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Kommunale Strategien gegen Rechts­ex­tre­mismus

vorgängevorgänge 16503/2004Seite 49-55

aus: Vorgänge Nr. 165 ( Heft 1/2004), S.49-55

Als ein besonderer Aspekt der „Krise des Lokalen” müssen die Erscheinungen des Rechtsextremismus vor allem in den ostdeutschen Städten und Gemeinden bezeichnet werden. Hier hat sich in den letzten vierzehn Jahren der Rechtsextremismus neu formiert, verfestigt und ausdifferenziert. Im Sommer 2000 wurde in der damaligen Debatte erstmals durch einen hochrangigen deutschen Politiker, Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, deutlich darauf hingewiesen, dass Fremdenfeindlichkeit bei nicht wenigen Bürger/innen ein selbstverständlicher Teil des Alltagsbewusstsein und der Rechtsextremismus als ein kulturelles Phänomen in vielen ostdeutschen Städten und Gemeinden alltäglich geworden ist.

In der Betrachtung des Rechtsextremismus waren lange Zeit zwei Bilder dominant: Ein Ausgangspunkt sind die politischen Parteien der extremen Rechten (DVU, Republikaner, NPD) und ihr Abschneiden bei Wahlen. Dabei wird immer wieder konstatiert, das es der extremen Rechten kaum gelingt, das rechtsradikale Einstellungspotenzial (1998 betrug dieses nach unserer Messung bundesweit 13 Prozent, in Westdeutschland waren es 12, in Ostdeutschland 17 Prozent), von einzelnen Wahlerfolgen abgesehen, zu mobilisieren (Stöss 2000: 31).

Eine zweite Betrachtungsweise bezieht sich vor allem auf Rechtsextremismus als Jugend- bzw. Jugendgewaltphänomen. Insbesondere kriminologische und erziehungswissenschaftliche Analysen untersuchen das Verhalten von fremdenfeindlichen und rechtsextrem orientierten Jugendlichen und entwickeln dementsprechend meist pädagogische Maßnahmen für Schule, Jugendhilfe und Ausbildung. In der ersten Betrachtungsweise wird vernachlässigt, dass sich neben den politischen Parteien der extremen Rechten eine rechte Subkulturszene aus Kameradschaft, Skinheads und rechtem Lifestyle herausgebildet hat, die über Wahlen hinaus und auch ohne Parteistrukturen im lokalen Raum mobilisierungsfähig und aktionsbereit sind. Die Betrachtung „Rechtsextremismus als Jugendphänomen” erkennt zwar häufig den subkulturellen Charakter der Entwicklungen in den letzten vierzehn Jahren an, allerdings wird in dieser Betrachtungsweise vielfach der Anteil der „Mitte der Gesellschaft” ausgeblendet (Butterwegge 2000: 35).

Der Kontext Stadt, Wohnquartier und Nachbarschaft kommt als explizierter Bezugspunkt dagegen nur in wenigen wissenschaftlichen Analysen vor (Strobl et. al. 2003). Eine sozialräumliche Betrachtung der Ausbreitung, Verfestigung und Differenzierung von rechtsextremen Strukturen könnte aus meiner Sicht eine Lücke in der bisherigen Analysen zu diesem Themenbereich schließen. Dabei fordern die Entwicklungen eine auf den städtischen Raum bezogene Betrachtung des Phänomens Rechtsextremismus geradezu heraus.

Rechtsextremismus aus diesem Kontext betrachtet, kann als An-griff auf die demokratische Stadtkultur verstanden werden. Im Folgenden soll hier auf vier zentrale Entwicklungen eingegangen werden, die aus meiner Sicht eine sozial-räumliche Betrachtungsweise der Ausbreitung und Differenzierung von Rechtsextremismus nötig macht:

  1. Die Strategien des organisierten Rechtsextremismus haben sich im Unterschied zu den Nachkriegsjahrzehnten der alten Bundesrepublik verändert. Diese „moderne” Form des Rechtsextremismus hat gerade in den neuen Ländern den Raum (die Stadt und die Nachbarschaft) zum Ausgangspunkt ihrer Aktivitäten („Kampf um Räume“).

