Freiburg: TACHELES zur Sicherungsverwahrung
Mitteilungen Nr. 212 (1/2011), S. 22
Am 28. Januar 2011 hat Jörg Kinzig, Strafrechtswissenschaftler von der Universität Tübingen, im Rahmen der Veranstaltungsreihe TACHELES einen Vortrag zu den aktuellen Problemen der Sicherungsverwahrung gehalten.
Im komplett gefüllten Raum des Kollegiengebäudes am Platz der Universität in Freiburg folgten etwa 200 Professor Kinzig, wie er ein Bild der sukzessiven Ausweitung der Anordnungsmöglichkeiten der Sicherungsverwahrung in Deutschland nachzeichnete, die einherging mit der Reduktion der rechtlichen Anforderungen etwa an die Schwere und Anzahl der begangenen Vortaten oder an das Merkmal des sog. Hanges. Wenn die Voraussetzungen für die eingriffsintensivste Maßnahme, die dem Staat zur Verfügung steht, weiter so abgesenkt würden, werde es bald eine Sicherungsverwahrung ohne Straftat geben, sagte Kinzig pointiert.
Die Ausweitung der Sicherungsverwahrung führe zu einer dramatischen Zunahme der Zahl der Inhaftierten, einer Verdreifachung seit Mitte der 1990er Jahre. Kinzig wies darauf hin, dass im gleichen Zeitraum die Zahl der schweren Gewalttaten stark gesunken sei. Ein Befund, der verdeutlicht, wie wenig Kriminalpolitik mit tatsächlichen Entwicklungen zusammenhängt und wie stark sie von Stimmungen, Ängsten und der Bildzeitung beeinflusst wird. Das kann man auch an dem nun reformierten Gesetz zur Sicherungsverwahrung sehen, das seit dem 1. Januar 2011 in Kraft ist. Die deutlichen Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) wurden nicht umgesetzt.
Obwohl Professor Kinzig Prognosen gegenüber skeptisch ist, war er sich sicher, dass der EGMR das Gesetz so für nicht vereinbar mit der Europäischen Menschenrechtskonvention halten wird. Das neue Gesetz krankt an vielen Ecken und Enden. Das letzte Wort über seinen Bestand ist aber noch nicht gesprochen. Beim Bundesgerichtshof, beim Bundesverfassungsgericht und beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte sind noch einige Klagen anhängig. Man muss also ein weiteres Mal auf die höchsten Gerichte hoffen.