nüchterner formuliert stellt die Kriminalisierung immer weitere Sachverhalte („Governing through Crime“) eine zunehmend als wahltaktisch erfolgversprechend erkannte neuere politische Strategie dar (Sack 2004), ein „Strafen als Mittel im parteipolitischen Machtkalkül“ (Naucke 2023: 49). Zugleich hat der herrschende Glaube an die präventive Kraft des Strafrechts zu einer zunehmenden Aushöhlung des Rechts-staates geführt (Naucke 2023: 60ff.).

 

Prof. Dr. Johannes Feest hat Rechtswissenschaft in Wien und München sowie Soziologie in Tübingen und Berkeley studiert. Er war von 1974 bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand 2005 Professor für Strafverfolgung, Strafvollzug und Strafrecht an der Universität Bremen. Von 1995 bis 1997 leitete er das International Institute for the Sociology of Law im baskischen Oñati. Im Ruhestand kümmert er sich verstärkt um Fragen des Strafvollzuges und der Sicherungsverwahrung. Von 1977 bis 2011 leitete er das Strafvollzugsarchiv. Seit 2009 ist er Mitglied der Jury des Ingeborg-Drewitz Literaturpreises für Gefangene. Von 2011 bis 2014 war er Vorsitzender des Beirats des Instituts für Rechts- und Kriminalsoziologie in Wien. Er ist Mitglied im Beirat des Kriminologischen Journals und Mitglied im Schildower Kreis, welcher sich für die Legalisierung von Drogen einsetzt. Seit 2022 ist der Vorstandsmitglied der Humanistischen Union.

Leider steht dieser Artikel nur in der Kaufversion der Zeitschrift vorgänge zur Verfügung. Sie können das Heft hier im Online-Shop der Humanistischen Union erwerben: die Druckausgabe für 14.- € zzgl. Versand, die PDF-/Online-Version für 5.- €.

 

nach oben