Beitragsbild Bericht von der Mitgliederversammlung 2024
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Bericht von der Mitglie­der­ver­samm­lung 2024

Mitteilungen25302/2025Seite 6-11

Am 16. und 17. November 2024 traf sich die Humanistische Union zur ihrer jährlichen Mitgliederversammlung im Haus der Demokratie und Menschenrechte in Berlin und online.

Samstag, 16.11.2024

Die Mitgliederversammlung der Humanistischen Union beginnt mit der Eröffnung und Begrüßung durch den Bundesvorsitzenden der Humanistischen Union, Stefan Hügel. Die Mitglieder wurden satzungsgemäß und fristgerecht geladen. Till Müller-Heidelberg und Axel Bussmer werden einstimmig zur Tagungsleitung gewählt. Philip Dingeldey wird einstimmig zur Protokollführung gewählt. Die vom Bundesvorstand vorgeschlagene Geschäftsordnung wird ohne Gegenstimmen beschlossen. Auf die Wahl einer Antragskommission wird einstimmig verzichtet. Die vom Bundesvorstand vorgeschlagene Tagesordnung wird einstimmig angenommen.

Zunächst folgen die Berichte. Tobias Baur und Axel Bußmer berichten von den Aktivitäten des Landesverbandes Berlin-Brandenburg. Die Veranstaltungsreihe „Vesper – Menschenrechte aktuell“ gibt es inzwischen nicht mehr, da das Haus der Demokratie und Menschenrechte nicht mehr als Mitveranstalter der Reihe auftritt. Folglich hat das Haus Miete für die Veranstaltungsräume verlangt. Das kann der Landesverband nicht bezahlen, weswegen die Reihe nicht mehr fortgesetzt wird. 2024 wurden drei Dokumentarfilme gezeigt, mit einer anschließenden Diskussion. Darüber hinaus gab es ein publiziertes Onlinegespräch von Hartmut Aden mit den Polizeibeauftragten von Berlin und Brandenburg. Der LV hat außerdem eine Pressemitteilung zur Landtagswahl in Brandenburg veröffentlicht: „Populismus ist keine Lösung“. Derzeit wird diskutiert, wie es mit dem Landesverband weitergehen soll. Denn bei der vergangenen Mitgliederversammlung kam es zu keiner Wahl eines Landesvorstandes. Momentan plant der Landesverband einen monatlichen analogen Stammtisch. Den Auftakt soll dabei eine Debatte zu Demokratie in der Europäischen Union machen. Tobias Baur vertritt auf der Berliner Freiwilligenbörse und in der Engagementpolitik die HU. Dort galt die Demokratieförderung als entscheidendes Thema. Zudem vertritt Baur weiterhin die Humanistische Union im Kuratorium des Hauses der Demokratie und Menschen-rechte. Er berichtet von einer Mieterhöhung für die Räume der Bundes- und Landesgeschäftsstelle im Haus, damit die Stiftung des Hauses der Demokratie und Menschenrechte in vier bis fünf Jahren schuldenfrei sein kann. Stefan Hügel berichtet, dass es in Frankfurt am Main keine HU-Aktivitäten mehr gibt. Jedoch gab es im Ortsverband Marburg eine Reihe an Aktivitäten: Neben der Verleihung des Bürgerrechtspreises Marburger Leuchtfeuer 2024 an Ottmar Miles-Paul gab es eine Reihe an Veranstaltungen und Pressemitteilungen, meist organisiert von Franz-Josef Hanke. Zudem war Hanke erfolgreich mit einer Verfassungsklage gegen das hessische Verfassungsschutzgesetz.

