Gedenken an Erwin Fischer zum 100. Geburtstag

Mitteilungen Nr. 185, S.6

Am 7. August 2004 jährt sich zum 100. Mal der Geburtstag von Erwin Fischer, der 1961 die Humanistische Union mit begründete. Er gehörte von 1967 bis 1970 dem HU-Vorstand an und war bis zu seinem Tod Mitglied unseres Beirats. Erwin Fischer war eine der prägenden Persönlichkeiten der Humanistischen Union. Die Befreiung der Menschen von obrigkeitlicher und klerikaler Entmündigung, so wie es im Gründungsaufruf der HU steht, war sein Lebensthema.

Am 7. August 1904 in Reutlingen geboren, besuchte Erwin Fischer die Schule in Ulm und studierte Rechtswissenschaften. Er begann seine juristische Laufbahn als Rechtsassessor in Berlin und wurde 1930 als Rechtsanwalt beim Landgericht Berlin zugelassen. Aus seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der deutschen Hochschule für Politik wurde er von den Nazis wegen seiner Mitgliedschaft in der SPD und der Sozialistischen Juristenvereinigung entlassen.

Nach Rückkehr aus Krieg und Gefangenschaft arbeitete Erwin Fischer als Rechtsanwalt in seiner Heimatstadt Ulm. In Verbindung mit seiner Tätigkeit als Vorsitzender der von ihm in den 50er Jahren begründeten „Gesellschaft für Bürgerrechte“ befasste er sich mit zahlreichen Problemen von Religion und Weltanschauung: Er vertrat Mandanten in Prozessen wegen Kirchensteuerpflichtigkeit des religionsfremden Ehepartners, gegen den Religionsunterricht als Versetzungsfach, gegen die christliche Gemeinschaftsschule als Zwang für alle, gegen das Schulgebet, gegen Anstalts- und Militärseelsorge, gegen Konkordatslehrstühle… also den ganzen Kanon einer nicht realisierten Trennung von Kirche und Staat und die hiermit gegebene Gefährdung der Religions- und Weltanschauungsfreiheit.

Dabei kämpfte Erwin Fischer nicht gegen die Kirche oder gar gegen die Religion, sondern gegen die Bevormundung der Menschen im Namen der Religion, gegen die Verachtung menschlicher Freiheit im Namen unveränderlicher Werte und Wahrheiten, wie Johannes Neumann anlässlich der Erwin-Fischer-Preis-Verleihung an ihn durch den IBKA hervorhob. „Um der Selbstbestimmung und Freiheit des Menschen willen hat er zahlreiche Prozesse geführt, war er doch einer der wenigen Juristen, die es wagten, den kirchlichen Ansprüchen zu widerstehen.“

Bemerkenswert war, dass Erwin Fischer auf diesem Gebiet ohne spezielle Vorkenntnisse heimisch geworden ist. Ohne Belastung durch fachwissenschaftliche Begrenzung gelangte er auf der Grundlage seiner agnostischen Weltanschauung zu radikalen Konsequenzen. Sein Standardwerk „Trennung von Staat und Kirche“ (zuletzt überarbeitet 1993, dann unter dem Titel „Volkskirche ade! – Trennung von Staat und Kirche“) fand auch bei seinen Gegnern Beachtung und Anerkennung.

Nach der Wiedervereinigung gab er noch eine Schrift heraus: „Staat und Kirche im vereinigten Deutschland.“ Daneben war er mit zahlreichen Veröffentlichungen in einschlägigen Zeitschriften – u.a. den „Vorgängen“ – publizistisch tätig. 1993 wurde Erwin Fischer als einer der nachhaltigsten Streiter der HU für eine Trennung von Staat und Kirche mit dem Fritz-Bauer-Preis ausgezeichnet. In seiner Laudatio wies Ulrich K. Preuß darauf hin, dass das Lebenswerk Erwin Fischers auch zukunftsweisend bleibt. Denn wenn das Thema Staat und Kirche heutzutage vielen „etwas abseits gelegen erscheint in einer durch und durch säkularisierten Welt, in der die Religion allenfalls noch eine Privatangelegenheit ist und ihrer einstigen politischen Sprengkraft beraubt zu sein scheint“, so hat das Lebensthema Erwin Fischers keineswegs seine Harmlosigkeit eingebüßt angesichts der „sich ungeheuer steigernde Bedeutung der Religion und einer Intensivierung ihrer Beziehung zur Politik…. Alle heutigen Weltreligionen haben ihre Fundamentalisten“, so Preuß weiter. Und das gilt nicht nur für den Islam und nicht nur für christliche soziale Bewegungen in den USA, auch in Europa sind „in den christlichen Ländern die Grenzen zwischen Religion und Politik nicht klar und eindeutig und nach den Maßstäben des modernen weltlichen Staates gezogen.“

Erwin Fischer starb am 15. Juli 1996. Die Gedenkreden für die HU hielten Johannes Neumann und Jürgen Roth. Sein Werk sollte uns weiterhin Verpflichtung und Ansporn sein.

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