Publikationen / vorgänge / vorgänge 165

Partnership oder Pressu­reship

vorgängevorgänge 16503/2004Seite 89-96

In Wolfsburg übernimmt VW immer mehr öffentliche Aufgaben

aus: Vorgänge Nr. 165 ( Heft 1/2004), S.89-96

Das Klagelied über die Finanznot der Kommunen gehört mittlerweile zum Dauerrauschen im politischen Diskurs. Wegbrechende Steuereinnahmen; neue Aufgaben, die von Bund oder Land an die Kommunen delegiert werden, ohne sie dafür finanziell auszustatten; steigende Sozialhilfekosten sowie wachsende Aufwendungen zum Erhalt wie zur Weiterentwicklung der Infrastruktur – so stellt sich die finanzielle Realität der kommunalen öffentlichen Haushalte vielfach dar. In vielen deutschen Großstädten müssen daher Schulen, Kindergärten oder Schwimmbäder geschlossen werden, städtische Geschäftsfelder wie Abwasser, Abfall und Straßenreinigung werden privatisiert oder in halbstaatliche Institutionen umgewandelt und die Gebühren für die Benutzung der sozialen und kulturellen Infrastruktur auf breiter Front erhöht.

Als eine zentrale Gegenstrategie setzen Kommunalpolitik und Verwaltungen zunehmend auf unternehmerische Methoden und Organisation der Stadtentwicklung. Hierbei wird einerseits verwaltungsintern „verschlankt” und ausgegliedert, anderseits werden in einem sich zuspitzenden, überregional geführten Wettbewerb um Wachstumsbranchen, konkret im Kampf um die Neuansiedlung von Unternehmen, zunehmend auf „weiche Standortfaktoren” (Lebensqualität, Wohnqualität, Kultur, Sport/Freizeit, Einkaufserlebnisse) gesetzt, um den Städten ein neues, besseres Image zu verleihen. Letzteres hat nicht selten die Folge, so mahnen Kritiker, dass die Stadtplanung dem Standortwettbewerb unterworfen wird. Stadtplanung hat für das Ambiente zu sorgen, damit Investitionsentscheidungen, Firmenansiedlungen und Besucherströme zunehmen. Auch wird dann von einer Politik der kurzatmigen „Festivalisierung” gesprochen.

Einen ungewöhnlichen Weg zwischen Verschlankung, knallharter Ansiedlungspolitik, Festivalisierung, Diversifizierung der Wirtschaftsstruktur und Stärkung weicher Standortfaktoren geht die 124.000 Einwohner zählende Stadt Wolfsburg, oft treffend „VW-Stadt” genannt. Dort sind die Verantwortlichen in Verwaltung, Rat, Volkswagen, VW-Betriebsrat und IG Metall nach der schweren wirtschaftlichen Krise des Automobilunternehmens Mitte der 1990er-Jahre neue Pfade gegangen – mit dem überstarken Partner Volkswagen im Rücken, dem größten Autobauer in Europa. Das neue Zauberwort heißt Public Privat Partnership (PPP), eine institutionalisierte Zusammenarbeit von Stadt und VW in Form der Wolfsburg AG. Just diese PPP-Institution gilt mittlerweile als Erfolgsfall in Deutschland. Sie wurde besonders im Zuge der Erarbeitung des Hartz-Konzeptes zur Deregulierung und Flexibilisierung des Arbeitsmarktes analysiert, zur Nachahmung empfohlen und bereits kopiert. Letzteres ist nicht einfach: Denn einen VW-Konzern, der mit seinen Tochtergesellschaften rund 61.000 Arbeitsplätze in Wolfsburg anbietet, gibt es nur selten in der Republik.