Auf die Kurzberichte aus den Regionen folgt der Bericht des Bundesvorstands: Stefan Hügel berichtet für den Bundesvorstand. Im Berichtszeitraum (Oktober 2022 bis November 2024) ist die personale Neuaufstellung der Geschäftsführung gelungen. Die Zeitschrift vorgänge wird konsolidiert, und die Verspätungen der Publikationen der Hefte werden aufgeholt. Die Humanistische Union hat einige Veranstaltungen organisiert: eine Podiumsdiskussion zum Thema Triage (2023 in Marburg), ein Symposium für Martin Kutscha (2023, hybrid, in Berlin), die Präsentation des Grundrechtereports 2023 und 2024 (hybrid, in Berlin), die Verleihung des Fritz-Bauer-Preises 2023 (hybrid, in Rastatt), eine Podiumsdiskussion zum Cannabis-Gesetz (2024, online) und eine Filmvorführung mit anschließender Podiumsdiskussion zum Film ETERNAL YOU (2024, in Berlin) organisiert. Seit Oktober 2024 kommt noch der monatlich stattfindende virtuelle Stammtisch dazu. Bei Veranstaltungen wird inzwischen darauf geachtet, diese möglichst online durchzuführen, um Kosten zu sparen. Zudem gab es eine Reihe an Pressemitteilungen. Dominant waren dabei die Themen Klimarechte, Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit, Recht auf Bildung, das Verhältnis von Staat und Kirche, Künstliche Intelligenz und Überwachung, der Ukraine-Krieg, der Gaza-Konflikt sowie Sterbehilfe. Darüber hinaus haben Bundesvorstand und Bundesgeschäftsstelle eine Reihe von virtuellen Arbeitskreisen initiiert: Demokratisierung (seit Oktober 2023), „Quo vadis, HU?“ (seit Juni 2024) und Bürgerrechte in Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz (seit September 2024). Ein großes Diskussionsthema innerhalb des Bundesvorstands war im Jahr 2024 die Frage eines AfD-Verbots, und ob ein solcher Antrag unterstützt werden soll. Der Vorstand hat sich dagegen entschieden.

Philip Dingeldey berichtet für die Bundesgeschäftsführung zur Mitgliederentwicklung. Der Trend der sinkenden Mitgliederzahlen schreitet fort. Dabei lässt sich statistisch nicht repräsentativ ermitteln, warum Personen austreten, da die meisten keine Gründe für den Austritt angeben. Austrittsgründe können sein: Tod, Alter und Gesundheit, Geld, politische Positionen der HU oder interne Kündigungen, wenn ein nichtzahlendes Mitglied nicht erreichbar beziehungsweise unbekannt verzogen ist. Insgesamt ist die Humanistische Union überaltert, und es kommen nur wenige junge Mitglieder nach. 2024 sind mehr Menschen eingetreten als im Vorjahr. Dennoch übersteigt die Anzahl an Austritten die der Eintritte. Alle Austritte im Jahr 2024 aufgrund der politischen Positionen der HU bezogen sich bis dato auf die Positionierung im Gaza-Konflikt. Carola Otte berichtet für die Geschäftsführung und den Bundesvorstand zur Finanzlage 2022-2023. Der größte Teil der Vereinsfinanzierung erfolgt nach wie vor über Mitgliedsbeiträge. Die höchsten Kosten sind die Gehälter des hauptamtlichen Personals. 2023 wurde ein Minus von 43.000 Euro erwirtschaftet, da die Ausgaben steigen, aber die Einnahmen sinken, sodass der Bundesvorstand, genehmigt von der Mitgliederversammlung 2023, mehr als zehn Prozent des Vereinsgeldes verwenden musste. Für 2024 und 2025 wird dies aufgrund zweier Erbschaften voraussichtlich nicht nötig sein. Das wird zunächst das strukturelle Defizit beseitigen, wodurch das finanzielle Problem aber lediglich aufgeschoben wird.

In der anschließenden Aussprache werden die Frage, wie die Humanistische Union Mitglieder und Finanzmittel gewinnen kann, und jene, wie sich die Humanistische Union zur AfD verhalten soll, diskutiert.

Zur Gewinnung von Mitgliedern und Finanzmitteln wird diskutiert, ob die HU wieder Geldauflagen bei Gerichtsverurteilungen erhalten könnte. Ernst Fricke will die Humanistische Union in entsprechende Listen bei Gerichten wieder eintragen lassen und empfiehlt einen Fokus auf Hassverbrechen. Eine Verurteilung in einem solchen Fall gilt als Wiedergutmachung, mit der Auflage, an bestimmte Vereine Geld zu zahlen. Anwältinnen und Anwälte könnten Richterinnen und Richter überzeugen, als einen solchen Verein die Humanistische Union auszuwählen. Die Diskussion führt zum Ergebnis, dass ein Platz auf einer entsprechenden Vereinsliste bei Gericht nur wirkt, wenn Juristinnen und Juristen aus dem Verein oder befreundete Juristinnen und Juristen die HU dabei unterstützen wollen. Tobias Baur merkt darüber hinaus an, dass der Mitgliederschwund mit politischen Großthemen zusammenhänge, wie Corona oder Populismus. Zudem gerieten linksliberale und grundrechtliche Themen (gerade im Zusammenhang mit Flucht und Migration) zunehmend unter Beschuss. Man könne zwar offensiv Mitgliederwerbung betreiben, aber das politische Engagement werde fluider. Gerade jüngere Menschen engagieren sich vielseitig in Netzwerken, aber treten weniger in Vereine mit alten Infrastrukturen ein. Franz-Josef Hanke stimmt der These des fluiden Engagements zu, ergänzt aber, es könne gelingen, Nichtmitglieder in die Arbeitsstrukturen einzubinden. Ein weiterer Vorschlag von Norman Bäuerle sieht vor, durch zugespitzte politische Positionen Menschen anzuziehen. Stefan Hügel bemerkt, dass der Verein nicht nur durch politische Aktivität und Veranstaltungen Mitglieder und Spenderinnen und Spender anwerben sollte, sondern auch die erfolgreiche Beantragung von Drittmitteln könne die HU retten. Eine weitere Reduktion von Kosten, etwa beim Personal, würde einen Untergang aber nur beschleunigen. Es gelte, sich innerhalb von fünf Jahren finanziell zu konsolidieren.