  2. Vor allem in ostdeutschen Gemeinden hat sich eine rechtsextreme Subkultur mit einer spezifischen Raumaneignungspraxis herausgebildet. Seit Mitte der 1980er Jahre hat sich in der DDR und später in den neuen Ländern eine jugendlich rechtsextrem orientierte Subkultur entwickelt, die in vielen Städten eine hegemoniale Stellung innerhalb der verschiedenen Jugendszenen und vor allem im öffentlichen Raum eine Dominanz ausstrahlen kann.

  3. Beide Entwicklungen müssen im Zusammenhang von strukturellem und alltäglichem Rassismus in den Städten und ihren Nachbarschaften betrachtet werden. Eine Annahme in diesem Zusammenhang ist, dass das sozial-räumliche Klima beide vorgenannten Entwicklungen begünstigen kann.

  4. Spätestens die Diskussion vom Sommer 2000 hat dazu geführt, dass in einigen Städten Ostdeutschlands Gegenstrategien auf die gesamte Stadt ausgeweitet wurden und nun auch die städtische Zivilgesellschaft in das Blickfeld von Maßnahmen gegen Rechtsextremismus und für Toleranz und Demokratie geraten ist (Mobilisierung der lokalen Zivilgesellschaft).

1. Strategien des Organi­sierten Rechts­ex­tre­mismus — Kampf um Räume

Aktionen von organisierten Rechtsextremist/innen im öffentlichen Raum vieler Städte in Form von Aufmärschen, Ständen, Flugblattaktionen, Konzerten und Straßenfesten gehören nicht mehr zu den Ausnahmeerscheinungen. Organisierter Rechtsextremismus war in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg, abgesehen von rechtsterroristischen Organisationen, überwiegend durch Parteien und ihren Kampf um Parlamente geprägt. Mit Beginn der 1990er Jahre kam es zu einer strategischen Wende innerhalb des rechtextremistischen organisierten Lagers. Hintergrund für diese Wende waren die Reaktionen des Staates auf die Stärkung des rechten Lagers durch repressive Maßnahmen: So wurden in den Jahren von 1992 bis 1995 allein sechzehn Organisationen verboten. Statt starren, überregionalen und hierarchisch gegliederten Organisationen und Parteien, die nach Verboten wieder neu aufgebaut werden müssen, setzt die neue Strategie auf den Aufbau dezentraler und autonom agierender Gruppen meist ohne formale Struktur, die sich mit Hilfe der modernen Kommunikationsmittel koordinieren. Mittlerweile haben wir es mit einer Vielzahl von rechtsextremen Projekten, autonomen Kameradschaften und Netzwerken zu tun. Die neue Qualität dieser Form von rechtsextremer Organisierung liegt in der Flexibilität gegenüber den starren Naziorganisationen und Parteien. Diese Strukturen ermöglichen es einerseits, sich den staatlichen Eingriffen des Staates zu entziehen und anderseits im soziokulturellen Raum politisierend zu wirken. Parallelen zu den Entwicklungen und Organisationsformen von autonomen und sozialen Bewegungen drängen sich auf (Brodkorb 2002: 16). Diese Strategie des „freien Nationalismus” ist wohnort- und regionalorientiert und ermöglicht so eine örtliche Identifikation (schon der Name macht den lokalen Bezug deutlich: Kameradschaft Gera, Nationaler Widerstand Jena etc.). Sie greifen kommunalpolitische Entwicklungen auf, kämpfen beispielsweise für nationale Jugendzentren und bauen regionale Zentren für die Bewegung auf.

Der Wohnort und lokale Raum spielt in einem weiteren Konzept der organisierten Rechtsextremen, welches seit Beginn der 1990er Jahre von der NPD aufgegriffen wurde, eine zentrale Rolle. Der „Kampf um Parlamente” ist in den Hintergrund getreten und der „Kampf um Räume und Köpfe” spielt bei den strategischen Überlegungen der NPD eine bedeutende Rolle. Mit dem Begriff „National befreite Zonen” wurde eine „Modernisierung” der Strategien des organisierten Rechtsextremismus eingeleitet, die auf ein Strategiepapier zurückgeht, welches zuerst in der Zeitschrift des Nationaldemokratischen Hochschulbundes (NHB) „Vorderste Front. Zeitschrift für politische Theorie und Strategie” veröffentlicht wurde. Ziel des Strategiepapier ist es, überschaubare Freiräume in den Städten (z,B, Straßen, Plätze etc) zu schaffen.