Public Private Partner­ship: Karriere eines Begriffs

Bei Public Private Partnership handelt es sich um eine ursprünglich in England entwickelte institutionalisierte Form der Zusammenarbeit zwischen öffentlichen oder halböffentlichen Institutionen und unterschiedlichsten privaten Akteuren. Oftmals werden so-gar alle Arten von Zusammenarbeit zwischen staatlichen und privaten Akteuren als PPP bezeichnet – nicht selten aus politischen Gründen, um den stark ideologisch geprägten Privatisierungsbegriff zu umgehen. Doch laut Definition fallen nur (formal) ausgewogene Partnerschaften unter das Begriffstrio. In Deutschland wurde diese Form der Zusammenarbeit zunächst als Ausweg aus der kommunalen Finanznot angesehen, indem privates Investitionskapital für die Durchführung von (infrastrukturellen) Maßnahmen mobilisiert wurde. Hierdurch erhielten Kommunen Zugang zu modernen Planungs-, Management- und Vermarktungsmethoden. Der Fokus ist dabei auf das Erreichen konvergierender Ziele gerichtet. Historisch gesehen haben sich die meisten Projekte, bei denen Kommunen und private Wirtschaft zusammenarbeiten, auf die Vermarktung und Marktförderung von Immobilien bzw, die Bereitstellung oder Sanierung von Industrieflächen konzentriert.

Im PPP sollen im Idealfall die Stärken der privaten Institutionen mit jenen der öffentlichen kombiniert werden. Bei der Zielsetzung sollen Synergie-Effekte nutzbar gemacht werden, die nicht in gleichem Maße ohne den anderen erreicht werden könnten. Häufig bringen die öffentlichen Partner die Planungs- und Regulierungshoheit ein, der private Partner übernimmt Managementaufgaben. PPP wird zunehmend als ernst zu nehmende Alternative der öffentlichen Leistungserstellung betrachtet. Entscheidend ist jedoch: Die Identität der Partner und ihre Verantwortung bleiben bestehen. Die Finanzierung wird – je nach Anzahl der Partner – meist geteilt.

Diese Idee verdankt ihren Aufstieg vor allem den Privatisierungs- und Deregulierungstrends unter Ronald Reagan und unter Margaret Thatcher. Aber auch Theoretiker wie Anthony Giddens, geistiger Mentor von New Labour unter Tony Blair, verwiesen auf die Chancen dieses Konzepts. In Kontinentaleuropa waren solche Politikmodelle eher ungewöhnlich – mit wenigen Ausnahmen, etwa im Deutschland der 1920er Jahre (Energieversorgung) oder in der privaten Drittmittelfinanzierung universitärer Forschung. PPP wird von der Privatisierungsdebatte getragen, lässt sich jedoch nicht ausschließlich als Element neoliberaler Politik kennzeichnen.

Denn in der Bundesrepublik tragen vor allem die wachsenden Haushaltsdefizite und die eingeschränkte Handlungsfähigkeit öffentlicher Institutionen die Popularität des Organisationsmodells, das bislang vor allem auf regionaler und lokaler Ebene eingesetzt wird. Untersuchungen haben ergeben, dass PPP enorme Chancen bietet für die finanzielle Entlastung des Staates. Denn ein Teil der Investitionen kann der Staat Privaten überlassen, sofern hieraus direkt oder indirekt wirtschaftliche Erträge generiert werden können. Zudem erlaubt die gemischtwirtschaftliche Beteiligungsstruktur die Reduktion von Finanzierungs- und Entwicklungsrisiken, die in öffentlichen Haushalten kaum abzufedern wären. Zugleich wird aber immer wieder auch auf die Risiken hingewiesen: Opportunistisches Verhalten, verbunden mit einer asymmetrischen Verteilung von Information und Entscheidungskompetenzen zugunsten des privaten Partners, kann öffentliche Partner benachteiligen.