Ernst Fricke und Wolfram Grams berichten, dass es im Bundesvorstand eine intensive Debatte um ein AfD-Verbot und eine entsprechende Initiative von NGOs gegeben hat. An diesem Bündnis möchte man sich nicht beteiligen, da die Humanistische Union keine Parteiverbote unterstützen möchte. Dies findet Widerhall in der Mitgliederversammlung. Grams betont aber andererseits auch die Menschenfeindlichkeit der AfD, die faschistische Sprache und die Entstehung einer faschistischen Massenbasis. Rosemarie Will widerspricht der These einer faschistischen Massenbasis, denn der Faschismus (als Elitenprojekt) habe andere Ursachen als der Erfolg der AfD. Darüber hinaus kritisiert sie, dass die HU – abseits der Frage des Parteiverbots – keine klare politische Auseinandersetzung mit einer analytischen Aussage und bürgerrechtlichen Positionen liefere. Mehre Vereinsmitglieder bemerken zudem, dass nicht nur die AfD eine menschenfeindliche Politik betreibe.

Folgen sollte nun der Revisionsbericht. Eine Revision hat nicht stattgefunden, und die Revisorinnen und Revisoren sind nicht anwesend. Daher ist keine Entlastung des Bundesvorstandes möglich.

Daran schließen eine Reihe von Wahlen an, begonnen mit der Wahl des Bundesvorsitzes: Stefan Hügel erklärt sich bereit, wieder für das Amt des Bundesvorsitzenden zu kandidieren. Es gibt keine weiteren Kandidierenden. Die Wahl wird geheim abgehalten. Die Abstimmungsberechtigten sind die zu diesem Tagesordnungspunkt anwesenden Mitglieder. Jede wahl-berechtigte Person hat eine Stimme. Abgestimmt werden kann mit einer Ja-Stimme (für Hügel), einer Nein-Stimme (gegen Hügel) und Enthaltung. Für die Wiederwahl ist eine Mehrheit von mehr als der Hälfte der abgegebenen Stimmen nötig. Stefan Hügel wird mehrheitlich zum Bundesvorsitzenden gewählt.

Als nächstes werden die Mitglieder des Bundesvorstandes gewählt: Werner Bergmann, Joahnnes Feest, Ernst Fricke, Wolfram Grams und Thomas Schindelbeck (ehemals Messerer) kandidieren abermals für den Bundesvorstand. Neu kandidiert Daniela Klimke. Die Wahl findet geheim statt. Jede wahlberechtigte Person hat sechs Stimmen. Pro Kandidatin oder Kandidat kann maximal eine Stimme vergeben werden. Gewählt ist, wer mehr als die Hälfte der Stimmen erhält. Alle sechs Kandidatinnen und Kandidaten werden mehrheitlich in den Bundesvorstand gewählt.

Es folgen die Wahlen des Schiedsgerichts, der Wahlkommission, der Revisorinnen und Revisoren sowie der Diskussionsredaktion. Auf Vorschlag von Till Müller-Heidelberg wird jeweils en bloc gewählt. Die Wahlen finden offen statt. Jede wahlberechtigte Person hat pro Wahlgang eine Stimme. Für die Wahl ist eine Mehrheit von mehr als der Hälfte der abgegebenen Stimmen nötig.

Jakob Bach und Naomi Imanishi sind derzeit als Revisorinnen und Revisoren tätig. Naomi Imanishi hat vorab ihre Kandidatur erklärt. Von Jakob Bach gibt es keine Rückmeldung zu einer Kandidatur. Es gibt keine anderen Kandidierenden. Das Wahlergebnis lautet: Jakob Bach und Naomi Imanishi werden einstimmig zur Revisorin/zum Revisor gewählt.

