Publikationen / vorgänge / vorgänge Nr. 242: Künstliche Intelligenz und Menschenrechte

Wie viel Europa steckt in der Reform des Gemeinsamen Europä­i­schen Asylsys­tems?

Die öffentliche Diskussion um die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) erhitzt immer noch die Gemüter und befeuert Debatten um die Asylgesetzgebung in Deutschland, eine Arbeitspflicht für Schutzsuchende sowie deren Versorgung. Bernd Kasparek geht der Debatte auf den Grund und analysiert die bislang vergeblichen Versuche, einheitliche Regelungen für ein Europäisches Asylsystem zu schaffen. Dabei fragt er auch, wie viel Europa noch in GEAS steckt und kommt zum Schluss, dass hinter der Debatte um einen gemeinsamen Asylkompromiss tiefgründigere Auseinandersetzung um die Zukunft des europäischen Projekts sowie den Stellenwert des Rechtsstaats und der Demokratie in ihm stehen.

 

Die Auseinandersetzung um die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) war eines der dominanten Themen dieses Sommers. Dies gilt umso mehr, da sie Teil eines stark polarisierenden politischen Diskurses in Deutschland wurden, der die Fluchtmigration im Allgemeinen problematisierte und deren Begrenzung forderte. In dieser Debatte mischten sich verschiedenste Aspekte: Zur Debatte um Reformen der europäischen Asylgesetzgebung kamen in Deutschland Forderungen nach Binnengrenzkontrollen im Schengenraum, einer Arbeitspflicht für Schutzsuchende, einer Auszahlung des absoluten Existenzminimums als Sachleistung und einem Verbot von Rücküberweisungen in Heimatländer hinzu. Rufe nach einem verschärften Abschieberegime mischten sich mit wiederholten Vorschlägen, die Migrationskontrolle an die Nachbarstaaten der Europäischen Union (EU) auszulagern. Der Tiefpunkt der Debatte war erreicht, als der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Torsten Frei, eine Ablösung des Rechtsrahmens der Genfer Flüchtlingskonvention durch eine unverbindliche Kontingentlösung – eine sogenannte institutionelle Garantie – forderte. Sekundiert wurde ihm sowohl von dem ehemaligen Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) als auch dem ehemaligen Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD).

Aus Perspektive der Migrationsforschung verwundert die Heftigkeit, mit der die Debatte geführt wird. Ebenso verwunderlich ist, dass eine Vielzahl von Maßnahmen vorgeschlagen wurden, welche – dies lässt sich historisch und empirisch zeigen – die beabsichtigte Wirkung einer Reduzierung der Fluchtmigration nicht herbeiführen können. So ist die Tatsache, dass Binnengrenzkontrollen, beispielsweise an der deutsch-polnischen Grenze, keinerlei grenzpolizeiliche Handhabe bieten, um schutzsuchende Personen zurückzuweisen, aus einer Perspektive des Migrationsrechts unumstritten. Ebenso unumstritten ist die Tatsache, dass es in der Geschichte der EU zu keinem Zeitpunkt ein Migrationsabkommen mit Drittstaaten gegeben hat, welches die Migration nennenswert reduzierte. Ebenso unumstritten ist es, dass das Sachleistungsprinzip keinerlei abschreckende Wirkung entfaltet – belegt ist jedoch, dass es hohe Verwaltungskosten erzeugt. Zu guter Letzt sei aus der Perspektive der historischen Migrationsforschung noch darauf hingewiesen, dass die Genfer Flüchtlingskonvention direkte Konsequenz aus dem Scheitern europäischer Kontingentlösungen während der Zeit des Nationalsozialismus ist.

Es wäre jedoch falsch, die Debatte des Sommers 2023 als reines Wahlkampfgetöse abzutun. Vielmehr verweist diese zugespitzte und polemische Diskussion auf Verwerfungen im europäischen Gefüge. Diese artikulieren sich zwar aktuell vor allem über die Frage einer gemeinsamen Asylpolitik. Dahinter stehen jedoch tiefgründigere Auseinandersetzung um die Zukunft des europäischen Projekts sowie den Stellenwert des Rechtsstaats und der Demokratie in ihm. Dies soll im Folgenden im Rückgriff auf einen kurzen historischen Rückblick dargestellt werden.