Wolfsburg als Fallbei­spiel

Ein Rückblick auf die Wolfsburger Entwicklung: Das Vorläufer-Projekt der Wolfsburg AG wurde – von VW Coaching GmbH (VW-Fort- und Weiterbildung), der Stadt Wolfsburg, der IG Metall und der IHK initiiert – im Juni 1997 mit dem Gründungs- und Innovationszentrum (GIZ) aus der Taufe gehoben. Das Ziel des GIZ war es, Existenzgründer‘ bei ihrem Weg in die Selbstständigkeit mit Büroräumen, Infrastruktur und Beratungsleistungen zu unterstützen. Im Dezember 1997 kündigte Volkswagen durch Arbeitsdirektor Peter Hartz bei den jährlichen „Adventsgesprächen” mit Vertretern der Stadt Wolfsburg ein ganz besonderes Geschenk an, das VW der Stadt zum 60. Geburtstag (1998) überreichen wollte: das Konzept Auto-Vision. Dessen Ziel sollte es sein, die Arbeitslosigkeit bis zum Jahr 2003 zu halbieren und die Leistungsfähigkeit von Stadt und Region zu steigern. Der damalige VW-Chef Ferdinand Piech höchstpersönlich überreichte das Konzept im Juli 1998 an die Stadtoberen. Seit Februar 1998 beschäftigte sich eine Arbeitsgruppe mit Vertretern der Volkswagen AG, der Stadt Wolfsburg, des Betriebsrates und mit Unterstützung der Unternehmensberatung McKinsey mit diesem Ziel. Im Juli 1999 wurde die Wolfsburg AG als eine neue Gesellschaft in Form einer Public Private Partnership von VW und Stadt Wolfsburg (50:50-Anteile) gegründet – mit den vier Geschäftsmodulen Innovations-Campus, Lieferkantenansiedlung, Erlebniswelt und der Personal-Service-Agentur. Inhaltlich lassen sich alle vier Module auf das Kernthema „Auto/Mobilität” als Ausgangsbasis zurückführen. Auto-Vision will vorhandene Potenziale stärken und zugleich Ausgangspunkt für Entwicklungen sein, die mittelfristig neue, über die Konzept-Module hinaus reichende Wirtschaftszweige und Innovationskompetenzen anziehen. Hierbei sollen die Weiterentwicklung der Wirtschaftsstruktur und die Reduzierung der Arbeitslosigkeit miteinander verzahnt werden. Die Macher der Wolfsburg AG heben stets hervor, dass das Projekt in Deutschland bisher einmalig ist.

Hintergrund des Konzeptes war die hohe Arbeitslosigkeit: 1997 lag sie in Wolfsburg bei dramatischen 17,2 Prozent. Die Hauptursache war die Krise in der Automobilindustrie Anfang der 1990er Jahre, unter der die Stadt mit ihrer Monostruktur stark gelitten hat. Eine Strukturanalyse ergab, dass VW 60 Prozent aller Arbeitsplätze in Wolfsburg stellte, es eine deutlich geringere Dienstleistungsquote als im Bundesgebiet gibt (Wolfsburg: 22, Bundesgebiet: 50), in der Stadt kaum Mittelstand vertreten ist — auch im Vergleich zu anderen Automobilstandorten, 30 Prozent weniger Unternehmen als im Bundesdurchschnitt gegründet wurden sowie schließlich jährlich zwischen 100 und 200 Millionen Euro an Kaufkraft ins Umland abflossen. Diese Schwächen sollte die Wolfsburg AG minimieren und in Stärken umwandeln.

Die Wolfsburg AG bündelt dabei unterschiedliche wirtschaftliche Aktivitäten. So unterstützt der Innovations-Campus Start-Ups und junge Unternehmen mit einem An-gebot an Beratungs-, Finanzierungs- und Servicedienstleistungen. Die Lieferanten-Ansiedlung widmet sich der Ansiedlung und Vernetzung automobil naher Industrie und Dienstleistungen, Gewerbetreibender und Entwicklungsbüros. Die durch die Erlebniswelt entwickelten Projekte sollen „generationsübergreifende und familienorientierte Freizeitmöglichkeiten für Wolfsburger und Touristen” schaffen. Die Personal-Service-Agentur (PSA) als Drehscheibe am Arbeitsmarkt versucht als Personaldienstleister Arbeitsangebot und -nachfrage zusammen zu bringen. Sie bietet einerseits Arbeitnehmern und Arbeitslosen neue Beschäftigungsperspektiven, ist andererseits aber auch Partnerin in Personalfragen für Unternehmen. Dabei ist die Personal-Service-Agentur nicht nur Drehscheibe, sondern bildet den Kern der Ertragskraft und Finanzierungsfähigkeit der Wolfsburg AG. Die Gewinne der PSA finanzieren die Aktivitäten der Wolfsburg AG. Deshalb musste die Stadt über die Gründungskapitalisierung der Wolfsburg AG hinaus keine weitere Kapitaleinlage einbringen (mit Ausnahme der Auto-Uni, s.u.). Seit April 2003 agieren unter dem Dach der Wolfsburg AG zudem zwei weitere Geschäftsfelder „Health-Project” sowie „Netzwerk Nachhaltigkeit und Wirtschaft”.