Migrant/innen, demokratisch ein-gestellte Bürger/innen und „undeutsche” Jugendkulturen sollen von bestimmten öffentlichen Räumen verdrängt werden, die Rechtsextremen wollen hier dominieren und „sanktionsfähig” sein. Straße und Wohngebiet sind die Orte, um einerseits Macht und andererseits die Nähe zum „Volk” auszudrücken. Im Strategiepapier werden konkrete Vorschläge unterbreitet, wie die Sympathie der lokalen Bevölkerung erreicht werden kann, beispielweise durch Nachbarschaftshilfe, Sicherheitsangebote im Quartier etc. Auch wenn keine gänzlich befreiten Zonen entstanden sind, produziert dieses Drohpotenzial doch temporär Räume der Angst im Stadtgebiet, die von den oben genannten gefährdeten Gruppen gemieden werden (ebd: 25). Längst ist die Phase der Gründung einer völkisch-nationalen Bewegung in Ostdeutschland abgeschlossen und wir erleben, wie sich die Bewegung in den Regionen durch den Aufbau von soziokulturellen Zentren, die Etablierung eines rechtsextremen Mittelstandes und durch spezifische Angebote in Nachbarschaftsstrukturen konsolidieren konnte.

2. Rechts­ex­tremer Jugend­li­festyle — Setzen auf Dominanz im öffent­li­chen Raum

Parallel zur Modernisierung der Strategien des organisierten Rechtsextremismus hat sich ein rechtsextrem orientierter, subkulturell geprägter Jugendlifestyle herausgebildet, der deutlich im öffentlichen Raum der Städte und Gemeinden auftritt und hier meist gewaltförmige Aneignungspraxen entwickelt hat. Mit Jugendlifestyle sind jugendliche Zusammenhänge gemeint, die Elemente von rechtsextremen Einstellungsmustern teilen und diese durch spezifische Dresscodes, Symbol- und Musiknutzung ausdrücken. Musik ist hier der integrale und verbindende Bestandteil der Szene. „Rechts Rock” ist zwar geprägt durch die Entwicklungen der Skinhead-Subkultur, allerdings handelt es sich nicht um einen einheitlichen musikalischen Stil; vielmehr werden unter dem Begriff „Rechts Rock” verschiedenste Musikstile verstanden (Dornbusch/Raabe 2003: 19). In Deutschland ist in den letzten Jahren die größte rechtsextreme Musikszene weltweit mit entsprechend großer Zahl an Bands, Labels und Szeneläden entstanden. Diese Entwicklung einer rechtsextremen Jugendsubkultur nahm ihren Ausgang bereits Ende der 1970er/Anfang der 1980er Jahre in der DDR, als sich verschiedene Jugendkulturen herausbildeten, von denen sich ein Teil schnell radikalisierte und ein anfänglich oft diffuses rechtsextremes Weltbild annahm. Die ersten Treffs entstanden in den Großstädten Ost-Berlin und Leipzig. Konzerte wurden organisiert, und es kam zu gewalttätiger Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Jugendkulturen. Rechtsextreme Orientierungen waren in der DDR vor allem bei Fußballfans und Skinheads bekannt, wo sich langsam eine autoritär-völkische und gewalttätige Jugendszene verfestigte (Wagner 2002: 15). Gegen Ende der 1980er Jahre stellten die Behörden eine Zunahme rechtsextremer Gewalttaten fest. Gerichtsverfahren und Inhaftierungen häuften sich. Ein Meilenstein war der gewalttätige Angriff rechter Skins auf ein Punk-Konzert in der Zionskirche in Berlin kurz vor der Wende. Nach dem Fall der Mauer kamen viele der inhaftierten Rechtsextremisten aufgrund einer Amnestie frei und konnten ihre im Gefängnis erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen für den Aufbau rechtsradikaler Strukturen nutzen.

