Publikationen / vorgänge / vorgänge Nr. 179: Die nachhaltige Gesellschaft

"Winds of change"

Der globale Klimawandel im Spannungsfeld zwischen Wissenschaft, Politik und Medien

aus : vorgänge Heft 3/2007,S .102-109

Mindestens seit Mitte der 1980er Jahre bewegt die Debatte um Ursachen und Auswir­kungen der globalen Klima­pro­ble­matik immer mal wieder die deutsche Öffent­lich­keit. Mediale Schlag­zeilen wie „Die Erde wird ein öder Stern“, „Massentod im Morast“ oder „Warten bis wir alle gegart sind“ leiten reißerische Katas­tro­phen­mel­dungen ein und berufen sich dabei nicht auf religiös verblendete Unter­gangs­pro­pheten, sondern auf Wissen­schaftler, die die Ratio­na­lität der modernen Wissen­schaft verkörpern. Die Politik reagiert mit den in ihrer Macht stehenden Mitteln zur Abwendung der Katas­tro­phe: Die Diskussion der Geset­zes­lage in Bezug auf Möglich­keiten der CO2 Reduzie­rungen und die Veränderung der Insti­tu­ti­onen und Forschungs­land­schaft. Im Folgenden soll nachge­zeichnet werden, wie sich die unter­schied­li­chen Diskurse zum Klimawandel in der Wissen­schaft, der Politik und den Medien entwickelt haben und welche kommu­ni­ka­tiven Risiken damit verbunden sein können. In abschlie­ßenden Abschnitten werden die jüngeren Entwick­lungen und insbe­son­dere die aktuelle Situation im Jahr 2007 abgebildet, die deutlich machen, dass ein Diskurs über kommende Umwelt­ka­ta­s­tro­phen sich jeweils neu erschaffen und damit die gesell­schaft­liche Wirklich­keit jeweils neu struk­tu­rierten kann.(1)

Klimawandel – die ultimative Katastrophe

1986 erschien auf der Titelseite des deutschen Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL die bildliche Horrorvision einer der wohl schlimmsten vorstellbaren, vom Menschen selbst erzeugten Katastrophen: Der Kölner Dom zur Hälfte unter Wasser, das Bild ist zur Ikone des Klimawandels in Deutschland geworden und referierte auf eine wissenschaftliche Warnung, die ungewöhnlich deutlich und dramatisch formuliert worden war. Was war bis dahin geschehen?

Die ersten frühen wissenschaftlichen Warnungen vor den möglichen Auswirkungen steigender CO2-Emissionen gab es bereits seit Mitte der 1970er Jahre. Auch wenn in diesen Jahren noch die Erforschung des natürlichen Klimawandels als dynamisches System dominant war, wurden einige Studien veröffentlicht, die auf einen möglichen anthropogenen Einfluss auf die Stabilität des Weltklimas hinwiesen. Zu Beginn der 1980er Jahre gewannen die Warnungen an Deutlichkeit und Dramatik. Insbesondere der Arbeitskreis Energie (AKE) der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) griff das Thema auf und stellte es in einen engen Zusammenhang mit der Frage nach zukünftigen Energiequellen. Anfang 1986 trat der AKE dann mit einer „Warnung vor der drohenden Klimakatastrophe“ an die Öffentlichkeit, die die „vollständige Unbewohnbarkeit der Erde“ ankündigte. Dieser Aufruf argumentierte deutlich für eine Politik der drastischen CO2-Reduzierungen:

„Um die drohende Klimakatastrophe zu vermeiden, muss bereits jetzt wirkungsvoll damit begonnen werden, die weitere Emission der genannten Spurengase drastisch einzuschränken.“ (zitiert nach einem vollständigen Abdruck des Aufrufs in der Frankfurter Rundschau vom 19.9.1986).