Fünf Jahre später, Ende 2003, hat die Wolfsburg AG laut eigener Angaben dazu beigetragen, die Arbeitslosigkeit von 17,2 Prozent (1997) auf 7,3 Prozent im Dezember 2003 zu senken. In diesem Zeitraum seien rund 15.000 neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze entstanden, vorwiegend durch Aktivitäten der Volkswagen AG, der Stadt Wolfsburg sowie der Wolfsburg AG. Mehr als 100 Zulieferer hätten sich angesiedelt, und rund 180 Unternehmen seien neu gegründet worden. Mit über 6.500 neu geschaffenen Arbeitsplätzen sei ein erheblicher Beitrag zur Halbierung der Arbeitslosigkeit in Wolfsburg geleistet werden. Auch die Wolfsburg AG selbst ist gewachsen. Sie beschäftigt rund 170 Mitarbeiter plus rund 1.600 Zeitarbeitnehmer (2002). Die Bilanz-summe belief sich auf 2002 auf 108 Millionen Euro, bei Investitionen in Höhe von 20 Millionen Euro (48 Millionen Euro, 2001).

Künftig sollen im Mobile-Life-Campus die Wirtschaftsfelder Mobilität, Freizeit, Informationstechnik und Gesundheit vernetzt werden. Mit ihren Aktivitäten hat die Wolfsburg AG die Entwicklung so genannter Branchen- und Innovationscluster in Gang gesetzt, in denen sich jeweils wirtschaftliche Aktivitäten rund um ein Wachstumsfeld mit einem branchenübergreifenden Querschnittcharakter konzentrieren. Die genannten Cluster wer-den im Mobile-Life-Campus, für dessen ersten Bauabschnitt am 19. November 2003 der Spatenstich gesetzt worden ist, ausgebaut. Im Mobile-Life-Campus, bei dem die Wolfs-burg AG als Investor, Bauherr und Betreiber auftritt, agiert die Auto-Uni von Volkswagen als Drehscheibe für Wissensgenerierung, -vernetzung und -transfer.

Die nackten Zahlen sind wahrlich beeindruckend. Wolfsburg hat sich von einer grauen Maus zu einer Boom-Stadt entwickelt. Karawanen von Wirtschaftsförderern werden durch die Wolfsburg AG und die Stadt geschleust, um den Erfolgsfall vorzustellen. Gerade die Jahre 2001 bis 2003 werden in die Geschichtsbücher als beispielhaft auch für PPP eingehen. Ende 2002 etwa wurde das neue 30.000 Fußball-Fans fassende Stadion eröffnet, als sichtbarstes Zeichen der Partnerschaft zwischen Stadt und VW. Denn die Baukosten in Höhe von 53 Millionen Euro wurden brüderlich geteilt. Das Beispiel Stadion zeigt die positive Funktion des PPP bei der Beschleunigung von investiven Vorgängen, die bei bestimmten Größenordnungen den europäischen Vorschriften bei Ausschreibungen unterliegen würden. Wäre das Stadion ein rein städtisches Projekt gewesen, hätte europäisches Ausschreibungsrecht gegolten, sagen Experten. Dies hätte zu deutlich höheren Baukosten geführt.

