Kleine Verlags- und Redakteursgeschichte der vorgänge
Mitteilungen Nr. 215/216 (Heft 1/2012), S. 22
Die erste Ausgabe der vorgänge erschien im Juni 1962 im DIN A4-Format, der Untertitel lautete: „Eine kulturpolitische Korrespondenz, herausgegeben von Dr. Gerhard Szczesny in Verbindung mit der HUMANISTISCHEN UNION“. Dem gedruckten Titelblatt folgten vervielfältigte Blätter in Schreibmaschinenschrift mit Flatterrand. Nach sechs Ausgaben kam die damalige Monatsschrift im Buchdruck auf den Markt. Anfangs von kulturpolitischen Themen geprägt, befassten sich die vorgänge zunehmend mit Verfassungsrecht, Bürger- und Grundrechtsschutz und wurden rasch zur Chronik der die Bundesrepublik bewegenden politischen Großthemen: Spiegel-Affäre, Notstandsgesetzgebung, Verjährung von NS-Mordtaten, das Verhältnis von Staat und Kirche ebenso wie Probleme des Strafvollzugs oder der Filmzensur durch die Aktion „Saubere Leinwand“ – damit befassten sich Autoren wie Gerhard Szczesny, Ossip K. Flechtheim, Fritz Bauer, Erwin Fischer, Gerd Hirschauer, Jürgen Seifert und zahlreiche andere links-liberale Intellektuelle von Rang und Namen.
Mit dem 11. Jahrgang erschien die Zeitschrift letztmalig im Eigenverlag der Humanistischen Union und als DIN A4-Format, seit 1973 im Beltz Verlag Weinheim und nun broschiert mit festem Einband zunächst in hellbraun, dann in sattem Gelb und mit wechselnden Rahmenfarben. Jetzt lautete der Untertitel: „Zeitschrift für Gesellschaftspolitik“. Bedeutendste Neuerung waren fortan Hefte mit Themenschwerpunkten. „Klassenjustiz heute?“ und „Innere Sicherheit minus Innere Freiheit?“ – so fragten die beiden ersten Themenhefte. Die Zusammenarbeit mit dem Beltz-Verlag endete 1980. Nach einer Zwischenstation bei der Europäischen Verlagsanstalt wurde die Zeitschrift ab 1983 vom vorgänge e.V. als Selbstverlag in Zusammenarbeit mit der Gustav Heinemann-Initiative, der Humanistischen Union und dem Komitee für Grundrechte und Demokratie herausgegeben. Seither führen die vorgänge den bis heute gültigen Untertitel „Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik.“ Zur Unterstützung der Redakteure wurde ein Redaktionsbeirat gegründet.
Mehr als 60 Ausgaben der vorgänge erschienen als Vierteljahresschrift seit 1989 im Verlag Leske+Budrich in Opladen, der in der Person von Verleger Budrich der Zeitschrift besonders verbundenen war. Auch in dieser Zeit waren die Redakteure stets unabhängig, Verlegerzensur kein Thema. Nach dem VS Verlag für Sozialwissenschaften in Frankfurt betreute die Zeitschrift ab 2006 der Berliner Wissenschafts-Verlag (BWV).
In der Reihe der verantwortlichen Redakteure war Gerd Hirschauer, der kirchenkritische Publizist, gewiss die herausragende Gestalt – zeitweise von Mitredakteuren unterstützt wie z.B. von Anton Andreas Guha, im Hauptberuf politischer Redakteur der Frankfurter Rundschau. Als Redakteur der ersten Stunde hat Gerd Hirschauer die vorgänge bis 1984 nicht nur am längstem, sondern wohl auch am nachhaltigsten geprägt. Dieter Hoffmann betreute anschließend bis zu seinem Ausscheiden im Jahr 2000 mehr als 80 Ausgaben. Als brilliante intellektuelle Köpfe verschafften Alexander Camman und Thymian Bussemer (bis 2005) und anschließend bis heute Dieter Rulff der Zeitschrift weiterhin die Reputation, die ihr in der politischen Publizistik allenthalben zugeschrieben wird. Dazu hat Prof. Jürgen Seifert über Jahrzehnte in hervorragender Weise bis zu seinem Tod im Jahre 2005 beigetragen; die Redaktionssitzungen in seinem Haus in Hannover waren für alle Beteiligten prägend.
(zusammengestellt von Werner Koep-Kerstin)