Die Forderung nach einer veränderten Energiepolitik mündete sehr unverhohlen in den langfristigen Ausbau der Kernenergie, die in den Monaten nach dem Tschernobyl-Unfall auf dem Tiefpunkt ihrer Akzeptanz in Deutschland angekommen war. Entgegen bis dahin erfolgloser Versuche, die Aufmerksamkeit der Medien und der Politik für den drohenden Klimawandel zu erlangen und damit als Argument für den Ausbau der Kernenergie zu etablieren, zeigte dieser Aufruf schnell Wirkung in der Politik und den Medien.(2) Auffallend an diesem Aufruf war vor allem, dass er extrem dramatische und übertriebene Folgen und Zeiträume des anthropogenen Klimawandels aufzeigte, dass beispielsweise der mögliche Anstieg der mittleren Oberflächentemperatur um 9°C in Polnähe einen Anstieg des Meeresspiegels um „bis zu 10 Metern“ und damit ein Überschwemmungsszenario bedeuten könnte. Dies war versehen mit der verhältnismäßig konkreten Zeitangabe „unwiderruflich in den nächsten 50 Jahren“. Insbesondere die im Aufruf signalisierte Dringlichkeit ließ sofortiges Handeln notwendig erscheinen. In einem zweiten Aufruf 1987 wurde die Katastrophenwarnung zwar abgeschwächt, die im Text enthaltenen Handlungsanweisungen an die Politik jedoch beibehalten. Das Klimaproblem wurde damit zu einem ständigen Thema sowohl auf der politischen wie auch der medialen Agenda. Die wissenschaftlichen Publikationen adressierten zunehmend und expliziter politische Handlungs- und Entscheidungsinstanzen:

„Mein Wunsch lautet deshalb: Rasche Verabschiedung einer weltweiten Klimakonvention mit zugehörigen Protokollen zur Minderung der Emissionen einzelner Spurengase (…). Gleichzeitig sollten die Industrienationen, die Hauptverursacher, massiv einsteigen in eine Politik der effizienteren Energienutzung (…). Aber auch die Verlangsamung der Bevölkerungszunahme ist von zentraler Bedeutung für eine erfolgreiche Emissionsminderung“ (H. Graßl 1989 in: Phys. Bl. 45).

„Um das Klimaänderungssignal nachweisen und um es eindeutig den Änderungen im CO2 und anderen Treibhausgasen zuzuschreiben, ist es notwendig diese Probleme zu reduzieren. Dieses erfordert einen massiven Ausbau der Rechnerkapazitäten, eine Verbesserung der Modelle und globale kontinuierliche Messkampagnen“ (U. Cubasch et al. 1995 in: Phys. B1. 51).

Begleitet waren die Studien der Klimawissenschaftler zu allen Zeiten von einer Reihe wissenschaftlicher Ungewissheiten, die sowohl Ursachen, als auch Ausmaß und Folgen der Klimaproblematik betrafen (so war beispielsweise eine Publikation von U. Cubasch 1995 „Klimamodelle – Wo stehen wir? Erreichtes und Probleme bei der Vorhersage und dem Nachweis anthropogener Klimaänderungen mit globalen Klimamodellen“ betitelt). Auf Grund der erheblich gewachsenen Datenverarbeitungskapazitäten gelang es den Wissenschaftlern aber, glaubwürdige Modellrechnungen durchzuführen und Szenarien über zukünftige Entwicklungen zu entwerfen, die Klimawandel als eine globale Bedrohung aufzeigten. Auf internationaler Ebene waren es vor allem die Berichte des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), das 1988 gegründet worden war und regelmäßig Berichte über die aktuellen wissenschaftlichen Einschätzungen des anthropogen Klimawandel veröffentlicht, die zu einer erheblichen Glaubwürdigkeit der wissenschaftlichen Warnung geführt haben. Wissenschaftliche Warnungen haben gemeinhin eine hohe Glaubwürdigkeit, weil sie zumeist auf Berechnungen, gesicherten Methoden und sorgfältigen Prüfungen in ihrer Kommunikationsgemeinschaft beruhen. Die Warnungen der Klimawissenschaftler vor dem anthropogenen Klimawandel blieben dementsprechend nicht auf die innerfachlichen Auseinandersetzungen beschränkt. Sie zwangen die Politiker, wo immer ihnen die Bewältigung der Folgen oder gar die Möglichkeit der Abwendung der Katastrophe zugerechnet werden konnte, zum Handeln.