VW steckt jährlich Millionen in den Profi-Fußball beim VfL Wolfsburg (Etat: 48 Millionen Euro) sowie den Amateur-Sport, um auch hier gezielt die weichen Standortfaktoren zu stärken. So zahlt die VW-Sportförderung jährlich 250.000 Euro an die Wolfsburger Sportvereine. Außerdem werden Fahrzeuge zur Verfügung gestellt, die den Vereinen beim Transport der Sportler helfen. Das ist zwar kein institutionalisiertes PPP, dennoch wird die Kommune durch die Zahlungen an die Amateurvereine deutlich finanziell entlastet.
Das wohl symbolträchtigste Beispiel der Verwobenheit der beiden Partner war die siebenwöchige Umbenennung von Wolfsburg in Golfsburg. Der Grund: Erstmals in der Geschichte wurde der neue Golf 5 in Wolfsburg der Weltöffentlichkeit präsentiert. Wurden die vier Golf Vorläufer in München und Bonn vorgestellt, so sollte diesmal die „Hauptstadt, die Heimat von Volkswagen” (VW-Chef Pischetsrieder) im Mittelpunkt stehen. VW lud die journalistische Welt nach Wolfsburg ein. 1.500 in- und ausländische Journalisten unternahmen Golf Testfahrten rund um Wolfsburg — was angesichts früherer Diskussionen Mitte der 1970er Jahre, ob VW nicht besser den Konzernstandort nach Frankfurt verlegen sollte, eine Tendenzwende erkennen ließ. Letztendlich war die Markteinführung in Wolfsburg ein Bekenntnis zum Standort und zugleich zum PPPStandort. Mittlerweile gibt es neben (PPP-)Stadion mit der Autostadt, in der jährlich rund zwei Millionen VW-Abholer ihre Fahrzeuge erhalten, oder dem Nobelhotel Ritz-Carlton (Eigentümer: VW) eine vorzeigbare Infrastruktur.

Die Risiken des Wolfsburger Modells

Doch am Beispiel Wolfsburg lassen sich auch die Problemfelder von PPP benennen:

a) Hauptproblem der Wolfsburg AG, der Verantwortlichen der Stadt und ihrer Strategien ist die fehlende Akzeptanz und die fehlenden Beteiligungsmöglichkeiten der Bevölkerung etwa beim Modul Erlebniswelt und damit an der Stadtentwicklungspolitik. Der Ausbau von Wolfsburg zu einem Schwerpunkt für Kurzzeittourismus ist nicht unumstritten, verändert er das Gesicht und die Identität der Stadt doch für die Bevölkerung beträchtlich. Denn gerade Freizeitprojekte stoßen in weiten Teilen der Bürgerschaft auf Unverständnis und bisweilen sogar heftige Kritik. Zudem wird angemerkt, dass der Wandel in der Stadt „viel zu schnell” vor sich ginge; die Folge sind Identifikationsdefizite mit dem „neuen” Wolfsburg. Symptomatisch erscheint hier der Konflikt um den Bau der Skihalle. Eine Skihalle passe nicht in die flachländische Umgebung, ist häufig zu vernehmen. Beobachter vermuten, dass die Skihalle bei einer Volksabstimmung in Bausch und Bogen durchfallen würde: zu groß, zu überdimensioniert. Die Projekte sind von Freizeit- und Tourismusexperten aus der Republik entwickelt worden, die dann nach recht kurzer Diskussion durch die Verwaltung und den Rat der Stadt unterstützt wurden. Kritiker der Skihalle etwa werden nicht eingebunden, sondern oft als lästige Skeptiker abgetan. Der städtische Finanzierungsanteil beim Modul Erlebniswelt beschränkt sich auf die Zahlung der Infrastrukturmaßnahmen (Abwasser), denn die Ski-halle soll ausschließlich durch private Investoren finanziert werden, was nicht unproblematisch sein könnte: Die Erschließung neuer Beschäftigungs- und Wachstumsfelder erweist sich in diesem Punkt als schwieriger, als dies noch im Konzept der Auto-Vision erwartet war. Denn so schwer sich Identitäten verändern, so leicht kann die Bereitschaft privater Investoren ins Wanken geraten. Beispielsweise sprangen zwei Investoren einer Feriendorfsiedlung in Wolfsburg kurzfristig aus Kostengründen ab. Weitere Projekte verzögern sich oder stehen auf der Kippe – bislang unbekannte Erfahrungen für die Wolfsburg AG. Aber konjunkturelle Krisen können eben auch eine Boom-Stadt treffen.