Die Wiedervereinigung war durch ein Erstarken der rechtsextremen Szene und Verfestigung einer rechtsextremen jugendkulturellen Szene gekennzeichnet, die sich nun auch in Kleinstädten und im ländlichen Raum etablierte. Im Zusammenhang mit der Entwicklung von neuen Organisationsformen begann die Szene „linke alternative” Ausdrucksformen zu übernehmen: Es entstanden Zentren, Wohngemeinschaften, ein Haus in der Pfarrstraße in Berlin-Lichtenberg wurde von rechtsextremen Jugendlichen besetzt, welches sich eine Zeitlang zu einer rechtsextremen Zentrale entwickelte. Die Jagd auf Flüchtlinge war zentraler Bestandteil eines rechtsextremen Lebensgefühls, welches mit den gewalttätigen Ausbrüchen in Rostock-Lichtenhagen und Hoyerswerda einen ersten traurigen Höhepunkt erlangte.

Zunächst war es vor allem die rechtsradikale Skinheadszene, die durch die Herausstellung ihre Militanz Bahnhofsplätze, Tankstellen oder andere öffentliche Plätze in temporäre Angsträume verwandelt hat, d.h. Räume, die zu bestimmten Zeiten von rechtsextrem orientierten Jugendlichen dominiert werden. Hier werden potenzielle Feinde und Migrant/innen angepöbelt oder angriffen. Gleichzeitig gelang es etlichen rechtsextrem orientierten Jugendgruppen in vielen Städten Jugendzentren zu dominieren. Bernd Wagner spricht von der „Ausprägung einer Kontrastgesellschaft, die der demokratischen Bindung nicht bedarf” (Wagner 1998: 3).

3. Nachbar­schaft und lokale Zivil­ge­sell­schaft

Organisierter Rechtsextremismus und rechtsextremer Jugendlifestyle sind deutliche Manifestationen von rechtsextremen Haltungen, die demonstrativ im öffentlichen Raum in Erscheinung treten. Sie finden in einem spezifischen Klima der jeweiligen Nachbarschaft und Stadtgesellschaft statt, und deshalb ist es wichtig zu fragen, wie Nachbarschaften und die lokalen Zivilgesellschaften auf diese rechtsextremen Handlungen reagieren. Rechtsextreme Strukturen und Handlungen können durch das Klima in der Nachbarschaft oder der Stadt behindert oder befördert werden. Dabei besteht das Klima aus der Summe von Verhaltsweisen und Einstellungen der Bewohner/innen einer Nachbarschaft und einer Stadt. In der Nachbarschaft begegnen sich die Menschen gewollt oder ungewollt, hier finden alltäglich Kommunikation und Austausch statt und hier werden gesellschaftliche Konflikte um knappe Ressourcen ausgetragen und oftmals ethnisiert. Hier treten alltägliche Formen von Fremdenfeindlichkeit, Diskriminierung und sozialer Ausgrenzung auf, die eine gleichberechtigte Teilnahme von Menschen aufgrund ihres Aussehens, ihrer Herkunft, ihrer religiösen Orientierung oder ihres Aufenthaltsstatus am gesellschaftlichen Leben in ihrem Wohngebiet und in ihrer Stadt beschränken.

Diese Verhaltensweise steht in einem engen Zusammenhang mit der Einstellung und den kulturellen Deutungsmustern der Bewohner/innen. Ein wesentlicher Bestandteil des Rechtsextremismus ist Fremdenfeindlichkeit und Rassismus (Stöss: 2000: 25f ). Diese Elemente sind wesentlich verbreiteter als rechtsextreme Einstellungen und prägen die kulturellen Deutungsmuster eines erheblichen Teils der Bevölkerung. Rassismus stellt ein Dominanzverhältnis dar, welches alle Ebenen des sozialen Lebens und gesellschaftlicher Strukturen durchdringt; dabei werden aufgrund äußerlicher Merkmale Menschen differenziert, abgewertet und sozial ausgegrenzt. Im Alltag treten unterschiedliche Formen von Rassismus im Kontext von Alltag und Nachbarschaft zu tage: Offenen Rassismus erleben Migrant/innen, beispielsweise wenn ihnen die Anmietung einer Wohnung oder der Zutritt zu einer Diskothek verweigert wird. Auch Beschimpfungen und Anpöbeln von Migrant/innen oder Afrodeutschen müssen hier zu gezählt werden. Struktureller Rassismus ist eine Form der institutionellen Ausgrenzung von der Teilhabe an gesellschaftlichen Ressourcen, beispielsweise Bildung, Lohnarbeit, demokratische Rechte. Im lokalen Raum wird diese Form besonders deutlich in der Behandlung von Asylbewerber/innen, denen der Zugang zu wesentlichen Ressourcen per Gesetz verweigert wird. Eine dritte Form ist der Alltagsrassismus, z.B. durch die alltägliche diskriminierende Kommunikation unter Nachbar/innen, Kolleg/innen etc.