Genese europä­i­scher Migra­ti­ons­po­litik

Wenngleich das europäische Integrationsprojekt 1957 in den Verträgen von Rom primär als Wirtschaftsgemeinschaft konzipiert war, so war ihm dennoch die Frage der Migration von Beginn an eingeschrieben. Denn die vier dem europäischen Projekt zu Grunde liegenden Freiheiten schlossen neben der Zirkulationsfreiheit für Waren, Kapital und Dienstleistungen auch die Bewegungsfreiheit für Personen ein. Ein Zusammenwachsen Europas bedeutete unvermeidlicherweise auch eine erleichterte Mobilität zwischen den Vertragsstaaten.

Doch während die Schaffung des Binnenmarktes sich als stärkster Ausdruck der europäischen Idee entwickelte und am 1. Januar 1993 für abgeschlossen erklärt wurde, stockte die Entwicklung einer europäischen Migrationspolitik. Zwar schuf der Vertrag von Maastricht (1992) eine europäische Migrationspolitik. Diese verblieb jedoch als Kompetenz bei den Mitgliedstaaten. Obwohl nur zwölf an der Zahl, waren diese in den 1990er Jahren nicht in der Lage, sich auf eine gemeinsame Politik zu einigen. Im Vertrag von Amsterdam (1997) wurde die Kompetenz in der Migrations-, Asyl- und Grenzpolitik daher vergemeinschaftet. In Zukunft sollten also Europäische Kommission, Parlament und der Rat der Innenminister*innen eine gemeinsame Politik aushandeln.

Europäisierung

So begann die EU in den 2000er Jahren, die Europäisierung der Migrationspolitik voranzutreiben. Die Gründung der europäischen Grenzschutzagentur Frontex war ein erster Schritt in Richtung europäischer Grenzverwaltung. Die Verabschiedung der ersten Fassung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) zwischen 2003 und 2005 schuf zum ersten Mal Mindestnormen für die nationalen Asylsysteme und kodifizierte einen Mechanismus, der regelte, welcher Mitgliedstaat für die Durchführung eines Asylverfahrens zuständig war – das sogenannte Dublin-System.

Zwar wurde das GEAS zu Recht kritisiert. Die Mindeststandards stellten oft eine Harmonisierung auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner dar und konnten daher manchmal auch eine Absenkung von Schutzstandards bedeuten. Das Dublin-System wiederum hatte den schwerwiegenden Konstruktionsfehler, dass es keineswegs eine solidarische Aufwandsverteilung in der EU schuf. Vielmehr zwang es die Staaten an den Außengrenzen der EU, die Mehrzahl der Asylverfahren durchzuführen und Schutzsuchende zu diesem Zweck unterzubringen.

Dennoch bedeutete das GEAS auch eine Modernisierung des Flüchtlingsrechts. Es gestaltete die Vorgaben der Genfer Flüchtlingskonvention konkret aus, passte sie an die Gegenwart an und bedeutete daher auch – insbesondere für Deutschland – eine Verbreiterung des Flüchtlingsbegriffs. Neben dem engeren Fokus auf politische Verfolgung, der sich aus der deutschen Geschichte ergab, führte das GEAS dringend notwendige Kategorien wie etwa geschlechtsspezifische Verfolgung ein. Trotz der vielfachen Probleme des GEAS lässt sich daher festhalten, dass es das Ziel verfolgte, den Flüchtlingsschutz in Europa schrittweise zu harmonisieren und die nationalen Asylsysteme aneinander anzugleichen. Das GEAS verfolgte also das Ziel der Europäisierung des Flüchtlingsschutzes und proklamierte daher auch die Schaffung eines „Raum des Schutzes“.