b) Die Wolfsburg AG läuft Gefahr, durch VW für eigene Interessen missbraucht zu werden. Folgendes Beispiel belegt das anschaulich: Eigentlich wollte der Konzern selbst den zentralen Bereich des Mobile-Life-Campus samt einer Universität für VW-Mitarbeiter („Auto-Uni“) finanzieren und bauen. Doch angesichts enger gewordener Finanzierungsspielräume des Konzerns und einer hieraus resultierenden generellen Investitionskürzung um rund zehn Prozent musste die Wolfsburg AG kurzerhand einspringen. Die Verantwortlichkeit für den Mobile-Life-Campus wurde von VW auf die Wolfsburg AG und damit mittelbar auch auf die Stadt übertragen. Beide Partner mussten 8,3 Millionen Euro für eine Kapitalerhöhung der Wolfsburg AG zur Verfügung stellen. Die Stadt sprang Volkswagen zur Seite, um eine Investition zu finanzieren – ein für Wolfsburg aus historischer Sicht ungewöhnliches Ereignis. Die Verwaltung muss die Millionensumme kurzerhand durch den Verkauf von Immobilien realisieren. Selbst wenn man unterstellt, dass der Mobile-Life-Campus zu einer Stärkung des Innovationsstandortes Wolfsburg beitragen wird und insofern auch im städtischen Interessen liegen dürfte, muss einschränkend hinzugefügt werden, dass PPP stets von sowohl finanziellen als auch strukturellen Zumutungen betroffen sein kann.

c) Die Stadtentwicklungspolitik, die mittelbar durch die Wolfsburg AG betrieben wird, entzieht sich zum Teil der kommunalen Verantwortung. Im Aufsichtsrat der Wolfsburg AG sind die kleinen Parteien Grüne und FDP nicht vertreten. Die FDP hat mittlerweile durch eine Kooperation mit der CDU einen Sitz im Aufsichtsrat erhalten. Die Grünen jedoch gingen leer aus.

d) Letztendlich hängen PPP vom Geld ihrer Partner ab – so auch in Wolfsburg. Zwischen 60 und 70 Prozent der Gewerbesteuer-Einnahmen, in der Planung insgesamt 100 Millionen Euro 2003, fließen aus dem VW-Konzern und seinen Tochtergesellschaften in die Stadtkasse. Wolfsburg gehört damit deutschlandweit zu den finanzkräftigsten Kommunen und muss immerhin rund 13 Millionen Euro (2003) an das Land abführen – als Ausgleich für ärmere Kommunen in Niedersachsen. 2003 jedoch erlitt das Verhältnis der beiden Partner empfindliche Blessuren. Im Dezember teilte das Unternehmen den Stadtoberen mit, dass die mehr als 30 Millionen Euro bereits gezahlter Gewerbesteuer wieder zurück überwiesen werden müssten. Angesichts des Gewinneinbruchs bei Volkswagen um mehr als die Hälfte gegenüber dem Vorjahr 2002 werde der Konzern deutschlandweit keine Gewerbesteuer zahlen, da kein gewerbesteuerpflichtiger Ertrag mehr anfallen würde. Deshalb wurden bereits geleistete Vorauszahlungen zurückverlangt. Die Wolfsburg AG und das PPP-Projekt werden künftig dadurch auch betroffen sein – etwa durch eine diskutierte weitere zeitliche Verschiebung des Baus der Auto-Uni und von Teilen der Erlebniswelt (Skihalle). Damit wird deutlich, dass die Projekte immer auch von der finanziellen Stärke der beiden PPP-Partner abhängen.