So hatte auch im politischen Diskurs die Katastrophenwarnung der DPG eine auslösende Wirkung. Nachdem das Problem bis dahin nur vereinzelt diskutiert worden war, veränderte sich die Landschaft der politischen Entscheidungs- und Beratungsgremien danach rasant. Bereits im Jahr 1987 wurde die erste Enquete-Kommission „Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre“ einberufen. In den Folgejahren intensivierte sich die politische Aktivität nochmals durch die Gründung des Klimabeirats (1988), die Kabinettsbeschlüsse zur CO2-Minderung (1990 und 1991), die Einsetzung einer zweiten Enquete-Kommission (1990), die Unterzeichnung der Klimarahmenkonvention (1992) und regelmäßige internationale „Klimagipfel“. Der Verweis auf die drohende Klimakatastrophe reichte jedoch nicht, um die fehlende Akzeptanz für die Kernenergie wiederherzustellen. Der Ausbau der Kernenergie stellte für die Regierung offenbar keine Option ihrer Klimaschutzpolitik dar. Während der ganzen Zeit stellte die Wissenschaft einen wichtigen Referenzpunkt für die Bearbeitung des Klimaproblems durch die Politik dar. Daher wurden neben den genannten Aktivitäten eine Reihe von großen Forschungsinstituten gegründet und mit hohen öffentlichen Fördermitteln ausgestattet. Begründet wurde das politische Engagement mit der Dringlichkeit des Problems. Zwei Beispiele illustrieren das:

„Wir haben – ich sagte es schon – wahrscheinlich nicht mehr viel Zeit zum gegensteuern. Was ist also zu tun? Wenn die Menschheit einen Klimakollaps vermeiden will, muss sofort gehandelt werden, denn die nächsten Jahre entscheiden darüber, ob die Erde im dritten Jahrtausend noch bewohnbar bleibt.“ (Dr. Hartenstein, SPD, 22.9.1988).

„Die Arbeiten der Enquete-Kommission haben bestätigt, dass der wissenschaftliche Sachverstand zum Thema Klimaproblematik, zur Treibhauskatastrophe so gesichert ist, dass deutlich wird, dass dringender Handlungsbedarf besteht und weiterer Aufschub nicht möglich ist. (Lippold, CDU/CSU, 20.1.1995).

Eine weit reichende politische Entscheidung war bereits im Jahr 1992 mit der nationalen Selbstverpflichtung zur Reduzierung der CO2-Emissionen um 25 Prozent bis zum Jahr 2005 getroffen worden. Dieses im Rahmen der Vorverhandlungen zur Konferenz für Umwelt und Entwicklung (UNCED) in Rio de Janeiro selbst gesteckte Ziel konnte zwar nie ereicht werden, nichtsdestotrotz war mit dieser Maßnahme die Transformation des Klimathemas in einen Gegenstand der politischen Regulierung und parlamentarischen Routinen vollzogen worden. Die frühzeitige Selbstverpflichtung zu einer substantiellen Reduzierung der CO2-Emissionen wurde nun zunehmend zu einem Glaubwürdigkeitsproblem für die Regierung.

Die deutschen Medien reagierten in spezifischer Weise. Sie griffen die in der Wissenschaft geborene Metapher von der „Klimakatastrophe“ auf und machten sie gleichermaßen zum Orientierungs- und Bezugspunkt ihrer Kommunikation. In den großen Print Medien liegen die Berichterstattungen zur Klimakatastrophe seit Mitte der 1980er Jahre auf quantitativ ungewöhnlich hohem Niveau. Die noch immer vorhandenen wissenschaftlichen Ungewissheiten in der Erforschung des anthropogenen Klimawandels wurden von den Medien bis weit in die 1990er Jahre hinein nahezu vollständig ausgeblendet. Das markanteste Merkmal des Mediendiskurses ist eine Transformation des hypothetischen Charakters wissenschaftlicher Prognosen und damit der Unsicherheit des Wissens in Gewissheiten. Schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt der Berichterstattung wird mit Verweis auf die autoritative Quelle Wissenschaft und deren Methoden die Sicherheit des Wissens konstatiert:

„Inzwischen aber haben Chemiker und Physiker – nach zahlreichen Messungen mit Satelliten und Simulationsversuchen in Labors – keinen Zweifel mehr, dass sich der fatale „Gewächshauseffekt“ tatsächlich einstellt“ (Der Spiegel 35/1977, 144).

