Tausend Augen schauen zu. Berliner Senat verweigert gründliche Evaluation der Videoüberwachung
Die Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union fordert den Berliner Senat auf, die Videoüberwachung im öffentlichen Personennahverkehr umfassend zu evaluieren.
Wie jetzt bekannt wurde, lässt der Berliner Senat die gesetzlich vorgesehene Überprüfung der Videoüberwachung im öffentlichen Nahverkehr Berlins ins Leere laufen. In seiner Antwort auf eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Benedikt Lux (Drs. 16/13853) gab der Berliner Innensenator bekannt, dass man lediglich die durch die Polizei selbst angefertigten Videoaufzeichnungen evaluieren werde, die von den Verkehrsbetrieben praktizierte Videoüberwachung hingegen nicht.
Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) dürfen seit zwei Jahren alle Aufzeichnungen ihrer Videokameras auf Bahnhöfen und in Zügen 24 Stunden lang speichern. Mit tausenden Kameras betreibt die BVG eine der größten, flächendeckenden Videoüberwachungsanlagen Deutschlands. Dass deren Auswirkungen nicht ernsthaft überprüft werden, kritisiert Anja Heinrich, Geschäftsführerin der Humanistischen Union Berlin-Brandenburg: „Wir fordern eine aussagekräftige Evaluation über die Wirksamkeit und die Nebeneffekte der Videoüberwachung bei der BVG. Auf die vom Senat angekündigte Schmalspurauswertung können wir verzichten.“ Als aufmerksamer Beobachter wisse man, dass die Videoüberwachung durch die Berliner Polizei auf dem BVG-Gelände faktisch keine Rolle spiele, da die Polizei selbst kaum aufzeichnet. Der vom Senat angekündigte Bericht werde daher nur feststellen, dass die Polizei von den Befugnissen zur eigenen Videoaufzeichnung kaum Gebrauch mache.
Anja Heinrich hält dies für einen Taschenspielertrick: Der Senat habe dafür gesorgt, dass die Videoaufzeichnungen von der BVG erstellt werden, verschaffte dann der Polizei einen gesetzlichen Zugang zu den Daten. „Während die Polizei kaum eigene Aufzeichnungen anstellt, überwachen die Berliner Verkehrsbetriebe seit zwei Jahren auf allen U-Bahnhöfen und in immer mehr Bussen und Bahnen ihre Fahrgäste, 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche. Ob das sinnvoll und angemessen ist, interessiert den Senat aber nicht.“ Für die Bürgerinnen und Bürger mache es aber keinen Unterschied, ob die Kamera der Polizei oder der BVG gehört, die sie überwacht.
Eine umfassende Evaluation müsste prüfen, ob der mit dem Gesetz verfolgte Zweck erreicht werde und es keine milderen Mittel gebe, um die Sicherheit im Nahverkehr zu gewährleisten. Der bisher angekündigte Bericht könne kaum klären, ob Videoüberwachung bei der Verbrechensbekämpfung eine entscheidende Rolle spielt oder nicht. „Der Senat hat hier eine Bringschuld. Er muss beweisen, dass er zu Recht alle Benutzer der öffentlich zugänglichen U-Bahnstationen, U-Bahnen, Busse und Straßenbahnen unter einen Generalverdacht stellt.“
Die Bürgerrechtlerin erinnert daran, dass vor zwei Jahren die KritikerInnen der neuen Videoüberwachung mit der versprochenen Evaluation beruhigt wurden. Im Herbst 2007 hatte die rot-rote Koalition die notwendigen Änderungen des Polizeigesetzes (ASOG) und des Datenschutzgesetzes gegen erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelungen durchgesetzt. Damals versprach man, die neuen Befugnisse innerhalb von zwei Jahren auf ihren Nutzen zu überprüfen. Diese Antwort bleibt der für Ende Januar angekündigte Bericht aber schuldig. Welche Rolle die Videoaufzeichnungen in Ermittlungs- und Strafverfahren spielen, darüber wird der Senat keine Auskunft geben. „Dass der Senat keine echte Evaluation der Videoüberwachung bei der BVG will, wundert uns nicht“, so Anja Heinrich. „Bereits in der Erprobungsphase der jetzigen Videoaufzeichnung hat eine interne Evaluation bei der U-Bahn ergeben, dass der Einsatz von Kameras auf Bahnsteigen trotz des erheblichen Aufwandes keinen Sicherheitsgewinn bringt.“
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Für Rückfragen stehen Ihnen zur Verfügung:
- Anja Heinrich, Landesgeschäftsführerin Berlin-Brandenburg: Tel. 030 / 204 25 04
- Sven Lüders, Bundesgeschäftsführer der Humanistischen Union: Tel. 030 / 204 502 56