e) Zudem besteht die Gefahr von Schattenhaushalten. Der Innovationscampus ist kreditfinanziert, die Stadt und VW treten jeweils nur als Gewährträger in Erscheinung. Zur Nagelprobe wird es in dem Moment kommen, wenn aus den Gewinnen der PSA nicht nur der laufende Geschäftsbetrieb, sondern auch die genannten Kredite getilgt werden müssen. Das Finanzkonstrukt der Wolfsburg AG ist auf Wachstum ausgerichtet, das die Refinanzierung sichern soll. Wie sich dies in einer dauerhaften wirtschaftlichen Krise regelt, bleibt offen. Kritiker mahnen, dass derzeit rund 3.000 Mitarbeiter der PSA dafür sorgen, dass das Finanzkonzept der Wolfsburg AG aufgeht. Deshalb müsse das Geschäftsmodell um weitere Standbeine erweitert werden.

Regionale Nachahmer zwischen Partnership und Pressu­reship

Trotz der kritischen Aspekte hat der Erfolg in Wolfsburg jetzt auch regionale Nachahmer auf den Plan gerufen: das Projekt Region Braunschweig, das Ende 2003 etabliert wurde. Die Struktur dieses PPP unterscheidet sich deutlich vom Wolfsburger Ansatz: Es ist regionaler, hat deutlich mehr Partner und kommt ohne ein großes Wirtschaftsunternehmen aus. Beteiligt sind die beiden Städte Braunschweig und Salzgitter, die fünf Landkreise Wolfenbüttel, Peine, Gifhorn, Helmstedt und Goslar sowie das Land Niedersachsen und die IG Metall. Stark ist das Engagement der regionalen Wirtschaft: 50 Unternehmen beteiligen sich finanziell, personell und mit kostenlosen Dienstleistungen (Volkswagen-Financial-Services AG, Salzgitter AG, Öffentliche Versicherung, Siemens sowie viele mittelständische Betriebe). Beraten und organisatorisch begleitet wird das Projekt – wie in Wolfsburg auch – vom Beratungskonzem McKinsey. Finanziert werden die hierfür anfallenden Aufwendungen zu je einem Drittel vom Land, von den Kommunen und von der Wirtschaft.

In der ersten Projekt-Phase bis Ende April 2004 soll eine Bestandsaufnahme der Region mit allen Stärken und Schwächen gemacht werden, daraus sollen dann Entwicklungsschwerpunkte (Cluster) mit besonderem Zukunfts- und Jobpotenzial entwickelt werden. In der zweiten Phase werden daraus konkrete Einzelprojekte mit detaillierten Businessplänen erarbeitet, die einzelne Maßnahmen, Investitionen, den Finanzbedarf und Investoren beschreiben. Danach soll die Umsetzung beginnen. Die Region soll Kernkompetenzen — zum Beispiel als Finanzdienstleistungs-Standort oder in der Verkehrstechnik — definieren und entwickeln. Zugleich sollen Regionen und ihre Entwicklungschancen verglichen und Branchen analysiert werden, wenn es im nächsten Jahr darum geht, künftige Cluster festzulegen. Es wurde ein Projektteam mit 25 Mitarbeitern gebildet, die von den beteiligten großen Unternehmen, aber auch von Mittelständlern und Kommunen auf Zeit abgestellt und von denen weiter bezahlt werden.

Das Beispiel Wolfsburg zeigt, dass durch die Initiierung der Wolfsburg AG mit zahlreichen weiteren Faktoren (Auto 5000 GmbH) eine beträchtliche Wachstumsdynamik entwickelt wurde, die zu einem Aufschwung in der Stadt geführt hat. Problematisch bleiben offenkundig die hierfür nicht entwickelten Beteiligungsformen der Bürger an Entscheidungsprozessen der Wolfsburg AG, die notwendige Erweiterung des Geschäftsmodells der Wolfsburg AG und die Gefahr einer Veränderung der Beziehung zwischen den Partnern, die nicht einer nachhaltigen Strategie von PPP, sondern kurzfristigen Überlegungen im Zeichen knapper Finanzmittel folgt. Wenn PPP aber die Erschließung von Potenzialen betreiben soll, um zugleich gegenseitig zu stärken („Synergien“), dann wäre diese Form des Abwälzens der falsche Weg — aus dem Partnership würde dann ein Pressureship.

nach oben