Die Kandidierenden für das Schiedsgericht sind: Tobias Baur, Udo Kauß, Helga Lenz, Till Müller-Heidelberg und Rosemarie Will. Alle Kandidatinnen und Kandidaten werden ohne Gegenstimmen für das Schiedsgericht gewählt.

Die Kandidierenden für die Wahlkommission sind: Werner Koep-Kerstin, Helga Lenz, Karten Rydzy, Frank Spade und Rosemarie Will. Alle Kandidatinnen und Kandidaten werden ohne Gegenstimmen in die Wahlkommission gewählt.

Johann-Albrecht Haupt kandidiert wieder für die Diskussionsredaktion. Er wird ohne Gegenstimmen für die Diskussionsredaktion gewählt.

Sonntag, 17.11.

Am Sonntag werden die eingegangenen Anträge diskutiert und über sie entschieden. Über alle Anträge wird offen abgestimmt.

Antrag 1: Positionspapier des Arbeitskreises Demokratisierung.

Antragsteller: Arbeitskreis Demokratisierung der Humanistischen Union.

Antragstext:

„Die Mitgliederversammlung möge – auf Basis des vorliegenden Positionspapiers „Demokratisierung“ des gleichnamigen Arbeitskreises der Humanistischen Union – Folgendes beschließen:

  • Die Mitgliederversammlung schätzt die bisherige Arbeit des Arbeitskreises wert und ermuntert den Arbeitskreis zur Weiterarbeit.
  • Der Arbeitskreis soll zusammen mit dem Bundesvorstand der Humanistischen Union Personen mit Expertise im Bereich Verfassungsrecht identifizieren, die sich in Kürze zu den Vorschlägen des AKs äußern.
  • Der AK soll in Zusammenarbeit mit dem Bundesvorstand mit Demokratisierungsforderungen und -vorschlägen versuchen, durch angemessene Verbreitung auf Bundestagswahlkampfthemen Einfluss zu nehmen.

Begründung: erfolgt mündlich und anhand des Positionspapiers.“

Philip Dingeldey und Franz-Josef Hanke präsentieren das dazugehörige Positionspapier (siehe hierzu auch den Beitrag in diesem Heft). Die anderen Mitglieder des Arbeitskreises Demokratisierung ergänzen dies. Es folgt eine umfassende Diskussion zum Positionspapier. Auf Antrag von Till Müller-Heidelberg wird über die einzelnen Punkte des Antrags getrennt voneinander abgestimmt. Die Mitgliederversammlung stimmt mehrheitlich für alle Punkte des Antrags, er ist damit angenommen.

Antrag 2: Jerusalemdeklaration.

Antragstellerin: Helga Lenz.

Antragstext:

„Die HU möge sich auf Grundlage der Jerusalemdeklaration gegen Beschränkungen der bürgerrechtlichen Proteste, der sozialen und kulturellen Projekte in Deutschland, Israel und Palästina einsetzen.

Die HU schließt sich dem offenen Brief zum Betrieb von Wissenschaft und Kunst in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung an.“

Stefan Hügel merkt an, dass sich die Humanistische Union besagtem offenen Brief bereits angeschlossen hat. Dennoch ist eine Mehrheit der anwesenden Mitglieder dafür, über den Antrag abzustimmen. Der Antrag wird mehrheitlich angenommen.

Antrag 3: Ökologisches Verhalten im Kleinen

Antragsteller: Frank Spade

Nach einer Diskussion passt Frank Spade auf Vorschlag von Stefan Hügel den vorgelegten Antrag an. Er lautet nun wie folgt:

„Die Mitgliederversammlung möge beschließen, dass die Humanistische Union in ihrem Handeln ökologische Kriterien berücksichtigt.“

Der Antrag wird mehrheitlich angenommen.

Antrag 4: Vorsorge für die letzte Lebensphase

Antragsteller: Frank Spade

Der Antragssteller berichtet, dass er für die HU individuelle Patientenverfügungen an-bieten und man sich den Erlös teilen könnte. Stefan Hügel erklärt, dass Frank Spade diesen Vorschlag dem Bundesvorstand bereits unterbreitet hat, dieser noch zu keinem endgültigem Ergebnis gekommen sei. Auf Vorschlag von Till Müller-Heidelberg passt Frank Spade den Antrag an. Er lautet nun wie folgt:

„Der Bundesvorstand möge sich mit dem Modell der Patientensorge befassen und selbstständig entscheiden.“

Der Antrag wird mehrheitlich angenommen.

Damit endet die Mitgliederversammlung 2024.

Philip Dingeldey

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