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Humanis­ti­sche Union gegen Strafgebühr für Kirche­n­aus­tritt

12. August 2008

Die Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union (HU) bedauert, dass das Bundesverfassungsgericht erneut eine Gelegenheit verpasst hat, kirchliche Privilegien zu kassieren. In einer am Freitag, dem 8. August 2008, bekannt gewordenen Entscheidung bestätigte das Gericht die Zulässigkeit der nordrhein-westfälischen Kirchenaustrittsgebühren.

Demnach habe der Austritt aus denjenigen Religionsgemeinschaften, die steuererhebungsberechtigt sind, nach Maßgabe staatlichen Rechts bei den jeweils zuständigen Landesbehörden zu erfolgen. Zulässig sei, dass der Austritt an die vorherige Zahlung einer Verwaltungsgebühr gekoppelt werde, die – je nach Landesrecht – bis zu 50 € betragen kann.

Gegen diese Gebühr hatte ein Bürger aus Nordrhein-Westfalen beim Amtsgericht Köln vergeblich geklagt. Das Bundesverfassungsgericht hatte es abgelehnt, die dagegen erhobene Verfassungsbeschwerde anzunehmen, obwohl es dem  Amtsgericht bescheinigt, dass es die Rechtslage „grundlegend verkannt“ habe.

Zu der Nichtannahme-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts stellt Johann-Albrecht Haupt, Mitglied des Bundesvorstandes der Humanistischen Union, fest: „Das höchste deutsche Gericht gibt zu, dass in dem staatlichen Austrittsverfahren und der Gebühr dafür eine Einschränkung der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit liegt.“ Diese Einschränkung hielten die Richter gleichwohl „zur Sicherstellung einer geordneten Verwaltung der Kirchensteuer“ für erforderlich. Nach ihrer Ansicht sei nur bei staatlicher Beteiligung gewährleistet, dass der genaue Zeitpunkt des Austritts sowie die Authentizität und die Ernsthaftigkeit der Austrittserklärung hinreichend klar festgestellt werden könnten. „Ich halte diese Begründung schon deshalb für verfehlt“, so Haupt weiter, „weil für den Austritt nicht andere Maßstäbe gelten dürfen als für den Eintritt. Der Kircheneintritt erfolgt ja auch ohne staatliche Mitwirkung und gebührenfrei. Müssen Zeitpunkt, Authentizität und Ernsthaftigkeit des Eintritts nach der Logik des Bundesverfassungsgerichts denn nicht amtlich festgestellt werden?“ Wenn eine staatliche Mitwirkung insgesamt aber nicht geboten sei, kann es auch keine Rechtfertigung für eine Austrittsgebühr geben, betont Johann-Albrecht Haupt. Im übrigen gebe es die Austrittshürden lediglich bei den christlichen Kirchen und den jüdischen  Glaubensgemeinschaften, weil nur diese sog. Körperschaften des öffentlichen Rechts und steuererhebungsberechtigt sind. Aus anderen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften ist der Austritt jederzeit formlos und gebührenfrei möglich. „Der Gleichheitsverstoß ist nach unserer Auffassung evident.“

Soweit das Gericht das Austrittsverfahren damit rechtfertigt, dass der Kirchensteuereinzug eine „gemeinsame Angelegenheit von Staat und Kirche“ sei, widerspricht die HU dieser Auffassung nachdrücklich. Nach dem Grundgesetz sind lediglich die Religionsgemeinschaften (nicht etwa der Staat) berechtigt, „auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten“ Steuern zu erheben. Haupt wies darauf hin, dass der staatliche Steuereinzug vom Grundgesetz nicht gedeckt sei und dem Grundsatz der Trennung von Staat und Religionsgemeinschaften widerspreche. „Er wird deshalb außerhalb Deutschlands kaum praktiziert.

Hintergrund:

Nichtannahme-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Verfahren 1 BvR 3006/07 vom 2. Juli 2008: www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rk20080702_1bvr300607.html

Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts vom 8. August 2008: Gebührenpflichtiges Verfahren zum Kirchenaustritt verfassungsgemäß

www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg08-079.html

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