Themen / Datenschutz

"Many Little Sisters": RFID-Tags

01. März 2003

Interview mit Nils Leopold aus dem Bremer Sonntagstip

Frage: Sandkorngroße Mikrochips – so genannte RFID-Tags – in Kleidung, Uhren, Rasierern und sogar in Müsliriegeln erleichtern dem Einzelhandel die Logistik ungemein. Können sie – beispielsweise nach dem Verlassen des Supermarktes – immer und überall Informationen über sich und somit auch über ihren Benutzer senden – Big Brother im Miniaturformat?Nils Leopold: Nein! Nicht „Big Brother“, sondern „many little sisters“ lautet heute das Thema!. Dem Verbraucher wird mit einer Technologie buchstäblich auf den Leib gerückt, dessen Verantwortlichen er kaum wird ermitteln können. Mit den sog. Identifikations-Tags rückt aber auch uferlose Manipulation und Überwachung in den Bereich des Möglichen. Eine weitere Facette auf den Weg in die Überwachungsgesellschaft gewissermaßen. Ohne Wissen der Kunden können intimste Nutzerprofile über jeden Bürger erstellt werden. Aus den Daten lassen sich hochsensible Rückschlüsse ziehen – etwa auf Krankheiten wie Alkoholismus o. ä. Zugleich können aktiv sendende ID-Tags von Dritten, nicht nur den Behörden (!) buchstäblich als Wanze etwa bei Fahndungen mißbraucht werden.Frage: Wäre eine solche Überwachung mit dem Datenschutz vereinbar?N.L.: Nein! Nach dem Datenschutzrecht bedarf es für eine derartige, besondere Gefahren beinhaltende Technologie einer gesonderten gesetzlichen Regelung. Die fehlt aber bislang in Deutschland. Der Verbraucher muß absolut freiwillig entscheiden können, ob er ein solches „verwanztes Produkt“ haben möchte. Und er muß in jedem Fall über die Funktion und den Inhalt des Chips informiert werden!Frage: Verursachen diese Mini-Sender Elektrosmog, sind sie womöglich gesundheitsschädlich?N.L.: Über gesundheitliche Risiken ist mir zwar bislang nichts bekannt geworden. Ich denke aber, die Hersteller werden ein solches Risiko für die Verbraucher nicht pauschal ausschließen können. Ein nah am Körper anliegender Chip, etwa in der Kleidung, birgt höhere Risiken als der Chip an der Milchtüte im Schrank. Auch wird die schiere Menge der bald im Alltag auftauchenden Chips bei der Bewertung ebenfalls eine Rolle spielen müssen.

Dieses Interview erschien im Bremer Sonntagstip

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