Nachbarschaft und öffentlicher Raum in den Städten sind also ein wesentlicher Bestandteil des Klimas, in dem organisierter und subkultureller Rechtsextremismus agiert und sich verfestigen kann. Andererseits liegt hier auch ein Schlüssel zur Entwicklung von nachhaltigen Gegenstrategien. Städte und Gemeinden in Ostdeutschland haben ganz unterschiedliche Ansätze entwickelt, auf die beschriebenen Entwicklungen zu reagieren. Es sind vier Typen von Reaktionsweisen lokaler Akteure erkennbar, die sich auch zeitlich zuordnen lassen.

  1.  Verdrängen: Dieser erste Typ war vor allem bis 2000 in vielen Gemeinden verbreitet. Die Etablierung einer rechten Jugendkultur und von „Räumen der Angst” in den Gemeinden wurde übersehen oder unterschätzt. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse beschrieb diese Haltung in der Kommunalpolitik treffend als eine Mischung „von Blindheit, Nicht-wahrhabens-wollen, Beschönigen und Hilflosigkeit gegenüber den Erscheinungen des Rechtsextremismus” (Die Zeit v. 27.6. 2000). Kommunalpolitiker/innen versuchten die Entwicklung als ein Problem rivalisierender Jugendbanden zu reduzieren und sorgten sich um das Image der Stadt, wenn Rechtsextremismus von Opfern und Akteur/innen thematisiert wurde.

  2.  Indirekte Kollaboration: Ein zweiter Typ von Umgangsweisen mit rechtsextremen Handlungen und Erscheinungen hat eine indirekte Förderung zur Folge. So kam es mitunter durch eine falsch verstandene „akzeptierende Jugendarbeit” dazu, dass rechtsextreme Bands und organisierte Rechtsradikale öffentliche Jugendeinrichtungen nutzen konnten oder das Gemeinden zunächst gerade nicht-rechtsorientierte Jugendkulturen behindert haben. Rechtsextreme Entwicklungen sollten aus der öffentlichen Wahrnehmung herausgehalten werden und das Image der Stadt nicht beschädigen (Wagner 2002: 20).

  3. Aktionismus: Der dritte Typ von Handlungsweisen reagiert explizit durch eine Vielzahl von meist pädagogisch orientierten Projekten und Aktionen für Toleranz, gegen Fremdenfeindlichkeit und Gewalt. Die meisten Projekte und Aktionen sind auf Jugendliche ausgerichtet. Nur in wenigen Fällen wurde das gesamte Gemeinwesen in den Blick genommen. Viele der Maßnahmen haben nur einen kurzfristigen Mobilisierungseffekt, vielfach fehlt die Orientierung auf eine nachhaltige Wirkung. Auch die Vernetzung der beteiligten Akteure wird oft vernachlässigt (vgl. Roth u.a. 2003: 17).

  4. Zivilgesellschaft mobilisieren: Als ein vierter Typ der Reaktion können Versuche von Städten und Gemeinden bezeichnet werden, ihre lokale Zivilgesellschaft für Demokratie und Toleranz zu mobilisieren. Ein direkter Bezug zum lokalen Raum und das Bestreben, alle Akteure für ein gemeinsames Ziel zu gewinnen, kennzeichnen diesen Ansatz. Es gibt typischerweise einen kommunalen Zusammenschluss von Akteur/innen in Form eines Bündnisses, Forums oder Beirats, oft wird die Leitung durch die Bürgermeisterin bzw. den Bürgermeister übernommen. Eingebettet sind die Maßnahmen in ein gemeinsames Handlungskonzept, dass neben pädagogischen auch symbolische Aktionen für die Stadtöffentlichkeit und Unterstützungsangebote für die Opfer von rechtsextremen Übergriffen beinhaltet. Durch eine engere Vernetzung der Akteure kann auf Aktivitäten von Rechtsextremen (Aufmärsche, Übergriffe etc.) relativ schnell reagiert werden.

