Prof. Dr. Petra Velten: Verbindungsdaten in der Strafverfolgung
Vortrag auf der Fachtagung zur Vorratsdatenspeicherung am 17.9.2007 in Berlin
Einleitend stellte Petra Velten die Bedeutung der Vorratsdatenspeicherung für die Publizität des Handelns dar: Durch die Vielzahl verdeckter staatlicher Informationsgewinnungen werde der Bürger zunehmend durchschaubar und kontrollierbar. Umgekehrt sei das staatliche Handeln nur begrenzt überprüfbar, weil ein effektiver Rechtsschutz gegen verdeckte Ermittlungen kaum möglich sei. Allein durch die gespeicherte Datenmenge komme es heute zu einem großen Zuwachs an Öffentlichkeit des Privatlebens und zur Unüberschaubarkeit von Grundrechtseingriffen für den Bürger. Insofern stelle die Vorratsdatenspeicherung einen weiteren Schritt zu einer panoptischen Gesellschaft dar, in der jetzt die Telekommunikationsbeziehungen der gesamten Gesellschaft rekonstruiert werden können.
Anschließend widmete sich Frau Velten den ermittlungspraktischen Auswirkungen der Vorratsdatenspeicherung: Wer ist von der Auswertung solcher Daten betroffen? Dazu stellte sie zunächst die vorgesehenen Regeln für den Zugriff auf die Bestandsdaten (Namen, Anschrift, Kundennummern und -kennungen) sowie die Verbindungsdaten (Kommunikationsart, Zeitangaben, Standorte…) dar. Auf die Daten über konkrete Kommunikationsvorgänge könnten die Strafverfolger erst bei einem Tatverdacht ( § 100g StPO) zugreifen, allerdings beträfe dies dann nicht nur den Beschuldigten, sondern auch dessen Kontaktpersonen (Nachrichtenmittler), wodurch eine erste Streuung des Eingriffs stattfinde. „Frage: Findet jetzt eine nachträgliche Minimalisierung dieses Eingriffs statt? Antwort: Nein!“ Der weitere Zugriff auf die Daten sei rechtlich kaum beschränkt, denn das Gesetz berücksichtige nicht alle sonst geltenden Zeugnisverweigerungsrechte, erlaube bei einem Tatverdacht den Zugriff auf die Daten sämtlicher Personen im Umfeld des Tatverdächtigen, führe zu neuen Vorfeldmaßnahmen und erlaube auch, Zufallsfunde bei Bagatellstraftaten als Ermittlungsansatz zu verwenden.
Aus einer kriminologischen Sicht heraus sei die Haltung „Wer nichts zu verbergen hat…“ absurd. Zu Beginn ihrer Strafrechts-Vorlesungen führe sie jedesmal eine anonyme Dunkelfeld-Befragung nach der Delinquenz ihrer Studierenden durch: „Vieleicht ist bei 200 Leuten mal ein Mensch, der nichts gemacht hat. Aber wir alle delinquieren, seien sie sicher!“ Aufgrund dieser Ubiquität von Kriminalität könnten Kommunikationsdaten dazu dienen, dass die Strafverfolger selbst praktisch gegen Jede und Jeden jenen Verdacht schöpfen können, den sie für die Begründung weitergehender Ermittlungen benötigen. Seien erste Anhaltspunkte in den Kommunikationsdaten gefunden worden, ließen sich weitere Ermittlungen immer mit dem Legalitätsprinzip begründen und eine wirksame Kontrolle der Strafverfolger sei nicht mehr möglich. „Rechtsstaat ist eben nicht Vertrauen – da würde ich Herrn Würtenberger widersprechen. Rechtsstaat ist Kontrolle, und die haben wir abgebaut.“
Schließlich bestehe bei der Verwendung von Kommunikationsdaten im Strafverfahren ein erhebliches Risiko für false positives, die Verurteilung der falschen Personen: Datenspuren sind in der Regel keine Spuren der Tat, sondern Spuren der Täter. Diese Datenspuren würden in ihrer Aussagekraft häufig überbewertet und führten dazu, andere Ermittlungsansätze zu vernachlässigen. Wenn es dann zur Hauptverhandlung komme, sei es meist zu spät, diesen Fehler zu korrigieren.
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