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Alles unter Kontrolle?

01. März 2000

Mit Videoüberwachung in den Überwachungsstaat

Mitteilung Nr. 169, S. 9

Als neues Wundermittel gegen Kriminalität preisen Geschäftsleute die Videoüberwachung öffentlicher Orte an. Die Berliner CDU will dies nun durchsetzen. Zuerst sollen die, zwischen 152.000 und 236.000 DM teuren, Kameras in einem Pilotprojekt am Hardenbergplatz eingesetzt werden (taz vom 12.8.99). Danach droht schrittweise die Überwachung der gesamten Innenstadt. Die BVG plant bereits Kameras in jedem U-Bahnwagen.

Der Nutzen ist zweifelhaft…

Von der Videoüberwachung wird behauptet, dass sie Straftaten verhindert und das Sicherheitsgefühl erhöht. Neuere Studien zeigen aber, dass sie bei den meisten Delikten vor allem zu einer Verlagerung in andere Gegenden führt. Drogenabhängige finden zum Beispiel andere Orte zur Besorgung des benötigten Stoffs. Solange der Staat den Drogenhändlern durch Verbot hohe Preise und Gewinnspannen garantiert, werden viele Junkies irgendwo klauen, sich prostituieren oder selbst dealen müssen.

Aber auch beim subjektiven Sicherheitsgefühl ließen sich nur kurzfristige Verbesserungen feststellen. Kriminologen beobachten seit Jahren, dass die Furcht vor Kriminalität wächst, obwohl die Zahl der registrierten Straftaten in vielen Bereichen stagniert oder sogar zurückgeht. Das Videokameras daran etwas ändern, ist zweifelhaft. Viele Menschen fühlen sich durch ständige Beobachtung eher verunsichert. Durch die Kameras wird oft erst die Wahrnehmung geschaffen, sich an einem, „gefährlichen Ort“ zu befinden. So entsteht ein Teufelskreis aus Angst und Angsterzeugung durch angebliche Sicherheitsmaßnahmen.

Ob im Fall eines tatsächlichen Übergriffs schnell Hilfe kommt bleibt unsicher. Vielmehr gibt es Anzeichen dafür, dass die Bereitschaft zu Zivilcourage z.B. bei rassistischen Überfällen in der U-Bahn abnimmt, wenn die Kamera zusieht („sollen die sich doch drum kümmern“). Das Verantwortungsgefühl füreinander im öffentlichen Raum schwindet, während im Namen der Utopie totaler Sicherheit, totalitäre Überwachungsinstrumente eingeführt werden.

…die bürgerrechtlichen Risiken sind sicher.

Wenn es nach der CDU geht, können im Zentrum Ostberlins eigentlich die alten Stasi-Kameras wieder aufgestellt werden. Das würde vielleicht die Anschaffungskosten vermindern, die die SPD noch zögern lassen. Die bürgerrechtlichen Kosten aber bleiben die gleichen:

Die Videokameras sind ein Schritt in Richtung Überwachungsstaat. Technisch möglich werden komplette Bewegungsbilder von Personen im öffentlichen Raum. „Intelligente Kameras“ sind bereits imstande, Gesichtsprofile zu erkennen und zu identifizieren. Unter welchen Umständen diese hochsensiblen Daten gespeichert und weitergegeben werden, bleibt ungewiss. Damit wird das verfassungsrechtlich verbürgte Recht auf informationelle Selbstbestimmung gefährdet.

Unabhängig davon, ob „man etwas zu verbergen hat“, darf der Staat nicht alles wissen wollen. Der Rechtsstaat kann nicht jede Person als potentielle Straftäterin betrachten. Mit flächendeckender Videoüberwachung gerät aber jeder ins Visier der Kontrollmaßnahmen. Jede Person wir verdächtigt. Untergraben werden damit die rechtsstaatliche Unschuldsvermutung und das Recht jedes Menschen, vom Staat in Ruhe gelassen zu werden, wenn nichts Konkretes gegen ihn vorliegt.

Videoüberwachung – Zu Risiken oder Nebenwirkungen fragen Sie Ihre Bürgerrechtsorganisation.

Die Videoüberwachung reiht sich ein in eine lange Liste von sicherheitspolitischen Maßnahmen, mit denen rechtsstaatliche Grundprinzipien aufs Spiel gesetzt werden. Von den Notstandsgesetzen, über den Lauschangriff, bis zur diesjährigen Verschärfung des Berliner Polizeigesetzes. Seit 1961 setzt die Humanistische Union dem Sicherheitswahn bürgerrechtliche Argumente entgegen. Gegenüber dem Ruf nach immer mehr Kontrolle machen wir die Freiheitsrechte des Individuums stark.

HU-Landesverband Berlin

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