Seit 2000 gibt es in einigen Städten in Ost- wie Westdeutschland so genannte lokale Aktionspläne, die darauf abzielen, Handlungskonzepte gemeinsam mit der städtischen Zivilgesellschaft und professionellen Akteuren (Jugendhilfe, Schule, Polizei etc.) umzusetzen, welche auf einer Situations- und Ressourcenanalyse und gemeinsam festgelegten Leitzielen basieren. Die Erfahrungen hier zeigen, dass es möglich ist, die städtische Zivilgesellschaft gegen Rechtsextremismus zu mobilisieren und ein demokratisches Klima im städtischen Raum zu fördern (Camino 2001, Zentrum Demokratische Kultur 2003). Die lokalen Akteure stellen hier unter Beweis, dass sie Rechtsextremismus in jeglicher Ausprägung als einen Angriff auf die demokratische Stadtkultur verstehen und d00000000,eshalb dazu entschlossen sind, diesen mit einer breiten Palette an Maßnahmen zu bekämpfen.

Literatur

Brodkorb, Mathias 2002: Metamorphosen von Rechts, in: Friedrich Ebert Stiftung Landesbüro/Mecklenburg-Vorpommern (Hg.): Gibt es einen modernen Rechtsextremismus?, Rostock, S. 2-65
Butterwegge, Christoph 2000: Entschuldigungen oder Erklärungen für Rechtsextremismus, Rassismus und Gewalt?; in: Ders./Lohmann Georg (Hg.): Jugend, Rechtsextremismus und Gewalt – Analysen und Argumente, Opladen, S. 13-36
Camino — Werkstatt für Fortbildung, Praxisbegleitung und Forschung im sozialen Bereich 2001: Lo-
kaler Aktionsplan für Toleranz und Demokratie gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit für die Landeshauptstadt Potsdam, Potsdam
Dornbusch, Christian/Raabe, Jan 2003: 20 Jahre RechtsRock – Vom Skinhead zur Alltagskultur; in: Dies. (Hg.): RechtsRock – Bestandsaufnahme und Gegenstrategien, Münster, 5.19-50
Roth, Roland/Lynen von Berg/Heinz/Bepack, Anke 2003: Programme und Maßnahmen gegen Rechts-
extremismus und Fremdenfeindlichkeit – Fragen und Anmerkungen zu ihrer wissenschaftlichen
Begleitung; in: Lynen von Berg, Heinz/Roth, Roland (Hg.): Maßnahmen und Programme gegen
Rechtsextremismus wissenschaftlich begleiten, Opladen, S. 9-26. Stöss, Richard 2000: Rechtsextremismus im vereinten Deutschland, Berlin
Strobl, Rainer/Würtz, Stefanie/Klamm, Jana 2003: Demokratische Stadtkultur als Herausforderung.
Stadtgesellschaften im Umgang mit Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit, Weinheim u. München
Wagner, Bernd 1998: Einleitung: Demokratie und ihre Gefährdung; in: Zentrum für Demokratische Kultur (Hg.): Rechtsextremismus heute. Eine kurze Einführung für Lehramt, Verwaltung, Polizei, Justiz und soziale Arbeit, Bulletin, Schriftenreihe des Zentrums für Demokratische Kultur, Heft 3, Berlin, S. 3-5.
Wagner, Bernd 2002: Kulturelle Subversion von rechts in Ost und Westdeutschland; in: Grumke, Thomas/Wagner, Bernd (Hg.): Handbuch Rechtsradikalismus, Opladen, S. 13-28
Zentrum Demokratische Kultur 2003: Lokaler Aktionsplan Lichtenberg – für Demokratie und Toleranz
– gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus, Berlin

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