Themen / Datenschutz / Videoüberwachung

Möglich­keiten der Bespit­ze­lung in Berliner Hörsälen

17. November 2002

Humanistische Union fordert die Entfernung der Videokameras

Pressemitteilung der Humanistischen Union (HU-PE 2002/16)

Pressemitteilung (HU-PE 2002/16)
der Humanistischen Union, Bundesgeschäftsstelle

HUMANISTISCHE UNION zeigt sich empört über die Audio- und Videoüberwachung von Studierenden und Lehrenden und fordert unverzügliche Entfernung der Gerätschaften

Wie kürzlich überraschend und nur durch Aufmerksamkeit eines Studenten bekannt wurde, werden die Hörsäle der Berliner Humboldt-Universität (HUB) videoüberwacht und abgehört. Nach Ansicht der Universität soll es sich dabei allein um Maßnahmen zur „Kontrolle der Saaltechnik“ handeln.

Die HUMANISTISCHE UNION (HU), Deutschlands älteste Bürgerrechtsvereinigung, zeigt sich empört über den von verschiedenen Seiten gemachten Versuch, die Ungeheuerlichkeit dieses Vorganges herunterzuspielen. Dr. Till Müller Heidelberg, Rechtsanwalt und Vorsitzender der HU erklärt dazu:
„Schon die bloße Möglichkeit und damit Verunsicherung durch geheime Ton- und Videoüberwachungen in den Hörsälen einer der ältesten und dem Namen des Humanisten Wilhelm von Humboldts verpflichteten öffentlichen Universität ist ein Skandal. Dabei kann es nicht darauf ankommen, ob in ‚guter oder schlechter Absicht‘ gehandelt wurde. Auch ist noch keinesfalls ausgemacht, ob hinsichtlich der Audioüberwachungen nicht sogar strafbares Handeln mit im Spiel ist. In jedem Fall ist die bislang offenbar geheim gebliebene Ton- und Videoüberwachung ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht aller betroffenen Studenten und Lehrenden.“

Der Bundesvorsitzende der HU erklärt, es sei daher auch kaum nachzuvollziehen, warum die Existenz der noch aus DDR-Zeiten stammenden Kameras ausgerechnet an einem symbolträchtigen Ort der freien Lehre und des freien Diskurses von den Verantwortlichen heruntergespielt würde, sogar noch nach Bekanntwerden von Mißbrauchsfällen. Dazu Dr. Till Müller Heidelberg:
„Es kann doch wohl nicht angehen, wenn Gastdozenten durch eine anonyme Stimme aus dem Lautsprecher aufgefordert werden, ihre Getränke nicht mit in den Hörsaal zu nehmen und erst auf diesem Wege bemerken, in der Humboldt-Uni offenbar unter Dauerüberwachung zu stehen.“

Sofern für das Vorgehen überhaupt eine tragfähige Rechtsgrundlage gefunden werden könne, so müsse eine hinreichende Legitimation gleichwohl bereits an der fehlenden Verhältnismäßigkeit der Maßnahme scheitern. Dazu betont der HU-Vorsitzende: Sollte es der Uni allein um die technische Aussteuerung von Mikrophonen gehen, wäre eine in den Hörsälen bereitgestellte Telefonanlage zur Hausmeisterei ohne weiteres ausreichend und als milderes Mittel allen anderen Verfahren rechtlich zwingend vorzuziehen. Vor dem Hintergrund der geplanten Klage eines betroffenen Studenten gegen die Überwachung stellt die HU mit Bedauern fest, dass offenbar einmal mehr erst die Gerichte angerufen werden müssen, bevor sich bei den Verantwortlichen ein Bewußtsein für einfachste Grundvoraussetzungen eines freiheitlich-demokratischen und rechtsstaatlichen Miteinander einstellt.

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