„Nach Ansicht amerikanischer Wissenschaftler ist der größte Teil davon auf die Erwärmung und die damit verbundene Ausdehnung der Wassermassen zurückzuführen; (…) Wenn die Vorhersagen über die globale Erwärmung durch den zunehmenden Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre stimmen, ist in den nächsten 70 Jahren mit einem weiteren Anstieg des Meeresspiegels um 20 – 30 Zentimeter zu rechnen“ (FAZ 14.4.1982, 33)

Nach der Veröffentlichung des DPG-Aufrufs entwickelt sich in den deutschen Medien ein Katastrophendiskurs, der sich u. a. darin äußert, dass die Medien sich in der dramatischen Darstellung künftiger Bedrohungen durch den Klimawandel gegenseitig überbieten.

„Überraschend war die Katastrophe nicht gekommen. Wissenschaftler hatten beizeiten gewarnt. (…) Das Desaster, der weltweite Klima-Gau ist nicht mehr aufzuhalten“ (Der Spiegel 33/1986, 122/23).

„…ist eine oft gestellt Frage gerade auch angesichts der nun drohenden Klima-Katastrophe. Zu resignieren wäre tödlich, führte letztlich zum Untergang der Menschheit“ (SZ 30./31.7.1988, 86).

Durch die Beibehaltung der metaphorischen Konstruktion „Klimakatastrophe“ gelingt es den Medien, einerseits die öffentliche Aufmerksamkeit und andererseits den Druck auf die Politik zu erhöhen. Aus Sicht der untersuchten Massenmedien hätte ein schnelles und deutlicher verantwortungsvolles Handeln, das aufgrund der frühen wissenschaftlichen Warnungen vor der Klimakatastrophe auch möglich gewesen wäre, die gefürchteten Ausmaße der Katastrophe positiv beeinflussen können. Den Politikern wird – zum Teil sehr direkt und offen – vorgeworfen, die vielfältigen wissenschaftlichen Warnungen in den Wind geschlagen und sich zu lange auf die Unsicherheiten berufen zu haben. Die Wege zu einem wirksamen Handeln hat sich die Politik dadurch aus Sicht der Medien selbst verbaut.

„In den Konzernzentrale der Auto-, Energie- und Chemieproduzenten und natürlich auf den Chefsesseln der Politik der neunziger Jahre treiben obskure Gestalten ihr Unwesen, die die Zukunft unserer Kinder ruinieren“ (FAZ 6.5.1994, 32).

„Nur noch Katastrophen-Management (…) bleibt als Gesetz des Handelns übrig“ (Der Spiegel 12/1995, 19/21).

Die kommu­ni­ka­tive Risiken für Wissen­schaft, Politik und die Medien

Die oberflächliche Betrachtung zeigt bereits, dass der anthropogene Klimawandel in der Politik und den Medien ganz unterschiedlich wahrgenommen wird. So eindeutig wie die weltumspannenden politischen Aktivitäten es nahe legen, ist die Wahrnehmung des ökologischen Risikos nicht. Die Breite und der lange Zeitraum der Diskussion verdecken den Umstand, dass die Bedrohung aus wissenschaftlicher Sicht noch keine wirklich gesicherte Erkenntnis darstellt. Es bleibt nach wie vor umstritten, welche Sicherheit und Glaubwürdigkeit die Modellrechnungen und Simulationen künftiger Klimaentwicklungen zugewiesen werden kann. Soweit überhaupt absehbar, wird der Klimawandel an unterschiedlichen Orten der Welt vermutlich unterschiedliche Folgen haben. Daraus ergibt sich, dass verschiedene nationale Regierungen und nationale Medien das Problem auch sehr unterschiedlich wahrnehmen, kommunizieren und mit unterschiedlicher Dringlichkeit versehen. Die divergierenden Wahrnehmungen und damit die Handlungsweisen, die sie begründen, gefährden nicht nur die Kommunikation im Hinblick auf das ökologische Risiko, sie gefährden auch die Urheber der Kommunikationen selbst. Neben den ökologischen Risiken bestehen damit auch Risiken der Kommunikation, die im Folgenden kurz beleuchtetet werden sollen.