Krise

Doch ab dem Jahr 2010 geriet das kombinierte System aus GEAS und Schengen – also die Abschaffung der Binnengrenzkontrollen bei gleichzeitigem Ausbau der EU-Außengrenzen – in eine Krise. Die Zunahme von Kriegen in der Welt, die Folgen des Arabischen Frühlings und die ersten Vorzeichen des Klimawandels führten zu einer Folge von als Grenzkrisen wahrgenommenen Ereignissen. Schon im Jahr 2010 warnte daher die Europäische Kommission, dass die EU der neuen Dimension von Flucht und Migration nicht gewappnet sei und es notwendig sei, die Bemühungen zur Schaffung eines tatsächlichen europäischen Systems zu verstärken. Doch die alles überlagernde Krise der europäischen Staatsfinanzen ließ kaum Raum für eine tiefgreifende Reform. Fünf Jahre lang stockten die Reformbemühungen, bis der Sommer der Migration im Jahr 2015 die Schwächen des Systems aufzeigte.

Zwar kam es in Folge des Sommers zu einer Reihe von weitreichenden Reformen. So wurde etwa die europäische Grenzschutzagentur Frontex massiv aufgewertet und mit einer ständigen Reserve, bestehend aus 10.000 Beamt*innen, ausgestattet. Doch im Bereich der Asylpolitik stockten die Reformbemühungen weiter. Ein großes Reformpaket der Juncker-Kommission scheiterte im Rat. Die von der Leyen-Kommission versprach zwar bei ihrem Antritt 2019 eine Reform, diese ließ jedoch auf sich warten.

GEAS-Reform 2023

Erst der Brand des Flüchtlingslagers Moria auf der griechischen Insel Lesbos im Sommer 2020 erhöhte den Druck so weit, dass die Europäische Kommission nur rund zwei Wochen später ein hastig zusammengestelltes Reformpaket präsentierte: das Neue Migrations- und Asylpaket, auf Englisch vielversprechend New Pact on Migration and Asylum genannt. Doch auch dieses Paket blieb in der Uneinigkeit des Rates stecken. Erst im Frühjahr 2023 kam plötzlich Bewegung in die Affäre, als das Europäische Parlament sich auf eine Verhandlungsposition bezüglich der Gesetzesvorschläge des Pakets einigte. Damit stieg der Druck auf den Rat, seinerseits auch eine Verhandlungsposition zu finden, um in den sogenannten Trilog – das Aushandeln des endgültigen Gesetzestextes zwischen Kommission, Parlament und Rat – einsteigen zu können.

Das Gesamtpaket bestand aus einem weiten Bündel aus Maßnahmen, die an dieser Stelle nicht einzeln aufgeführt werden sollen. Im Kern stehen jedoch drei Verordnungen: die Asylverfahrensverordnung, die Verordnung über Asyl- und Migrationsmanagement sowie die sogenannte Krisenverordnung.

Diese drei Verordnungen sollen das versprochene Ziel der Reform, nämlich weniger Schutzsuchende in Europa ankommen zu lassen, folgendermaßen garantieren: Kernelement der Asylverfahrensverordnung ist die Einführung beschleunigter Grenzverfahren. Schutzsuchende Personen, die einer Nationalität sind, deren durchschnittliche Anerkennungsquote in der EU unter 20 Prozent liegt, sollen einem Asylschnellverfahren unterzogen werden. Dies gilt auch für Personen, die durch einen sogenannten Sicheren Drittstaat gereist sind. Um die Durchführung dieses Schnellverfahrens zu garantieren, sollen diese Personen inhaftiert werden. Dies soll auch ihre schnelle Abschiebung im Falle eines negativen Asylbescheids ermöglichen. Mit der GEAS-Reform ist also davon auszugehen, dass eine Vielzahl von Inhaftierungsanstalten entlang der europäischen Außengrenze entstehen werden. Das unter den Umständen von Inhaftierung und Beschleunigung die Qualität von Asylverfahren leidet, ist zwar wissenschaftlich belegt, spielte aber in den Erwägungen der politischen Entscheidungsträger*innen keine Rolle.