Die Klimatologie hat sich von einem sehr randständigen Forschungsgebiet zu einem bedeutenden Forschungszweig entwickelt, der einen erheblichen politischen Stellenwert besitzt. Bestehende Institute und Einrichtungen wurden mit erheblich höheren Forschungsmitteln ausgestattet, neue Institute wurden gegründet und universitäre Einrichtungen haben extrem an Bedeutung gewonnen. Trotz der erheblich veränderten Forschungslandschaft und der weiterhin erheblichen öffentlichen Aufmerksamkeit mehren sich aber seit Mitte der 1990er Jahre die Stimmen, die die frühen wissenschaftlichen Warnungen als übertrieben, voreilig und strategisch bezeichnen. Damit ist in hohem Maße auch die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft gefährdet. Wenn es Wissenschaftlern gelingt, mit Warnungen vor kommenden Katastrophen an die Öffentlichkeit zu treten, wird ihnen häufig geglaubt. Sie können jedoch ihre Glaubwürdigkeit auch verlieren, wenn die vorhergesagte Katastrophe nicht eintritt bzw. das prognostizierte Ausmaß sich als übertrieben erweist. Die Wissenschaft ist aufgrund der inhärenten Unsicherheit ihrer Prognosen von dem kommunikativen Risiko des Verlusts der Glaubwürdigkeit bedroht. Dies kann insbesondere dann erheblich Folgen nach sich ziehen, wenn die Warnungen eine große politische und öffentliche Aufmerksamkeit erreicht haben.

In der Politik werden wissenschaftliche Warnungen oftmals als Handlungsanweisungen wahrgenommen. Für die Politik bedeuten solche Warnungen dann riskante Entscheidungsoptionen. Sowohl ein zu frühes Reagieren als auch ein langes Ignorieren könnten sich als falsch und damit gleichermaßen riskant erweisen. Die Politik sieht sich also vor das Dilemma gestellt, dass sie entweder durch Nichthandeln Legitimationsverlust erleidet oder diesen durch überzogene Selbstverpflichtungen und Maßnahmen auf die Zukunft verschiebt.

Durch den globalen Klimawandel ist eine sehr spezifische Bedrohung für die Politik entstanden, sollten sich die frühen wissenschaftlichen Warnungen tatsächlich als verfrüht herausstellen. Indem die deutsche Politik den Klimawandel auf ihre Agenda gesetzt und den wissenschaftlichen Warnungen geglaubt hat, hat sie letztlich auch ihre eigene Legitimität riskiert. Sollten die Warnungen zurückgenommen werden, ist die Legitimation der Politik als Ganzes aber vor allem die einzelner Politiker (und damit ihrer Wahlchancen) in besonderer Weise gefährdet. Das Klimaproblem bedeutet also neben dem ökologischen Risiko für die Politik, dass sie darüber hinaus vom Risiko des Legitimationsverlusts bedroht ist.

Für die Medien stellt sich das Problem weniger dramatisch aber durchaus spezifisch dar. Katastrophendiskurse in den Medien sind durch Überbietungen gekennzeichnet und geraten irgendwann auch an ihre Grenzen. Inzwischen spricht vieles dafür, dass die Entwicklung von immer konkreteren und immer dramatischeren Untergangsszenarien die Glaubwürdigkeit der Medienberichterstattung gefährdet und zu Übersättigungstendenzen führt. Eine gewisse „Katastrophenmüdigkeit“ auch bei einer durchaus an ökologischen Themen interessierten Leserschaft war nicht übersehen. Damit gefährden die Medien die Aufmerksamkeit für ihre eigenen Produkte. Mit sinkender Aufmerksamkeit ist aber auch das Risiko des Verlusts von Marktchancen verbunden. Seit Mitte der 1990er Jahre hat das Medieninteresse begonnen abzubröckeln. Die Zeit schlussfolgerte am 25.7.1997 dann auch „Den Meteorologen ist die Katastrophe abhanden gekommen“. Immer häufiger las man nun von Skepsis gegenüber der eigenen ursprünglichen Position. Neu und aufmerksamkeits relevant war nun zunehmend die Gegenposition. Auf diese Weise gelingt es den Medien dann letztlich doch noch dem Risiko des Verlusts der Aufmerksamkeit zu begegnen.

Vor der Katastrophe oder nach der Katas­tro­phe?

Wo stehen wir heute? Zu Beginn des neuen Jahrtausends dominierten andere Themen die Berichterstattung der deutschen Medien. Die steigende Arbeitslosigkeit und die Gefahr durch eine neue Phase des internationalen Terrorismus schienen allemal eine größere Bedrohung darzustellen als ein künftiger Klimawandel. Auch wenn die Forschung schon seit längerem von einem breiten Konsens in der wissenschaftlichen Klimadebatte ausging und zu der Aussage übergegangen war, dass der Klimawandel bereits begonnen habe, konnte das Thema keine mit den 1990er Jahren vergleichbare öffentliche Aufmerksamkeit erlangen, obwohl die Quantität der Berichterstattung und die politischen Aktivitäten sich kaum verändert haben.

Seit Anfang 2007 ist allerdings wieder Bewegung in die öffentliche Debatte um den anthropogenen Klimawandel geraten. Das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) hat in drei Etappen im Februar, April und Mai 2007 seinen aktuellen, vierten Bericht veröffentlicht. Die nationale und internationale Politik äußert sich regelmäßig zu Einschätzungen über Dramatik und Folgen des Klimawandels und im April 2007 beschäftigte sich erstmalig der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen auf Druck Großbritanniens mit der Frage, welche Gefahren für den Weltfrieden durch die zunehmende Erwärmung der Erde entstehen. Selbst die bis dato überwiegend skeptische amerikanische Regierung stellt während des G8-Gipfels Anfang Juli 2007 die Unterzeichnung des Kyoto-Protokolls in Aussicht.

Die Medienaufmerksamkeit zeigt für das 1. Quartal des Jahres 2007 einen enormen Anstieg in der Häufigkeit ihrer Berichterstattung zum Klimawandel. Dies wurde u. a. ausgelöst durch die medienwirksam inszenierte Veröffentlichung des IPCC-Reports an wechselnden Orten (Paris, Brüssel, Bangkok) mit jeweils einigen Wochen Abstand und in groß angekündigten Pressekonferenzen. Hinzu kam quasi zeitgleich ein ungewöhnlich warmes Winter- und Frühjahrswetter in Deutschland. Begleitet wird diese Intensität von einer Parallelität der warnenden und skeptischen Stimmen. War die Formulierung von Klimaskepsis in den früheren Jahren noch eine Randerscheinung, so ist sie jetzt eine sehr viel sichtbarere Variante der Berichterstattung. Der „Spiegel“ berichtete in der Woche, in der der dritte Teil des IPCC -Reports erschien, aus distanzierter Beobachterperspektive über die Verhandlungen des Weltklimarats und stellt die rivalisierenden Positionen unter der Überschrift „Sirenen des Weltgewissens“ dar (Der Spiegel 18/2007, 80). Nur eine Woche später – und damit drei Tage nach Veröffentlichung des IPCC -Berichts – wechselte das Nachrichtenmagazin dann vollends die Seiten, in dem es die Comic-Zeichnung eines schwitzenden Frauenkopfs und der Sprechblase „Hilfe … die Erde schmilzt“ sowie den Untertitel „Die große Klimahysterie“ auf das Titelblatt nahm. Im Heft selbst erschien der Leitartikel „Abschied vom Weltuntergang“, der in ungewöhnlich deutlicher Weise die Abkehr von der bisherigen Position zeigte (Der Spiegel 19/2007). In der FAZ fanden sich schon im März 2007 Überschriften wie „Ist der Klimawandel nichts als Schwindel?“ (23.3.2007) und „Klimawandel ist die natürlichste Sache der Welt“ (30.3.2007). Am 11. Juni 2007 strahlte der TV-Sender RTL eine Diskussion aus, der die deutsche Version des BBC Films „The Great Global Warming Swindle“ vorangestellt worden war. Die wissenschaftliche Expertise zur Klimamandelproblematik wird also insgesamt kritischer und als weniger aussagekräftig beurteilt. Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass ein so genannter Backflash eingesetzt hat, sondern zunächst lediglich, dass die Diskussion differenzierter und polarisierter geworden ist. Dass davon auch die politischen Maßnahmen nicht unberührt bleiben können, erstaunt kaum noch.