Ein weiteres Ziel der Reform war es, das schwerwiegende Ungleichgewicht, welches das Dublin-System kennzeichnet, auszugleichen. Zu diesem Zweck sollte ein Solidarmechanismus geschaffen werden, der eine im Sinne der Mitgliedstaaten faire Verteilung von Schutzsuchenden garantieren würde. Ein solcher Mechanismus ist jedoch nicht zu Stande gekommen. Vielmehr wurde den Außengrenzstaaten, allen voran Italien und Griechenland, lediglich versprochen, dass 30.000 Schutzsuchende umverteilt werden würden. Dies ist also kein Einstieg in ein Solidarsystem und schafft insbesondere keinen Anreiz für die betroffenen Staaten, die Reform umzusetzen.

Das dritte Element der Reform, die Krisenverordnung, schafft nun die Möglichkeit, im Falle von Krise, Instrumentalisierung oder höherer Gewalt die schon abgesenkten Schutzstandards an der Grenze weiter abzusenken. Die Dauer des beschleunigten Grenzverfahrens, und damit die Dauer der Inhaftierung, darf ausgeweitet werden, es gelten längere Fristen für Erstregistrierung, und vor allem dürfen nun auch Personen einer Nationalität mit einer hohen Wahrscheinlichkeit eines Schutzanspruches in das Grenzverfahren genommen werden. Dabei sind weder Krise noch Instrumentalisierung noch höhere Gewalt klar bestimmte Begriffe. Es steht somit zu befürchten, dass diese Verordnung einem permanenten Unterlaufen der Standards Tür und Tor öffnet.

Ist das GEAS noch europäisch im Geiste?

Neben dem Unvermögen, einen tatsächlichen europäischen Solidarmechanismus zu schaffen, adressiert die Reform auch nicht die Tatsache der permanenten und systematischen Rechtsbrüche, die seit vielen Jahren das Grenzgeschehen der EU kennzeichnen. Denn aufgrund der verschleppten Reform begannen viele Mitgliedstaaten nach 2015, die Idee eines europäischen Asylsystems und einer harmonisierten Grenzverwaltung aufzugeben. Dies äußerte sich vor allem in der Zunahme sogenannter Pushbacks: illegale Akte der Zurückweisung von Schutzsuchenden an der Grenze, die oftmals mit exzessiver Gewalt, ausgeübt durch Polizeibeamt*innen, einhergehen. Die Zunahme dieser Pushbacks an den verschiedensten Abschnitten der Außengrenze der EU ist vielfach dokumentiert und belegt. Dennoch werden diese systematischen Verstöße gegen das Völker- und Europarecht nicht geahndet. Dies wäre unter anderem die Aufgabe der Europäischen Kommission in ihrer Rolle als Hüterin der Verträge.

Diese Entwicklung verweist auf eine Dynamik der Ent-Europäisierung, die Anlass zu großer Sorge bereitet. Denn das Gewährenlassen staatlicher Akteure, die sich über Europarecht hinwegsetzen, schafft die desintegrierende Dynamik. Die Kommission scheitert schon daran, das Herzstück europäischer Innenpolitik, den Schengener Grenzkodex, durchzusetzen. Dies zeigt sich auch an der Ausbreitung von Binnengrenzkontrollen im Schengenraum, die nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs in ihrer de facto Permanenz rechtswidrig sind, aber dennoch von den Mitgliedstaaten weiterverfolgt werden.

Verschärft findet sich nun diese desintegrierende Dynamik in der Reform des GEAS. Denn was offensichtlich fehlt, ist eine europäische Vision für ein Asylsystem, selbst wenn sich diese in der gegenwärtigen Konjunktur repressiv artikulieren würde. Doch die GEAS-Reform zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass sie es den Mitgliedstaaten freistellt, wie repressiv diese an der Grenze und vis-a-vis von Schutzsuchenden agieren möchten. So schreibt die Asylverfahresverordnung zwar vor, auf welche Personengruppe die beschleunigten Grenzverfahren zwingend anzuwenden sind. Sie stellt es den Mitgliedstaaten aber frei, über diese Vorgaben hinauszugehen. Hier gibt es also keinen Anspruch mehr, die Rechte der Schutzsuchenden und die Interessen der Mitgliedstaaten in einen Ausgleich zu bringen. Ähnliches gilt für die Definition Sicherer Drittstaaten. Auch hier lässt der vorgeschlagene Gesetzestext den Mitgliedstaaten viel Spielraum, was auch eine Einführung des britischen Ruanda-Modells in Europa als möglich erscheinen lässt.