„Die CO2-Keule wird dazu benutzt, uns ein schlechtes Gewissen einzureden, und sie wird als Alibi von den Politikern verwendet, um nicht nur den Steuerzahler immer höher zu belasten, sondern auch die unsinnigsten Projekte zu fördern“ (FAZ 24.7.2007, Ti)

In den Tagen, in denen dieser Beitrag entsteht, ist eine bizarre Diskussion entbrannt, die zunächst in der FAZ geführt und veröffentlicht wird. Am 30.8.2007 publiziert Stefan Rahmstorf vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK) einen Artikel unter der Überschrift „Alles nur Klimahysterie?“, in welchem er in ungewöhnlich scharfer Weise die Skeptiker des Klimawandels in den Medien und der Wissenschaft angreift. Damit ist insofern eine neue Qualität erreicht, als es nicht mehr um den kontroversen Austausch von mehr oder weniger konkurrierenden Positionen geht, sondern um offene – und namentliche – Diffamierung. In der darauf folgenden Woche, am 5.9.2007, antwortet ein Teil der von Rahmsdorf wegen unlauterer Methoden und Falschaussagen attackierter Wissenschaftler und Journalisten in der FAZ, dass „vielmehr (…) Stil und Inhalt (auf) eine tiefe Unsicherheit und ein bizarres Geltungsbedürfnis hinweisen“. Am 12. September 2007 schaltet sich Spiegel-Online unter dem Titel „Die rabiaten Methoden des Klimaforschers Rahmstorf‘ ein und stellt die Argumente des Klimawissenschaftlers und der Klimaskeptiker gegenüber, allerdings nicht ohne darauf hinzuweisen, dass Rahmstorf sich „die Erziehung von Journalisten vorstellt“ (http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,505095-2,00.htm1).

Es bleibt zu beobachten, wie dieser Streit weiter geführt wird und vor allem wie die gesellschaftlichen Systeme weiterhin mit dem Klimaproblem umgehen werden. Die Beobachtung der gesellschaftlichen Wahrnehmung des anthropogenen Klimawandels zeigt, dass ein Diskurs über kommende Umweltkatastrophen zu unterschiedlichen Zeiten und unterschiedlichen Bedingungen sich jeweils neu erschaffen kann und dann jeweils neue gesellschaftliche Wirklichkeiten konstruiert.

Wenngleich die Schwierigkeiten, eine verbindliche weltweite Klimaschutzkonvention zu verabschieden nach wie vor unüberwindlich erscheinen, lässt doch die politische Wahrnehmung und Bedrohung des Problems – fernab von der medialen Verarbeitung – erkennen, dass der anthropogene Klimawandel als ökologisches Risiko ernst genommen wird. Schließlich handelt es sich um die ultimative, die größte und zugleich auch die letzte denkbare Katastrophe, die durch die Sorglosigkeit oder Unersättlichkeit im Umgang mit Ressourcen vom Menschen selbst verursacht zu werden droht.

(1)Teile der folgenden Abschnitte sind ausführlicher veröffentlicht in Pansegrau, P. , Engels, A. & Peter Weingart 2000. Alle reden vom Klima. Kommunikationen zum Klimawandel zwischen Wissenschaft, Politik und Massenmedien. In: Forschung an der Universität Bielefeld 22/2000.

(2)Vgl. hierzu ausführlicher Weingart, P., Engels, A. & Petra Pansegrau 2002. Von der Hypothese zur Katastrophe. Der anthropogene Klimawandel im Diskurs zwischen Wissenschaft, Politik und Massenmedien. Leske + Budrich.

nach oben