Europäische Konfö­de­ra­tion?

Die GEAS-Reform leistet also einer weiteren Fragmentierung der Europäischen Union als Rechtsunion Vorschub. Dies ist kein Zufall, sondern Ergebnis des Vormarsches eines rechten europäischen Projekts, welches sich in Folge der Eurokrise gebildet hat. Es bezieht seine politische Kraft aus der beständigen Skandalisierung der Migration, und seine Fürsprecher*innen sind daher gar nicht daran interessiert, eine politische Lösung für das vorgebliche Problem zu finden. Konsequenterweise haben sich die Regierungen Polens und Ungarns als die extremsten Vertreterinnen dieses rechten europäischen Projekts auch der GEAS-Reform verweigert.

Tatsächlich zeigt das Beispiel Polen aber auch, dass es im Kern gar nicht um die Frage der Migration geht. Vielmehr geht es um den fundamentalen Umbau des europäischen Projekts in etwas, was sich neo-abolitionistisch als Europäische Konfödera-tion bezeichnen lassen könnte. Denn vermittels der Skandalisierung der europäischen Migrationspolitik stellt die polnische Regierung auch den Grundsatz, dass europäisches Recht über nationalem Recht steht, offensiv in Frage. Für den Fortbestand einer Union ist dieses Prinzip jedoch unabdingbar. Das Projekt Europäische Konföderation ist also ein Projekt des Rückbaus der EU in das, was in rechten Kreisen immer wieder als ein Europa der Nationen bezeichnet wird. Implizit nimmt die GEAS-Reform diese Entwicklung schon vorweg.

Realistischerweise ist davon auszugehen, dass auch die harten Maßnahmen des GEAS nicht geeignet sein werden, die Fluchtmigration nach Europa zu stoppen. Die Missachtung grundlegender Rechte Schutzsuchender wird zwar zunehmen, doch die Situationen, aus denen sich Menschen qua Flucht zu befreien suchen, werden immer noch bedrohlicher und lebensfeindlicher sein.

Doch damit steht ein überaus bedrohliches Szenario im Raum. Denn wenn die GEAS-Reform sich in einigen Jahren als unwirksam erweisen wird, die Fluchtmigration nach Europa zu begrenzen, so wird sie in doppelter Weise Munition für das Projekt einer Europäischen Konföderation sein. Denn ihren Vertreter*innen wird die gescheiterte Reform der Beweis dafür sein, dass die EU handlungsunfähig ist, und dass der Migration mit noch härteren Mitteln zu begegnen sei. Auch in dieser Hinsicht ist daher zu befürchten, dass die GEAS-Reform der rechten Mobilisierung Vorschub leistet. Im Umkehrschluss bedeutet dies jedoch, dass die Verteidigung der Flüchtlingsrechte in Europa heute gleichzeitig die Verteidigung der europäischen Demokratie und des europäischen Projekts bedeutet.

 

Prof. Dr. Bernd Kasparek ist Professor am Institut für Europäischen Ethnologie der Humboldt-Universität zu Berlin. Zudem leitet er am Berliner Institut für Migrationsforschung (BIM) zusammen mit Manuela Bojadžijev die Abteilung „Soziale Netzwerke und kulturelle Lebensstile“. Seine Schwerpunkte sind Migrations- und Grenzregime, Europäisierung und digitale Infrastrukturen. 2021 erschien sein Buch Europa als Grenze. Eine Ethnographie der Grenzschutz-Agentur Frontex im transcript-Verlag.

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